Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung des Nebenintervenienten. Streithelfer
Leitsatz (redaktionell)
Der Nebenintervenient kann bei einer Kostenaufhebung zwischen den Hauptparteien keine Kostenerstattung vom Gegner verlangen.
Normenkette
ZPO § 101
Verfahrensgang
Tenor
Unter Aufhebung des Beschlusses des 20. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 6.6.2002 unter Ziff. II 1 2. und 3. Abs. wird der Antrag der Nebenintervenienten zu 1) [Dr. D.] und zu 2) [Dipl.-Ing. B.] auf Festsetzung ihrer Kosten abgewiesen.
Die Nebenintervenienten zu 1) und zu 2) tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu 54,4 % bzw. 45,6 %.
Beschwerdewert: 104.836,08 EUR
Gründe
I. Der Kläger nahm als Konkursverwalter der A. AG den Beklagten in seiner Eigenschaft als früheres Aufsichtsratsmitglied der A. AG auf Schadenersatz in Anspruch. Der Beklagte verkündete in der ersten Instanz Herrn Dr. D. und im Berufungsrechtszuge dem Sachverständigen Dipl.-Ing. B. den Streit, die beide dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beitraten. Ohne Mitwirkung der beiden Streitverkündeten schlossen die Parteien vor dem Berufungsgericht einen Vergleich, der hinsichtlich der Kosten folgende Regelung enthält:
"Jede Partei trägt in beiden Instanzen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie die Hälfte der Gerichtskosten. ... Die Parteien erklären ausdrücklich, dass durch diesen Vergleich weder dem ... noch den beiden Nebenintervenienten auf Seiten des Beklagten Kostenerstattungsansprüche eingeräumt werden sollen."
Die Nebenintervenienten haben die Auffassung vertreten, dass zu ihren Gunsten ungeachtet der Regelung im Vergleich der Parteien Kostenentscheidungen zu treffen sind; während der Nebenintervenient zu 1) beantragt hat, nach § 91a ZPO zu entscheiden, hat der Nebenintervenient zu 2) verlangt, die Hälfte der durch seine Nebenintervention verursachten Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
Das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, Beschl. v. 6.6.2002 - 20 U 94/99, OLGReport Stuttgart 2003, 55 f.) hat die durch die Nebenintervenienten zu 1) und zu 2) entstandenen Kosten jeweils zur Hälfte ihnen selbst und im Übrigen dem Kläger auferlegt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde.
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Der Kläger ist nicht verpflichtet, die Hälfte der den Nebenintervenienten des Beklagten entstandenen Kosten zu tragen.
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht seinen Beschluss auf § 101 ZPO gestützt und sich an einer zu Gunsten der Nebenintervenienten ergehenden Entscheidung nicht schon durch den Vergleich der Parteien gehindert gesehen, der den Rechtsbeschwerdegegnern Kostenerstattungsansprüche ausdrücklich nicht einräumen sollte. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 101 ZPO, der die Gleichstellung des Nebenintervenienten mit der von ihm unterstützten Hauptpartei sicherstellen will ("Grundsatz der Kostenparallelität"), steht als gesetzlicher Anspruch ohne Mitwirkung des Nebenintervenienten nicht zur Disposition der Prozessparteien (vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.1967 - III ZR 15/64, NJW 1967, 983).
2. Kommt es danach auf die Kostenregelung an, die die Parteien im Verhältnis zueinander getroffen haben (§§ 101, 98 ZPO), kann dem Berufungsgericht nicht darin gefolgt werden, dass die vereinbarte Aufhebung der Kosten (§ 92 ZPO) genauso zu behandeln ist wie eine Kostenteilung.
Das Berufungsgericht befindet sich mit seiner gegenteiligen Auffassung zwar im Einklang mit der grundlegenden Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH v. 1.11.1960 (BGH v. 1.11.1960 - V ZR 47/55, NJW 1961, 460) und der ihr weithin folgenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des Schrifttums (vgl. z. B. OLG Celle v. 27.3.2000 - 13 U 147/99, OLGReport Celle 2001, 16 = NJW-RR 2002, 140; v. 26.8.1999 - 9 U 316/98, OLGReport Celle 2000, 60; OLG München v. 20.10.2001 - 17 W 2649/01, OLGReport München 2002, 17; OLG Koblenz OLGReport Koblenz 2000, 17; OLG Bremen v. 12.5.1998 - 2 W 36/98, OLGReport Bremen 1998, 285; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 101 Rz. 23; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 101 Rz. 4), wenn es bei vergleichsweise geregelter Kostenaufhebung zwischen den Hauptparteien dem Nebenintervenienten einen Anspruch auf Ersatz der Hälfte seiner Kosten gegen den Gegner der unterstützten Hauptpartei zuerkennt.
Mit seinem nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen Beschl. v. 3.4.2003 (BGH v. 3.4.2003 - V ZB 44/02, BGHReport 2003, 769 - z.V. in BGHZ bestimmt) hat der V. Zivilsenat jedoch die genannte Rechtsprechung aufgegeben. Er hat im Anschluss an andere Entscheidungen von Oberlandesgerichten (vgl. OLG Karlsruhe v. 12.12.1996 - 6 W 137/96, MDR 1997, 401 = NJW-RR 1997, 1293; OLG Dresden v. 9.10.1998 - 6 U 2845/96, OLGReport Dresden 1999, 227 = NJW-RR 1999, 1668; OLG Frankfurt v. 14.4.2000 - 22 U 70/98, OLGReport Frankfurt 2000, 156; OLG Stuttgart v. 4.10.2001 - 19 W 53/01, NJW-RR 2002, 215; OLG Frankfurt v. 21.7.1998 - 13 U 9/97, OLGReport Frankfurt 1998, 363; OLG Celle v. 29.9.1982 - 12 WF 886/82, AnwBl. 1983, 176; OLG Nürnberg JurBüro 1988, 613; OLG Karlsruhe v. 21.1.1986 - 8 U 86/85, OLGZ 1986, 383; OLG Nürnberg v. 20.6.1994 - 13 W 3921/93, MDR 1995, 533; OLG Karlsruhe v. 12.12.1996 - 6 W 137/96, MDR 1997, 401; OLG Nürnberg BauR 2000, 1379) und strikt zwischen Kostenaufhebung und Kostenteilung unterscheidend nunmehr ausgesprochen, dass der Nebenintervenient bei einer Kostenaufhebung zwischen den Hauptparteien Kostenerstattung nicht verlangen kann.
Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Der Streithelfer ist - wie die Vorschrift in § 101 ZPO unter Bezugnahme auf § 98 ZPO belegt - an die durch Vergleich vorgenommene Kostenquotierung im Verhältnis zwischen den Hauptparteien gebunden und damit ebenso zu behandeln, wie die von ihm unterstützte Hauptpartei. Kostenaufhebung bedeutet, dass jede Partei die Gerichtskosten je zur Hälfte und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. hierzu zur Entstehungsgeschichte BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - V ZB 44/02, BGHReport 2003, 769 - z.V. in BGHZ bestimmt; Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 92 Rz. 1; Musielak/Wolst, ZPO, § 92 Rz. 5). Ebenso wie die unterstützte Hauptpartei von ihrem Gegner nicht Kostenerstattung fordern kann, muss der Nebenintervenient/Streithelfer es als Konsequenz seiner Rechtsstellung im Verhältnis zu den Parteien hinnehmen, dass auch er die durch seine Beteiligung an dem Rechtsstreit entstandenen Kosten selbst tragen muss. Dass dies die Folge der Vergleichsvereinbarungen zwischen den Prozessparteien ist, rechtfertigt nicht, in diesem Fall den Grundsatz der Kostenparallelität aufzugeben. Denn auch sonst muss der Nebenintervenient die für ihn unter Umständen nachteiligen Auswirkungen von Prozesshandlungen der Hauptpartei tragen und hat auch etwa in den Fällen der Klage- oder Rechtsmittelrücknahme oder des Anerkenntnisses keine Möglichkeit, von dem Gegner der Hauptpartei Erstattung seiner Kosten zu verlangen.
Fundstellen
Haufe-Index 982555 |
NJW 2003, 3354 |
BGHR 2003, 1375 |
BRAGOreport 2003, 204 |
KammerForum 2004, 57 |