Leitsatz (amtlich)
Gegenüber einem Prozeßvergleich können mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO Einwendungen geltend gemacht werden, die sich auf vor dem Vergleichsabschluß entstandene Gründe stützen (Bestätigung von BGH Urt. v. 27. November 1952, IV ZR 57/52, NJW 1953, 345).
Normenkette
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5, §§ 795, 767 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bad Iburg |
OLG Oldenburg (Oldenburg) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des 10. Zivilsenats – Landwirtschaftssenat – des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 12. Dezember 1985 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als er die Ansprüche des Beteiligten zu 1 gegen die Beteiligte zu 2 betrifft.
Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 85.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 2 betreibt gegen den Beteiligten zu 1 die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich, der am 23. Januar 1984 vor dem Einzelrichter des 10. Zivilsenats – Landwirtschaftssenat – des Oberlandesgerichts Oldenburg geschlossen worden ist. In jenem Verfahren hatte die Beteiligte zu 2 Ausgleichsansprüche nach § 13 HöfeO in Höhe von 131.987,94 DM geltend gemacht. In dem Vergleich verpflichtete sich der Beteiligte zu 1, an die Beteiligte zu 2 45.000 DM zu zahlen. Weiter heißt es in dem Vergleich:
„Damit sind alle Ansprüche der Erben, Rechtsnachfolger oder Abkömmlinge des Ehemanns der Antragstellerin (Beteiligte zu 2 des vorliegenden Verfahrens) gegen den Antragsgegner (Beteiligter zu 1 des vorliegenden Verfahrens), aus welchem Rechtsgrund auch immer für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft endgültig erledigt.”
Der Beteiligte zu 1 beantragt, die Zwangsvollstreckung au dem Vergleich für unzulässig zu erklären. Außerdem verlangt er die Herausgabe von anderen Vollstreckungstiteln und die Herbeiführung der Löschung von Grundpfandrechten aufgrund dieser Titel. Nach seiner Meinung sind durch den Vergleich die früheren von der Beteiligten zu 2 gegen ihn erlangten Titel aus dem Verfahren 1 LwH 74/75 Amtsgericht Bad Iburg und 5 0 567/82 Landgericht Osnabrück hinfällig geworden, auf die er inzwischen 254.470,86 DM gezahlt habe. Demgegenüber habe die Beteiligte zu 2 nur Anspruch auf 145.937,57 DM als Anteil aus einer Erbengemeinschaft sowie auf 45.000 DM aus dem gerichtlichen Vergleich, insgesamt mithin auf 190.937,57 DM. Der Beteiligte zu 1 behauptet, mithin schon 63.533,29 DM zuviel gezahlt zu haben. Außerdem meint er, die Zwangsvollstreckung in dem Verfahren 1 LwH 74/75 Amtsgericht Bad Iburg beruhe auf unzulässiger Rechtsausübung, weil der Beteiligte zu 3 eine Erklärung des Ehemannes der Beteiligten zu 2 beurkundet habe, mit der dieser Zuwendungen aus dem Testament seiner Mutter ausgeschlagen und seinen Pflichtteil verlangt habe; der Beteiligte zu 3 habe gewußt, daß der Ehemann der Beteiligten zu 2 bereits sein Einverständnis mit dem Testament bindend erklärt gehabt habe. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des Beteiligten zu 3 vom 28. August 1968, in dem er Gesellschafterrechte an einer Familiengemeinschaft geltend gemacht habe.
Der Beteiligte zu 1 hat beantragt,
- die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 23. Januar 1984 in der Landwirtschaftssache – 10 WLw 4/83 OLG Oldenburg für unzulässig zu erklären,
- die Beteiligten zu 2 und 3 zu verurteilen, die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom 23. Januar 1984 sowie die Schuldtitel aus 1 LwH 74/75 Amtsgericht Bad Iburg mit Kostenfestsetzungsbeschluß des Amtsgerichts Bad Iburg vom 1. Dezember 1981 samt darauf bezogenem Versäumnisurteil des Landgerichts Osnabrück 3 0 567/82 und Kostenfestsetzungsbeschluß hierzu vom 28. Januar 1983 herauszugeben,
- die Beteiligte zu 2 zu verurteilen, mit eigenem Löschungsantrag die Löschungsbewilligung der am 23. August 1984 unter lfd. Nr. 36 des Grundbuches von Oesede Band 82 Blatt 2579 für sie eingetragenen Sicherungshypothek im Werte von 45.000 DM, desgleichen die Löschungsbewilligung im gleichen Grundbuch zu lfd. Nr. 24 mit der Sicherungshypothek Werte von 171.512,57 DM nebst Zinsen und zu lfd. Nr. 32 mit der Sicherungshypothek im Werte von 21.376,45 DM zu erklären.
Die Beteiligten zu 2 und 3 haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Das Landwirtschaftsgericht und das Oberlandesgericht haben die Anträge zurückgewiesen.
Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 die Anträge weiter. Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen, das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Gemäß § 767 Abs. 2 ZPO seien im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage Einwendungen nur soweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung entstanden seien. Da sich die Vollstreckungsgegenklage des Beteiligten zu 1 nur auf den durch den Vergleich vom 23. Januar 1984 begründeten Titel beziehe sei nur zu überprüfen, ob nach Abschluß des Vergleichs Umstände hervorgetreten seien, die den im Vergleich geregelten Anspruch betreffen. Dies sei nicht der Fall. Die Erklärungen des Beteiligten zu 3 in dem Schreiben vom 28. August 1968 seien bereits Gegenstand des Verfahrens gewesen, in dem später der Vergleich abgeschlossen worden sei.
Der Beteiligte zu 1 könne sich auch nicht darauf stützen, daß er die von ihm nach dem Vergleich zu erbringenden Zahlungen bereits geleistet habe: Die Zahlungen, die er vor dem Vergleich an die Beteiligte zu 2 erbracht habe, seien nicht anrechenbar, weil es sich insoweit um Umstände handele, auf die eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 2 ZPO gerade nicht gestützt werden könne. Dafür, daß der Beteiligte zu 1 nach Abschluß des Vergleichs auf diesen Titel Zahlungen an die Beteiligte zu 2 geleistet habe, seien Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Auffassung des Beteiligten zu 1, aus dem Vergleichstext ergebe sich, daß die früheren von der Beteiligten zu 2 erlangten Titel hinfällig seien, treffe nicht zu. Durch den Vergleich hätten zwar auch Ansprüche erledigt werden sollen, die ihren Rechtsgrund in der Vergangenheit hätten, diese Regelung beziehe sich aber nur auf solche Ansprüche, die möglicherweise noch hätten streitig werden können. Die bereits titulierten Forderungen hätten durch den Vergleich nicht berührt werden sollen. Der Beteiligte zu 1 habe vielmehr in jenem Vergleich eine zusätzliche Zahlungsverpflichtung übernommen.
Ein Fall unzulässiger Rechtsausübung liege nicht vor. Das Schreiben vom 28. August 1968 habe nicht dazu geführt, daß die Beteiligte zu 2 keine Pflichtteils- und Abfindungsergänzungsansprüche ihres verstorbenen Ehemannes habe geltend machen können.
Einen Anspruch auf Herausgabe der Titel habe der Beteiligte zu 1 nicht, da die Titel von dem Vergleich vom 23. Januar 1984 nicht erfaßt worden und kraftlos geworden seien.
Ansprüche nach § 767 ZPO gegen den Beteiligten zu 3 bestünden schon deshalb nicht, weil der Beteiligte zu 3 nicht die Zwangsvollstreckung betreibe.
III.
Da die Rechtsbeschwerde vom Oberlandesgericht nicht zugelassen ist (§ 24 Abs. 1 LwVG) und es sich auch nicht um die Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde handelt (§ 24 Abs. 2 Nr. 2 LwVG), ist das Rechtsmittel nur zulässig, wenn das Beschwerdegericht von einer in der Rechtsbeschwerdebegründung angeführten Entscheidung eines der in § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG bezeichneten Gerichte oder des Bundesverfassungsgerichts abgewichen ist und soweit der angefochtene Beschluß auf der Abweichung beruht. Eine Abweichung ist nur dann anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht eine bestimmte Rechtsfrage abweichend von dem tragenden Rechtssatz der Vergleichsentscheidung beantwortet hat. Der Rechtsbeschwerdeführer muß in der Begründung der Abweichungsrechtsbeschwerde die von der angezogenen und von der angefochtenen Entscheidung verschieden beantwortete Rechtsfrage bezeichnen sowie weiter darlegen, inwieweit beide Entscheidungen die gleiche Rechtsfrage verschieden beantworten und daß die angefochtene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht (vgl. BGHZ 89, 149, 150 f.).
1. Die Rechtsbeschwerde ist hiernach unzulässig, soweit sie sich gegen den Beteiligten zu 3 richtet. Insoweit hat das Beschwerdegericht die Ansprüche des Beteiligten zu 1 schon deswegen für unbegründet gehalten, weil der Beteiligte zu 3 nicht die Zwangsvollstreckung betreibt. Daß das Beschwerdegericht auch insoweit von einer Vergleichsentscheidung abgewichen wäre, will wohl auch die Rechtsbeschwerde nicht geltend machen. Jedenfalls würden ihre Darlegungen, wie keiner weiteren Ausführung bedarf, hierzu nicht ausreichen.
2. Das Rechtsmittel ist jedoch zulässig, soweit es sich gegen die Beteiligte zu 2 wendet.
Wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht weicht der angefochtene Beschluß von dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 27. November 1952, IV ZR 57/52, NJW 1953, 345, ab. Nach dieser Entscheidung können gegenüber einem Prozeßvergleich mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO Einwendungen geltend gemacht werden, die sich auf zeitlich vor dem Vergleichsabschluß liegende Tatsachen stützen. Dieser Rechtssatz ist für die Vergleichsentscheidung auch tragend gewesen. Demgegenüber vertritt das Beschwerdegericht den Standpunkt, daß nach § 767 Abs. 2 ZPO im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage Einwendungen nur soweit zulässig seien, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluß der letzten mündlichen Verhandlung entstanden seien. Diese Abweichung ist entscheidungserheblich. Nach dem Beschwerdebeschluß (Seite 5 Mitte) kann sich der Antragsteller nicht darauf stützen, daß er die von ihm nach dem Vergleich zu erbringenden Zahlungen bereits geleistet habe. Vor dem Vergleich von dem Beteiligten zu 1 an die Beteiligte zu 2 erbrachte Zahlungen sind insoweit nicht anrechenbar, weil es sich insoweit um Umstände handelt, auf die eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 2 ZPO gerade nicht gestützt werden könne. Das Beschwerdegericht geht also davon aus, daß der Beteiligte zu 1 sich auf einen solchen Vortrag stützt; es geht diesem aber deshalb nicht nach, weil es ihn in rechtsgrundähnlicher Abweichung von der angeführten Vergleichsentscheidung – für rechtlich nicht erheblich hält.
3. Die Rechtsbeschwerde ist, soweit sie sich gegen die Beteiligte zu 2 richtet, begründet.
a) Die Zuständigkeit der Landwirtschaftsgerichte für die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO gegen Vollstreckungstitel aus landwirtschaftlichen Verfahren ist zu bejahen (Barnstedt/Steffen, LwVG 3. Aufl. § 31 Rdn. 20 m.w.N.)
b) Es besteht keine Veranlassung, von dem in der Vergleichsentscheidung vertretenen Rechtsstandpunkt abzuweichen. Auch in dem Beschluß des Großen Senats für Zivilsachen des Bundesgerichtshofes vom 4. Oktober 1982 (BGHZ 85, 64, 73 f.), der allerdings nur die (verwandte) Problematik der Rückwirkung einer Abänderungsklage betrifft, ist im Rahmen der Begründung ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes solle § 767 Abs. 2 ZPO die Rechtskraftwirkung unanfechtbar gewordener Entscheidungen sichern und dieser Zweck komme bei gerichtlichen Vergleichen nicht in Betracht. Auch sonst ist kein Grund dafür ersichtlich, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
c) Der angefochtene Beschluß kann nach alledem mit der gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden.
d) Er stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Vielmehr bedarf es tatrichterlicher Beurteilung, ob der Vollstreckungsabwehranspruch des Beteiligten zu 1 aufgrund von Umständen begründet ist, die vor Abschluß des gerichtlichen Vergleichs vom 23. Januar 1984 eingetreten sind. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die hierzu erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen.
e) Nach alledem ist der Beschwerdebeschluß, soweit er in zulässiger Weise angefochten worden ist, aufzuheben. In diesem Umfang ist die Sache zur anderweiten Prüfung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609939 |
BB 1987, 1978 |
JZ 1987, 888 |