Verfahrensgang
LG Oldenburg (Urteil vom 05.02.2001) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 5. Februar 2001 werden verworfen; jedoch wird der Schuldspruch gegen den Angeklagten Erdogan K. dahin geändert, daß dieser Angeklagte im Fall B II. der Urteilsgründe (= Fall 1 der Anklage) des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
1. Zwar hat sich der Angeklagte Erdogan K. entgegen der Auffassung des Landgerichts im Fall B II. der Urteilsgründe nicht der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG schuldig gemacht. Denn im Sinne dieser Vorschrift werden Betäubungsmittel nur dann an einen Minderjährigen abgegeben, wenn sie ihm unentgeltlich zur freien Verfügung überlassen werden, so daß er sie nach Belieben verbrauchen oder weitergeben kann (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Abgabe 1 und Handeltreiben 15). Dies ist nicht der Fall, wenn – wie hier – ein Betäubungsmittelhändler einem Minderjährigen, der für ihn ein Betäubungsmittelgeschäft vermittelt hat, das Rauschgift mit der Weisung übergibt, er solle es dem Abnehmer gegen Zahlung des Kaufpreises aushändigen. Jedoch belegen die Feststellungen, daß der Angeklagte auch in diesem Fall unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben hat (§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Der Schuldspruch ist entsprechend abzuändern.
§ 265 Abs. 1 StGB steht dem nicht entgegen, da Fall B II. der Urteilsgründe auch als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angeklagt war (§ 30 a Abs. 1 BtMG). Allein der Wegfall des Qualifizierungsmerkmals der bandenmäßigen Tatbegehung begründet keine Hinweispflicht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 265 Rdn. 9 m. w. N.).
Von der Schuldspruchänderung bleibt der Strafausspruch unberührt. Der Senat kann ausschließen, daß das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung dieser Tat aus dem auch insoweit anwendbaren Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 BtMG auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt oder eine geringere Gesamtstrafe zugemessen hätte.
2. Im übrigen bemerkt der Senat ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts:
a) Soweit sich die Revision des Angeklagten … Ka. mit der Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung der Zeugen S., Sch. und F. auseinandersetzt, kann dahinstehen, ob insoweit überhaupt eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Verfahrensrüge erhoben wurde. Es kann ebenfalls offen bleiben, ob die Strafkammer – was zweifelhaft erscheint – die in das Wissen der Zeugen gestellte Beweisbehauptung, der (frühere Mitangeklagte und spätere) Zeuge C. habe bei seiner Vernehmung vom 22. März 2000 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er die vom Angeklagten Ka. ausschließlich gesprochene „Heimatsprache” nicht verstehe und spreche, als aus der Luft gegriffen ansehen durfte und den Beweisantrag daher mit dieser Begründung rechtsfehlerfrei zurückweisen konnte. Denn auf einer fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags würde das Urteil nicht beruhen. Der Angeklagte Ka. hat zu den Fällen, in denen Kokain in der Wohnung des Zeugen C. gebunkert worden war (Fälle 27, 28, 31, 33, 37 und 39 der Anklage), mit Ausnahme des Falls 28, in dem er sich auf mangelnde Erinnerung berief, ein Geständnis abgelegt. Seine mittäterschaftliche Beteiligung an den genannten Taten wird im übrigen durch die sich gegenseitig stützenden Ergebnisse der polizeilichen Telefon- und Innenraumsprachüberwachungen, die Aussage der Zeugen C. und St. sowie – in den Fällen 27, 28 und 31 – durch die Einlassung des Mitangeklagten Erdogan K. bestätigt. Der Senat kann daher ausschließen, daß das Landgericht zu einer abweichenden Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten Ka. in den genannten Fällen gelangt wäre, wenn es den beantragten Beweis erhoben hätte und dabei die Beweisbehauptung bestätigt worden wäre.
b) Auch die Verfahrensrüge des Angeklagten Mustafa K., das Landgericht habe seinen Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen B. zu den Vorgängen in der Wohnung des Zeugen C. am Abend des 7. April 1999 fehlerhaft zurückgewiesen, bleibt ohne Erfolg, weil das Urteil auf einer fehlerhaften Behandlung dieses Beweisbegehrens jedenfalls nicht beruht. Die täterschaftliche Beteiligung des Angeklagten Mustafa K. in den Fällen 33, 37 und 39 wird nicht nur von dem Zeugen C., sondern auch durch den Mitangeklagten Ka. und die Ergebnisse der polizeilichen Telefon- und Innenraumsprachüberwachungen bestätigt. Der Senat kann daher ausschließen, daß das Landgericht zu einer abweichenden Überzeugungsbildung gelangt wäre, wenn es den Zeugen B. vernommen und dieser bestätigt hätte, daß der Zeuge C. im Fall 39 der Anklage 70 g des bei ihm verbliebenen Kokains nicht an den Angeklagten Mustafa K., sondern an einen Dritten übergeben hat.
Unterschriften
Frau RiBGH Dr. Rissing-van Saan ist durch Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Winkler, Winkler, Pfister, von Lienen, Becker
Fundstellen