Entscheidungsstichwort (Thema)

persönliche Eignung für das Amt des Notars. Anspruch auf Bestellung zum Notar

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Beurteilung der persönlichen Eignung eines Bewerbers um eine Notarstelle ist früheres Fehlverhalten, welches bereits 4 1/2 Jahre zurückliegt, nicht mehr für so erheblich zu erachten, dass es weiterhin die persönliche Eignung in Frage stellt.

 

Normenkette

BNotO § 6 Abs. 1 S. 1, § 111 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Beschluss vom 06.12.2004; Aktenzeichen Not 22/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlussbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Notarsenats des OLG Celle v. 6.12.2004 werden zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten des Beschwerderechtszuges hat der Antragsteller 1/5 zu tragen; im Übrigen werden Gerichtskosten nicht erhoben.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 4/5 der im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten, im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Auslagen selbst.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 50.000 EUR.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller bewarb sich um eine von drei in der Niedersächsischen Rechtspflege 2003 S. 203 für den AGbezirk Osterholz-Scharmbeck ausgeschriebenen Notarstellen (Stichtag: 30.9.2003). Mit Bescheid v. 3.2.2004 teilte ihm die Antragsgegnerin mit, dass sie seiner Bewerbung nicht entsprechen könne. Wegen der Vorfälle, die Gegenstand des Ermittlungsverfahrens 4 Js 2269/99 StA Verden und des Strafverfahrens Cs 5 Js 14352/99 StA Verden gewesen seien, bestünden begründete Zweifel an seiner persönlichen Eignung. In dem Ermittlungsverfahren 4 Js 2269/99 StA Verden war dem Antragsteller vorgeworfen worden, bei einem Verkehrsunfall im Januar 1999 fahrlässig den Tod eines Fußgängers herbeigeführt zu haben. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein, weil eine Kausalität zwischen dem Verkehrsunfall und dem Tod des Fußgängers nicht festgestellt werden könne. In dem Strafverfahren Cs 5 Js 14352/99 erging gegen den Antragsteller am 2.8.1999 ein Strafbefehl wegen einer am 13.5.1999 begangenen fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr. In dem rechtskräftig gewordenen Strafbefehl wurde eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen sowie der Entzug der Fahrerlaubnis verhängt.

Der Antragsteller stellte gegen den Bescheid der Antragsgegnerin v. 3.2.2004 Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Das OLG hob durch Beschl. v. 25.5.2004 (Not 7/04) den vorgenannten Bescheid auf und verpflichtete die Antragsgegnerin, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Mit Bescheid v. 20.9.2004 lehnte die Antragsgegnerin die Bewerbung des Antragstellers erneut ab, weil die Zweifel an seiner persönlichen Eignung - ungeachtet einer Periode des "Wohlverhaltens" von ca. 4 1/2 Jahren - fortbestünden. Obwohl gewarnt durch den Verkehrsunfall im Januar 1999 habe der Antragsteller im Mai 1999 mit mindestens 1,29g Promille Blutalkoholgehalt ein Fahrzeug im Verkehr geführt und zugleich verschiedene Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen. Ggü. den wegen der Trunkenheitsfahrt ermittelnden Polizeibeamten habe er sich achtungswidrig (§ 14 Abs. 3 S. 1 BNotO) verhalten.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller wiederum Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er hat begehrt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn zum Notar zu bestellen, hilfsweise ihn neu zu bescheiden. Das OLG hat den Bescheid aufgehoben und die Antragsgegnerin - unter Zurückweisung des weiter gehenden Antrags - verpflichtet, die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und dabei von den zur Grundlage des angefochtenen Bescheids gemachten Bedenken gegen die persönliche Eignung des Antragstellers abzusehen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, die um vollständige Zurückweisung des Antrags ersucht. Mit der Anschlussbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Verpflichtungsantrag weiter.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die durch Bescheid der Antragsgegnerin v. 20.9.2004 erfolgte Ablehnung, den Antragsteller zum Notar zu bestellen, war rechtswidrig und verletzte den Antragsteller in seinen Rechten (§ 111 Abs. 1 S. 2 BNotO). Die Antragsgegnerin hat die persönliche Eignung des Antragstellers für das Amt des Notars (§ 6 Abs. 1 S. 1 BNotO) zu Unrecht verneint.

1. Die persönliche Eignung ist zu bejahen, wenn die inneren und äußeren Eigenschaften des Bewerbers, wie sie sich insb. in seinem äußeren Verhalten offenbaren, keinen begründeten Zweifel daran aufkommen lassen, dass er die Aufgaben und Pflichten eines (Anwalts-)Notars gewissenhaft erfüllen werde. Mit Rücksicht auf die Bedeutung und die Schwierigkeit der Aufgaben, die der Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege zu erfüllen hat (§ 1 BNotO), darf der an die persönlichen Eigenschaften des Bewerbers anzulegende Maßstab nicht zu milde sein. Wenn die Justizverwaltung bei der pflichtgemäßen Prüfung aller Umstände begründete Zweifel daran hat, ob der Bewerber diese Eigenschaften hat, darf sie ihn nicht oder noch nicht zum Notar bestellen. Die Interpretation der persönlichen Eignung für das Amt des Notars durch die Justizverwaltung ist gerichtlich voll überprüfbar. Demgegenüber steht der Justizverwaltung bei der Prognose, ob ein Bewerber auf Grund seiner richtig festgestellten und rechtlich zutreffend bewerteten persönlichen Umstände für das Amt des Notars geeignet ist, ein Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle erstreckt sich jedoch nach wie vor darauf, ob die Justizverwaltung von einem zutreffenden Begriff der Eignung ausgegangen und ihr auch sonst kein Rechtsfehler bei der Anwendung des § 6 Abs. 1 BNotO unterlaufen ist. Diese Prüfung erfasst neben den tatsächlichen Grundlagen der Verwaltungsentscheidung auch die rechtliche Zuordnung des Sachverhalts zur gesetzlichen Vorschrift. Dazu gehört die Überprüfung, ob ein Umstand überhaupt für die Eignung von Bedeutung ist, welches Gewicht ihm im Einzelfall zukommt, ob und in welchem Umfang bei einer Verfehlung ein zwischenzeitliches Wohlverhalten zu berücksichtigen ist und welche Auswirkungen die Einstellung eines straf- oder anwaltsgerichtlichen Verfahrens hat (BGH v. 25.11.1996 - NotZ 48/95, BGHZ 134, [137, 139 f, 141f.] = BRAK 1997, 135; v. 10.3.1997 - NotZ 19/96, DNotZ 1997, 891 [892]; v. 10.3.1997 - NotZ 22/96, DNotZ 1997, 894 [895 ff.]). In dem vorbeschriebenen, gerichtlich überprüfbaren Bereich begegnet die von dem Antragsteller angegriffene Verwaltungsentscheidung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

2. a) Allerdings legt die Antragsgegnerin dem Antragsteller im Ansatz zu Recht ein Fehlverhalten zur Last, das begründete Zweifel an seiner persönlichen Eignung rechtfertigte. Der Antragsteller machte sich im Mai 1999 eines Vergehens der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) schuldig, obwohl er wenige Monate zuvor an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen war, der ihm die Gefahren des Straßenverkehrs nachdrücklich vor Augen gestellt hatte. Im Anschluss an die Trunkenheitsfahrt trat er - alkoholbedingt enthemmt - den pflichtgemäß gegen ihn ermittelnden Polizeibeamten in unangemessener Weise entgegen. Ein solches Verhalten widersprach der Pflicht eines Notars, sich innerhalb und außerhalb des Amtes der Achtung und des Vertrauens, die dem Notaramt entgegengebracht werden, würdig zu zeigen (§ 14 Abs. 3 S. 1 BNotO). Die Befolgung dieser Pflicht muss aber - sonst fehlt die persönliche Eignung - bei dem Bewerber um ein Notaramt gewährleistet sein.

b) Von Rechts wegen zu beanstanden ist indes, dass der Zeitablauf bei der Gewichtung der früheren Vorgänge nicht die gebotene Berücksichtigung gefunden hat (BGH, Beschl. v. 10.3.1997 - NotZ 22/96, DNotZ 1997, 894 [899]). Zum maßgeblichen Zeitpunkt, dem Ablauf der Bewerbungsfrist am 30.9.2003 (BGH, Beschl. v. 20.11.2000 - NotZ 22/00, BGHReport 2001, 99 = MDR 2001, 417 = NJW-RR 2001, 1138 m.w.N.), lag das Fehlverhalten des Antragstellers ca. 41/2 Jahre zurück. In dieser Zeit hat sich der Antragsteller einwandfrei verhalten. Mit Blick auf die (damals) schon fast fünfjährige Zeit des "Wohlverhaltens" können die zurückliegenden Verfehlungen nicht mehr für so erheblich erachtet werden, dass sie weiterhin die persönliche Eignung des Antragstellers in Frage stellen. Es drängt sich auf, dass die - fahrlässige - Trunkenheitsfahrt und das sich daran anschließende achtungswidrige Verhalten des Antragstellers eine einmalige Entgleisung und nicht etwa Ausdruck eines Charaktermangels waren.

III.

Die Anschlussbeschwerde ist zulässig (BGHZ 71, 314; BGH, Beschl. v. 30.11.1992 - AnwZ (B) 37/92, BRAK 1993, 44 f.; Beschl. v. 9.12.1996 - AnwZ (B) 47/96, BRAK 1997, 169 [170]), aber unbegründet. Hinsichtlich des von dem Antragsteller mit der Anschlussbeschwerde weiterverfolgten Antrags, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn zum Notar zu bestellen, ist die Sache noch nicht spruchreif (§ 111 BNotO i.V.m. § 113 Abs. 5 VwGO).

Die Antragsgegnerin hat - auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG (BVerfG v. 20.4.2004 - 1 BvR 838/01, MDR 2004, 1027 = NJW 2004, 1935) und der neu gefassten AVNot - die fachliche Eignung des Antragstellers zu prüfen und in eine Auswahlentscheidung zwischen dem Antragsteller und der weiteren Beteiligten einzutreten (§ 6 Abs. 3 BNotO). Hierbei steht der Antragsgegnerin ein Beurteilungsspielraum zu (insb. § 3 Abs. 2 AVNot n.F.).

 

Fundstellen

NJW-RR 2005, 861

DNotZ 2005, 796

BA 2005, 477

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge