Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Entscheidung vom 09.09.2022; Aktenzeichen 4 KLs 4151 Js 11360/21) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 9. September 2022 mit den Feststellungen zur inneren Tatseite aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte dem gesondert Verfolgten S. acht Kilogramm Amphetaminzubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von 10% (800 Gramm Amphetaminbase) zu einem Kaufpreis von 12.000 Euro. Dem gesondert Verfolgten S. waren kurz zuvor acht Kilogramm Amphetamin gestohlen worden, die er für gesondert verfolgte Hintermänner verwahrt hatte. Als er von diesen unter Druck gesetzt wurde, bat er den Angeklagten um Hilfe. Angesichts seiner finanziellen Lage sollte der gesondert Verfolgte S. den Kaufpreis in Raten begleichen. Nach Zahlung von 5.800 Euro kam es zum Streit, in dessen Folge keine weiteren Raten mehr gezahlt wurden.
II.
Rz. 3
1. Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
Rz. 4
2. Der Schuldspruch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kann nicht bestehen bleiben, weil ein eigennütziges Handeln des Angeklagten nicht festgestellt ist.
Rz. 5
a) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 2021 - 4 StR 70/21, NStZ-RR 2021, 382; Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05 Rn. 26, weitere Nachweise bei Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, 10. Auflage 2022, § 29 BtMG Rn. 225). Eigennützig handelt, wer von einem Streben nach Gewinn geleitet wird oder wer sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder - objektiv messbar - immateriell bessergestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 - 4 StR 247/18 Rn. 4). Daran kann es fehlen, wenn der Täter Betäubungsmittel zum Einstandspreis veräußert (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1988 - 3 StR 503/88 Rn. 3, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 15). Allerdings kann auch in einem solchen Fall das Interesse an der Aufrechterhaltung einer gewinnbringenden Geschäftsbeziehung für die Annahme eines eigennützigen Handelns ausreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1988 ‒ 2 StR 539/88 Rn. 6, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 14). Kein Vorteil mit objektiv messbarem Inhalt ist die Hoffnung auf ideelle Anerkennung bei anderen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 2008 - 4 StR 33/08 Rn. 3).
Rz. 6
b) Die Urteilsgründe ergeben nicht, dass der Angeklagte in diesem Sinne eigennützig gehandelt hat.
Rz. 7
aa) Eindeutige Feststellungen zu einer Gewinnerzielungsabsicht enthält das Urteil nicht. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB hat das Landgericht stattdessen angeführt, die Tat habe nicht „auf einen schnellen Gewinn abgezielt“; auch sei das Motiv des Angeklagten kein „reines Gewinnstreben“ gewesen. Soweit die Strafkammer darauf abhebt, dem Angeklagten sei es darum gegangen, dem gesondert Verfolgten zu helfen, lässt sich daraus eine Eigennützigkeit in dem dargestellten Sinn noch nicht ableiten. Sie hätte daher näherer Erörterung bedurft.
Rz. 8
bb) Ein eigennütziges Handeln des Angeklagten lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zweifelsfrei entnehmen. Soweit die Strafkammer von mittlerer Qualität des Amphetamins u. a. deshalb ausgegangen ist, weil ein Polizeibeamter 12.000 Euro für acht Kilogramm als einen realistischen Preis bei mittlerer Qualität bezeichnet hat, lässt sich daraus noch kein den Angeklagten begünstigendes Verhältnis von Einkaufs- und Verkaufspreis herleiten. Auch die erhebliche Menge des veräußerten Amphetamins legt angesichts der besonderen Umstände (Hilfeleistung) ein Gewinnstreben nicht nahe. Der Umstand, dass es später zum Streit über die weitere Ratenzahlung kam, ist kein Anzeichen dafür, dass die ursprüngliche Forderung von 12.000 Euro einen Gewinnanteil für den Angeklagten enthielt.
Rz. 9
3. Da weitere Feststellungen zur Frage der Eigennützigkeit möglich erscheinen, hebt der Senat das Urteil mit den Feststellungen zur inneren Tatseite auf.
Rz. 10
Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind auch zum äußeren Tatgeschehen möglich.
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Fundstellen
Haufe-Index 15712034 |
NStZ-RR 2023, 210 |
StV 2024, 451 |