Verfahrensgang
LG München II (Entscheidung vom 13.11.2023; Aktenzeichen 2 KLs 48 Js 25996/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 13. November 2023
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit verbotenem Handeltreiben mit Cannabis und mit unerlaubtem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, davon wiederum in einem Fall in weiterer Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit neuen psychoaktiven Stoffen, sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des Handeltreibens von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit verbotenem Handeltreiben mit Cannabis und mit unerlaubtem Handeltreiben mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, des verbotenen Handeltreibens mit Cannabis in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Anstiftung zur verbotenen Einfuhr von Cannabis, sowie des unerlaubten Handeltreibens mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in drei Fällen schuldig ist,
b) bezüglich der Einzelstrafen in den Fällen 6.1, 6.2, 8, 9 und 11 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Arzneimitteln, davon wiederum in einem Fall in weiterer Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit neuen psychoaktiven Stoffen, und in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Arzneimitteln in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt; daneben hat es gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 160.390 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Der Schuldspruch bedarf der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung:
Rz. 3
a) In den Fällen 6.2, 8, 9 und 11 der Urteilsgründe bezog sich das Handeltreiben des Angeklagten allein auf Marihuana und Haschisch. Damit ist der Schuldspruch insoweit an das am 1. April 2024 in Kraft getretene Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 anzupassen (§ 2 Abs. 3 StGB iVm § 354a StPO; § 34 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Nr. 4, 5 KCanG; BGH, Beschlüsse von 23. April 2024 - 5 StR 153/24 Rn. 3 f. und vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24 Rn. 4 f.).
Rz. 4
b) In den Fällen 1 und 7 der Urteilsgründe ist im Schuldspruch ebenfalls aufgrund der Neuregelung zu erfassen, dass der Angeklagte neben Kokain, Heroin, Ecstasy-Tabletten u.a. Marihuana und Haschisch zum Verkauf anbot sowie gewinnbringend weiterveräußerte.
Rz. 5
c) Im Fall 10 der Urteilsgründe führt das gebotene Herausnehmen des gehandelten Haschischs und Marihuanas aus dem Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG dazu, dass dieser Verbrechenstatbestand infolge des Nichtüberschreitens der Grenze zur nicht geringen Menge nicht mehr erfüllt ist. Die Wirkstoffmenge der zugleich gehandelten Ecstasy-Tabletten lag unter 30 Gramm MDMA-Base (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Juni 2017 - 4 StR 218/17 Rn. 4 mwN).
Rz. 6
d) In den Fällen 6.1 und 6.2 der Urteilsgründe belegen die Feststellungen keine Tatherrschaft des Angeklagten über den Einfuhrvorgang aus den Niederlanden bzw. Spanien (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 14. November 2023 - 3 StR 369/23 Rn. 7 und vom 8. August 2023 - 3 StR 210/23 Rn. 6; je mwN). Vielmehr ist der Angeklagte, der das Kokain (Fall 6.1 der Urteilsgründe) bzw. das Marihuana und Haschisch (Fall 6.2 der Urteilsgründe) bei unbekannt gebliebenen Lieferanten im Ausland bestellte und der die versandten Pakete infolge der beiden Beschlagnahmen nicht in Empfang nehmen konnte, insoweit der Anstiftung (§ 26 StGB) zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) bzw. der Anstiftung (§ 26 StGB) zur verbotenen Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG), jeweils in Tateinheit mit dem entsprechenden Tatbestand des Handeltreibens (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bzw. § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG), schuldig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 2023 - 1 StR 276/23 Rn. 2 f., 5 und vom 27. Oktober 2020 - 1 StR 350/20 Rn. 7).
Rz. 7
e) § 265 Abs. 1 StPO steht der - hier ohnehin nicht beschwerenden - Schuldspruchänderung nicht entgegen. Es ist auszuschließen, dass sich der geständige Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Wegen der ohnehin erforderlichen weitgehenden Neufassung des Schuldspruchs kann offenbleiben, ob der Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 18. Dezember 2023 wirksam ist.
Rz. 8
2. a) Die Änderung des Schuldspruchs bedingt in den Fällen 6.1, 6.2, 8, 9 und 11 der Urteilsgründe die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen. Dies ist in den zuletzt genannten vier Fällen deswegen unumgänglich, weil die Strafrahmenobergrenze nunmehr auf fünf Jahre Freiheitsstrafe bei den hier jeweils zugleich verwirklichten Regelbeispielen der Gewerbsmäßigkeit (§ 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 KCanG) und des Überschreitens der Schwelle zur nicht geringen Menge (§ 34 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 4 KCanG; vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24 Rn. 7-21 und vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24 Rn. 11-21) begrenzt ist.
Rz. 9
b) Hingegen beeinflusst die geringe Abmilderung des Schuldspruchs die in den Fällen 1 und 7 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen nicht. Ebenso hat die Einzelstrafe aus Fall 10 der Urteilsgründe Bestand, da nach den - für sich genommen rechtsfehlerfreien - Strafzumessungserwägungen auszuschließen ist, dass das Landgericht die Indizwirkung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 3 BtMG) verneint hätte; es wäre damit wiederum von einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG) ausgegangen.
Rz. 10
c) Die Aufhebung der fünf genannten Einzelstrafen, darunter der zweithöchsten (vier Jahre Freiheitsstrafe im Fall 11 der Urteilsgründe), zieht letztlich die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich, wenngleich sich bereits der bisherige Zusammenzug der Strafen bei einer - unberührt bleibenden - Einsatzfreiheitsstrafe von sechs Jahren (Fall 7 der Urteilsgründe) als sehr straff erweist, zumal der Angeklagte mehrfach, darunter einschlägig vorbestraft war und er bei monatlichen Einkünften aus dem professionellen Handeltreiben von über 9.000 € ein Barvermögen von über 120.000 € erwirtschaftete.
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Fundstellen
Haufe-Index 16356261 |
StV 2024, 591 |