Nachgehend
Tenor
Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof N. und den Richter am Bundesgerichtshof Dr. S. werden als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
1. Der Kläger wendet sich gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung durch die beklagte Bank aus einer vollstreckbaren Urkunde, die im Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs einer im Strukturvertrieb angebotenen Eigentumswohnung steht. Seine Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Im Revisionsverfahren hat er mit Schriftsatz vom 4. April 2002 und ergänzend mit Schriftsätzen vom 24. April und 13. Mai 2002 den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof N. und den Richter am Bundesgerichtshof Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er im wesentlichen geltend gemacht: Die abgelehnten Richter verschlössen die Augen vor dem zu beurteilenden Fall. Dies zeige die von ihnen mit bestimmte Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu „drückervermittelten Wohnungsfinanzierungen”, die dem vorliegenden Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vergleichbare Fälle betreffe. Diese Rechtsprechung begünstige einseitig die kreditgewährenden Banken. Das Verhalten der abgelehnten Richter lege eine Bestechlichkeit nahe. Die Richter hätten an einer ganzen Serie von bankfinanzierten Seminaren zur Frage der Haftung der Banken für „drückervermittelte Wohnungsfinanzierungen” gemeinsam mit dem „Cheflobbyisten” der B.bank Dr. Br. teilgenommen. Hierfür hätten sie von den Veranstaltern, darunter der Zeitschrift „W.”, die von der „Interessengemeinschaft … Kreditinstitute” kontrolliert werde, Honorare erhalten. Richter Dr. S. sei zudem Mitglied des Redaktionsbeirates der „W.”. Auf einem Seminar dieser Zeitschrift am 18. Mai 2001 habe Dr. Br. erklärt, warum der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes drei Urteile des Oberlandesgerichts Ba., die gegen die B.bank ergangen seien, aufzuheben habe. Richter Dr. S. habe dem zugestimmt und, bezogen auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Ba., erklärt, „diesem Spuk” müsse „ein Ende bereitet werden”. Später habe der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Urteile tatsächlich aufgehoben. Vorsitzender Richter N. habe im Winter 2000 in einem Festvortrag vor der Universität L. über seine Aufgabe als Richter gesprochen und ausgeführt, es gelte, insbesondere gegenüber der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, die Wettbewerbssituation der betroffenen deutschen Wirtschaftsbranche im Auge zu behalten. Die abgelehnten Richter weigerten sich, die zu beurteilenden Sachverhalte, insbesondere die Vertriebsmethoden, derer sich die Banken bedienten, vollständig zur Kenntnis zu nehmen. Dies sei Rechtsbeugung durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Die abgelehnten Richter haben sich am 8. und 29. April 2002 dienstlich geäußert.
2. Die Ablehnungsgesuche sind nicht begründet.
a) Ablehnungsgesuch gegen Vorsitzenden Richter N.
aa) Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein Prozeßbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (BVerfG NJW 1993, 2230 m.w.Nachw.). Davon kann hier keine Rede sein.
bb) Der Kläger beruft sich ohne Erfolg auf die Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes zu kreditfinanzierten Immobiliengeschäften. Die für einen Prozeßbeteiligten ungünstige Rechtsauffassung eines Richters in einem früheren Rechtsstreit zwischen anderen Parteien ist kein Ablehnungsgrund. Die Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit dient nicht dazu, sich gegen eine für unrichtig gehaltene Rechtsauffassung des Richters zu wehren, es sei denn, die Rechtsauffassung beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür. Die Mitwirkung eines Richters an früheren Entscheidungen kann seine Ablehnung deshalb nur rechtfertigen, wenn zusätzliche konkrete Umstände vorliegen, die ergeben, daß der Richter nicht bereit ist, seine frühere Meinung kritisch zu überprüfen und das Vorbringen der Prozeßbeteiligten unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen (BAG NJW 1993, 879). Derartige Umstände liegen nicht vor.
(1) Die Teilnahme eines Richters an Seminaren zu aktuellen Rechtsfragen stellt keinen Ablehnungsgrund dar. Dies gilt auch dann, wenn zugleich Vertreter von Banken oder andere Interessenvertreter teilnehmen. Die Teilnahme von Richtern am Bundesgerichtshof und anderen Gerichten an wissenschaftlichen Veranstaltungen ist seit Jahrzehnten üblich und in der Fachöffentlichkeit allgemein bekannt. Sie dient der Darstellung und Vermittlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem Austausch von Meinungen, auch in bezug auf sich in der Bankpraxis neu stellende Probleme und deren wirtschaftlichen Hintergrund. Ein wissenschaftlicher Austausch in diesem Sinne ist insbesondere für ein oberstes Bundesgericht unverzichtbar. Damit geht einher, daß die Teilnahme von Richtern an solchen Tagungen und ihre Meinungsbekundungen dort grundsätzlich nicht geeignet sind, ihre Befangenheit zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn wissenschaftliche Äußerungen über die bereits vorliegende Rechtsprechung hinausgehen (vgl. BVerfG NJW 1997, 1500).
Auch das Verhältnis, in dem die Veranstalter der Seminare zur Beklagten stehen, rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht. Hinsichtlich des Veranstalters des Seminars am 27. Oktober 2000, des R-Verlages, zeigt der Kläger keine Beziehung oder wirtschaftliche Abhängigkeit zur Beklagten oder anderen Banken auf. Hinsichtlich des Seminars am 18. Mai 2001 macht er ohne Erfolg geltend, dieses sei von der Zeitschrift „W.”, die von der „Interessengemeinschaft … Kreditinstitute” kontrolliert werde, veranstaltet worden. Der Kläger hat keinen Anhaltspunkt dafür vorgetragen, daß die unterstellte Abhängigkeit der Zeitschrift „W.” von der Kreditwirtschaft den wissenschaftlichen Charakter des Seminars am 18. Mai 2001 in Frage gestellt und die Rechtsauffassung des Richters zu den im vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Rechtsfragen beeinflußt haben könnte.
Das Honorar, das die Veranstalter dem Richter gezahlt haben, ist ein Entgelt für den Arbeits- und Zeitaufwand zur Vorbereitung und Durchführung der Seminare. Derartige Honorare sind allgemein üblich und werden aus den Einnahmen geleistet, die die Seminarveranstalter in Form der Teilnehmergebühren erzielen. Vor diesem Hintergrund fehlt jeder vernünftige Grund zu der Besorgnis, daß mit dem Honorar Einfluß auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genommen werden könnte. Der vom Kläger geäußerte Verdacht der Bestechlichkeit ist daher nicht nachvollziehbar.
(2) Der Festvortrag, den Vorsitzender Richter N. im Winter 2000 vor der Universität L. gehalten hat, rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ebenfalls nicht. Derartige Vorträge rechtfertigen die Besorgnis der Voreingenommenheit ebensowenig wie die Teilnahme an wissenschaftlichen Seminaren. Zudem räumt der Kläger in seinem Schriftsatz vom 24. April 2002 selbst ein, daß der Richter sich hier nicht zu kreditfinanzierten Immobiliengeschäften oder anderen im vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Fragen geäußert hat.
(3) Die pauschale Behauptung des Klägers, der Richter weigere sich, die zu beurteilenden Sachverhalte, insbesondere die Vertriebsmethoden, derer sich die Banken bedienten, vollständig zur Kenntnis zu nehmen, reicht zur Darlegung eines Ablehnungsgrundes ebenfalls nicht aus. Der Kläger hat weder schlüssig vorgetragen, daß der Richter in einem anderen Rechtsstreit den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör durch Übergehung eines bestimmten Tatsachenvortrages verletzt haben könnte, noch, daß ein solches Verhalten die Besorgnis der Befangenheit im vorliegenden Verfahren begründen könnte. Soweit der Kläger geltend macht, der Richter sei in zwei Nichtannahmebeschlüssen auf entscheidungserheblichen Vortrag nicht eingegangen, verkennt er, daß einer dieser Beschlüsse von einem anderen Senat des Bundesgerichtshofs und daher ohne Mitwirkung des Richters gefaßt worden ist, sowie daß das Gesetz eine nähere Begründung für Nichtannahmebeschlüsse nicht vorsieht. Der Vorwurf der Rechtsbeugung durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entbehrt jeder Grundlage.
b) Ablehnungsgesuch gegen Richter Dr. S.
aa) Soweit das Ablehnungsgesuch gegen Richter Dr. S. auf dieselben Gründe wie das Gesuch gegen Vorsitzenden Richter N. gestützt wird, ist es aus den bereits dargelegten Gründen nicht gerechtfertigt.
bb) Auch die darüber hinaus geltend gemachten Gründe rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit nicht.
(1) Die Mitgliedschaft des abgelehnten Richters im Redaktionsbeirat der Zeitschrift „W.” reicht hierfür nicht aus. Selbst die Mitgliedschaft eines Richters in einem prozeßbeteiligten Verein mit einer größeren Mitgliederzahl ist kein Ablehnungsgrund (BGH, Beschluß vom 5. März 2001 – I ZR 58/00, BGH-Report 2001, 432, 433).
(2) Soweit der Kläger behauptet, Richter Dr. S. habe auf dem Seminar am 18. Mai 2001 dem stellvertretenden Chefsyndikus der B.bank darin zugestimmt, daß drei Urteile des Oberlandesgerichts Ba., die zum Nachteil dieser Bank ergangen waren, aufzuheben seien, und, bezogen auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Ba., erklärt, „diesem Spuk” müsse „ein Ende bereitet werden”, vermag auch dies dem Ablehnungsgesuch nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Es unterliegt bereits erheblichen Zweifeln, ob die behaupteten Äußerungen des Richters zu drei bestimmten, inzwischen abgeschlossenen Revisionsverfahren überhaupt geeignet sein könnten, für Parteien anderer Verfahren wie den Kläger die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Jedenfalls ist ein Ablehnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (§ 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Richter hat in seiner dienstlichen Äußerung vom 8. April 2002 erklärt, er habe sich in keinem einzigen Fall zu einem schwebenden Verfahren geäußert. Rechtsanwalt Prof. Dr. K. hat diese Darstellung in seinem Schriftsatz vom 25. April 2002 „voll und ganz” bestätigt. Gegenüber diesen Äußerungen reichen die vom Kläger vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Frau A. La. vom 24. April 2002 und die anwaltliche Versicherung von Rechtsanwalt Dr. Sc., die die Darstellung des Klägers im wesentlichen bestätigen, zur Glaubhaftmachung nicht aus.
c) Die einzelnen vom Kläger geltend gemachten Umstände rechtfertigen auch bei zusammenfassender Würdigung die Besorgnis der Befangenheit nicht. Das Verhalten der Richter begründet nicht die Annahme, die von ihnen mit bestimmte Rechtsprechung des Senats zu kreditfinanzierten Immobiliengeschäften beruhe auf unsachlichen Erwägungen und hindere sie daran, das Vorbringen des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen.
Unterschriften
Bungeroth, Müller, Joeres, Wassermann, Mayen
Fundstellen