Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Juli 2004 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch wie folgt geändert:
Der Angeklagte wird auf Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wird auf ein Jahr festgesetzt. Es wird eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten angedroht.
Der Bewährungsbeschluß des Landgerichts ist gegenstandslos.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Revision zu tragen, jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt. Je ein Drittel der in diesem Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen zweier Fälle der Rechtsbeugung, jeweils in Tateinheit mit (einmal dreifacher) Freiheitsberaubung (Tatzeiten: 1986 und 1988) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In diesen beiden Fällen hatte der Senat mit Urteil vom 21. August 1997 – 5 StR 120/97 – (NStZ-RR 1997, 359) ein erstes freisprechendes Urteil des Landgerichts auf die Revision der Staatsanwaltschaft aufgehoben.
1. Die unbeschränkte Revision des Angeklagten ist auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des Senats zu Fällen der Rechtsbeugung in DDR-Politstrafsachen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 17. Mai 2005 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit das Rechtsmittel sich gegen den Schuldspruch richtet (vgl. neben dem Senatsurteil im ersten Durchgang nur BGHR StGB § 336 [a. F.] DDR-Recht 26 und 27 sowie Staatsanwalt 1; jeweils m.w.N.).
2. Dagegen hat der Strafausspruch keinen Bestand. Insoweit hat die mit der Revision erhobene Rüge der Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch überlange Verfahrensdauer Erfolg.
Der entsprechende Verstoß wird bereits durch den zeitlichen Abstand von fast sieben Jahren zwischen der ersten Revisionsentscheidung des Senats und dem Urteil des Landgerichts belegt, zudem vor dem Hintergrund eines Zeitablaufs seit Begehung der letzten Tat von mittlerweile mehr als 17 Jahren und unter Berücksichtigung der denkbar einfachen Beweis- und Rechtslage, letzteres jedenfalls nach der ersten Revisionsentscheidung. Eine zwischenzeitliche Verbindung der Sache mit weiteren Anklagevorwürfen – insoweit ist dann durchweg absolute Verjährung eingetreten – war nicht etwa derart sachgerecht, daß sich die massive Verfahrensverzögerung deshalb hätte rechtfertigen lassen.
Das Landgericht hat eine überlange Verfahrensdauer dann auch zutreffend angenommen. Es hat indes die unerläßliche Konsequenz der näheren Kennzeichnung eines wegen einer solchen Verfahrensverzögerung erfolgten Strafabschlages (vgl. nur BGHSt 45, 308, 309 f. m.w.N.) außer acht gelassen. Schon angesichts dessen, daß die Strafe im Vergleich zu anderen ohne eine derartige Verzögerung abgeurteilten ähnlichen Fällen nicht etwa besonders niedrig bemessen worden ist, läßt sich nicht ausschließen, daß sich dieser Fehler bei der Straffindung ausgewirkt hat. Es kommt hinzu, daß Landgericht und Staatsanwaltschaft dem Angeklagten – erklärbar nur durch die Verfahrensverzögerung – eine Verfahrenserledigung nach § 153a Abs. 2 StPO angeboten hatten, die allein am Fehlen der Zustimmung des Angeklagten gescheitert war. Die danach verhängte Strafe steht mit der Erwägung eines solchen Verfahrensabschlusses ganz offensichtlich nicht in Einklang.
Zudem hat das Landgericht in diesem Zusammenhang noch folgendes außer acht gelassen: Es ist im Ansatz zutreffend bei der Strafzumessung vom Grundsatz strikter Alternativität ausgegangen und hat angenommen, das Recht der Bundesrepublik Deutschland sei im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB i. V. m. Art. 315 Abs. 1 EGStGB milder als das Recht der DDR, weil allein ersteres die Möglichkeit der Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe eröffne. Hierbei hat das Landgericht jedoch nicht bedacht, daß wegen der herausgehobenen Besonderheit einer gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verstoßenden Verfahrensverzögerung dem Recht der DDR im vorliegenden Fall die Möglichkeit eine außergewöhnliche Strafmilderung in entsprechender Anwendung von § 62 Abs. 1 und Abs. 2 i. V. m. § 25 Nr. 2 StGB-DDR entnommen werden kann (vgl. BGHR StGB § 339 DDR-Richter 2). Danach wird eine leichtere als die gesetzlich vorgesehene Strafart, namentlich eine Verurteilung auf Bewährung nach § 33 StGB-DDR, ermöglicht. Auf diese Weise ist wegen der Eröffnung eines deutlich minderen Strafrahmens hier ausnahmsweise das DDR-Recht milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB i. V. m. Art. 315 Abs. 1 EGStGB.
3. Über die danach gebotene Aufhebung des Strafausspruchs hinaus macht der Senat von der Möglichkeit einer Verurteilung auf Bewährung selbst Gebrauch in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 354 Abs. 1 StPO, wie dies in Fällen dieser Art zur Vermeidung einer weiteren Verfahrensverzögerung geboten ist (vgl. nur BGH, Beschluß vom 26. Juni 2002 – 5 StR 53/02).
Der Senat ändert daher den Strafausspruch dahin ab, daß der Angeklagte auf Bewährung verurteilt, eine Bewährungszeit in Höhe der Mindestdauer von einem Jahr (§ 33 Abs. 2 Satz 1 StGB-DDR) festgesetzt und eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten angedroht wird; die Mindestdauer der anzudrohenden Freiheitsstrafe von drei Monaten (§ 33 Abs. 2 Satz 3 StGB-DDR) ist mit Rücksicht auf die tateinheitlichen beträchtlichen Freiheitsberaubungen zum Nachteil von vier Personen mindestens in diesem Maße zu überschreiten.
Der Bewährungs- und Pflichtenbeschluß des Landgerichts wird mit dieser Rechtsfolgenabänderung gegenstandslos. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Gerhardt, Brause, Schaal
Fundstellen
Haufe-Index 2565552 |
wistra 2005, 421 |
NStZ-RR 2005, 273 |