Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswahlverfahren für Besetzung einer Notarsstelle. Punktesystem. Kappungsgrenze. Bereich Fortbildung und Beurkundungen
Leitsatz (amtlich)
Die in § 17 Abs. 2 Nr. 5 der Allgemeinen Verfügung des (nordrhein-westfälischen) Justizministeriums über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom 8.3.2002 (JMBl. NRW S. 69) in der geänderten Fassung vom 4.11.2004 (JMBl. NRW S. 256) vorgesehene Kappung der für notarspezifische Fortbildungskurse und Beurkundungen anrechenbaren Punkte auf maximal 120 Punkte ist nicht zu beanstanden.
Normenkette
BNotO § 6
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats für Notarsachen des OLG Köln vom 28.1.2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsgegner und dem weiteren Beteiligten entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Geschäftswert: 50.000 EUR
Gründe
I.
[1] Der Antragsteller bewarb sich ebenso wie der weitere Beteiligte um eine im Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15.5.2007 (JMBl. NRW S. 111) ausgeschriebene Notarstelle im Amtsgerichtsbezirk O. . Das Auswahlverfahren wurde gem. § 17 der Allgemeinen Verfügung des Justizministeriums über die Angelegenheiten der Notarinnen und Notare vom 8.3.2002 (JMBl. NRW S. 69) in der geänderten Fassung vom 4.11.2004 (JMBl. NRW S. 256) durchgeführt. Für den Antragsteller wurde eine Gesamtpunktzahl von 185,05 und für den weiteren Beteiligten eine solche von 190,75 ermittelt. Die Punkteverteilung stellte sich im Einzelnen wie folgt dar:
Bewerber |
Weiterer Beteiligter |
Antragsteller |
Rang |
1 |
2 |
2. Staatsexamen |
41,5 |
28,85 |
RA-Tätigkeit |
29,25 |
30 |
Fortbildungen |
40,5 |
60 (67) |
Beurkundungen |
79,5 (90,3) |
60 (71) |
Sonderpunkte |
0 |
6,2 |
Summe |
190,75 |
185,05 |
[2]Im Bereich Fortbildung und Beurkundungen wurde beiden Bewerbern die maximal erreichbare Gesamtpunktzahl (120) gutgebracht. Ohne die sich insoweit aus § 17 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 AVNot ergebende Kappungsgrenze hätte der Antragsteller insgesamt 203,05 Punkte, der weitere Beteiligte hingegen nur 201,55 Punkte erreicht (s. die in der Tabelle in Klammern gesetzten Werte). Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 4.10.2007 mit, dass er beabsichtige, die Stelle dem weiteren Beteiligten zu übertragen.
[3] Dagegen hat der Antragsteller, der insb. die Kappungsgrenze von 120 Punkten für den Bereich Fortbildung und Beurkundungen für verfassungswidrig hält, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das OLG hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, über seine Bewerbung neu zu entscheiden, weiterverfolgt.
II.
[4] Die sofortige Beschwerde ist gem. § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich unter Berücksichtigung der beschränkten Nachprüfbarkeit durch die Gerichte (vgl. BGH BGHZ 124, 327, 330 f.; v. 14.3.2005 - NotZ 27/04, NJW-RR 2006, 55, 56) als rechtsfehlerfrei.
[5] 1. Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Senats ist es auch unter Berücksichtigung der Beschlüsse des BVerfG vom 20. April (BVerfGE 110, 304) und 8.10.2004 (NJW 2005, 50) nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner seine Auswahlentscheidung auf der Grundlage des in § 17 AVNot näher geregelten Punktesystems getroffen hat (s. nur Beschlüsse vom 26.3.2007 - NotZ 38/06, NJW-RR 2007, 1130, 1131 und NotZ 39/06 - ZNotP 2007, 234, 235, jeweils Rz. 9 f.). Dabei hat der Senat insb. auch keine Bedenken gegen die in § 17 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 AVNot festgelegte Kappungsgrenze erhoben. Allerdings brauchte der Senat zu dieser Frage bisher noch nicht abschließend Stellung zu nehmen, da ihr in den bisher entschiedenen Fällen - anders als hier - keine ausschlaggebende Bedeutung zugekommen war.
[6] 2. Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem OLG der Meinung, dass § 17 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 AVNot sowohl mit § 6 Abs. 3 BNotO als auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist.
[7] a) Nach den vom BVerfG aufgestellten Zugangskriterien zum Zweitberuf des Anwaltsnotars war es erforderlich, eine stärkere Ausrichtung an der Notarfunktion - bei demgegenüber zurücktretender Bedeutung der Examensnote - vorzunehmen. Die beiden notarspezifischen Eignungskriterien, nämlich die bei der Vorbereitung auf das angestrebte Amt gezeigten theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen müssen mit eigenständigem, höherem Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwaltspraxis und dem Ergebnis des Staatsexamens einfließen (BVerfGE 110, 304, 326 ff.; BGH vom 24.7.2006 - NotZ 11/06, NJW 2006, 3211, 3212 Rz. 8). Diesen Anforderungen hat die Justizverwaltung dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass sie die alte Kappungsgrenze von 45 Punkten ganz erheblich, nämlich auf 120 Punkte, heraufgesetzt hat.
[8] Dadurch hat, wie vom BVerfG gefordert, die Examensnote ihren herausragenden Stellenwert verloren. Dies ändert freilich nichts daran, dass sie immer noch ein wesentliches Qualifikationsmerkmal darstellt, dem nach wie vor ein spezifisches Gewicht beizumessen ist. Dabei versteht es sich, dass dieses Merkmal - wie jedes andere auch - beim individuellen Eignungsvergleich im Einzelfall den Ausschlag geben kann.
[9] b) Für eine Kappung der für Fortbildungskurse und Beurkundungen erreichbare Punktzahl lässt sich insb. anführen, dass der Lern- und Vorbereitungseffekt bei der Beurkundung mit der Zahl der Urkundsgeschäfte abnimmt; überdies ist mit steigender Zahl der Urkundsgeschäfte mit einer Wiederholung der Art der Beurkundungsvorgänge zu rechnen (vgl. BGH vom 26.3.2007 - NotZ 38/06, NJW-RR 2007, 1130, 1132 Rz. 14). Auch im Bereich der Fortbildungsveranstaltungen nimmt nach der Vermittlung eines gewissen "Grundlagenwissens" der mit dem Besuch weiterer Veranstaltungen verbundene Nutzeffekt immer mehr ab.
[10] c) Soweit der Antragsteller ins Feld führt, dass in den anderen Ländern, in denen es das Anwaltsnotariat gibt, keine Kappungsgrenze gilt, übersieht er zum einen, dass in Berlin die gleiche Kappungsgrenze angewendet wird (vgl. Stellenausschreibung vom 31.3.2000, ABl. S. 1091; s. dazu vor allem Senatsbeschlüsse vom 14.4.2008 - NotZ 117/07 und NotZ 119/07), und zum anderen, dass die übrigen Länder, vor allem bei den Urkundsgeschäften, eine stark degressive Bewertung vornehmen. Nur die ersten 100 bzw. 200 berücksichtigungsfähigen Urkundsgeschäfte werden mit einem der nordrhein-westfälischen Regelung vergleichbaren Punktwert bedacht. Ab der 101. bzw. 201. Beurkundung werden nur noch deutlich weniger Punkte vergeben; in der "Endstufe" gar nur noch ein Punkt pro volle 250 Urkunden (vgl. A II Nr. 3 Buchst. d, Doppelbuchst. ee der Hessischen AVNot in der Fassung vom 10.8.2004, JMBl. S. 323), bzw. 200 Urkunden (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Satz 1 Buchst. e AVNot Niedersachsen in der Fassung vom 17.1.2005, Nds. Rpfl. S. 52) bzw. 100 Urkunden (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. d AVNot Schleswig-Holstein in der Fassung vom 16.2.2005, SchlHA S. 75). In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Vornahme von Urkundsgeschäften nicht beliebig steigern lässt, kommt diesen Vorschriften ein der nordrhein-westfälischen Regelung durchaus vergleichbarer Kappungseffekt zu.
[11] 3. Was die Vergabe von Sonderpunkten betrifft, in deren Genuss allein der Antragsteller gekommen ist, ist dem OLG darin zuzustimmen, dass nicht deutlich wird, warum dem Antragsteller mehr als die zuerkannten 6,2 Punkte zugebilligt werden müssten. Die Auffassung des Antragstellers, dass nach § 17 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. d AVNot sowohl für Notarvertretungen einerseits als auch für Notariatsverwaltungen andererseits 10 Punkte (also insgesamt 20 Punkte) vergeben werden könnten, geht ersichtlich fehl. Nach dem eindeutigen Wortlaut wird zwischen den beiden Betätigungsformen Notariatsverwaltung und Notarvertretung kein Unterschied gemacht; für beide Tätigkeitsbereiche können insgesamt nur 10 Sonderpunkte vergeben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1986168 |
BGHR 2008, 780 |
EBE/BGH 2008 |
NJW-RR 2008, 1158 |
AnwBl 2008, 551 |
DNotZ 2008, 872 |