Entscheidungsstichwort (Thema)
Notar darf nicht in der Nebentätigkeit Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH sein
Leitsatz (redaktionell)
1. Einem Anwaltsnotar ist die entgeltliche Betätigung als Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH für den Regelfall nicht zu genehmigen, weil das den Belangen des Notaramtes und dem Berufsbild des Notars nach der Bundesnotarordnung als selbständiger Träger eines öffentlichen Amtes, der unabhängig auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege tätig wird, widerspricht. Selbst wenn der Geschäftsführer einer Steuerberatungs-Gesellschaft in seiner Beratungstätigkeit unabhängig und weisungsfrei ist, bleibt er doch dem letztlich auf Gewinn gerichteten Ziel der GmbH als Handelsgesellschaft verpflichtet und in seinem beruflichen Verhalten abhängig von den Beschlüssen der Gesellschafter, die in einem als GmbH organisierten Steuerberatungsunternehmen auch anderen als den in § 50 Abs. 2 StBerG genannten Berufsständen angehören können und ihrerseits nicht einer besonderen Standesaufsicht unterliegen.
2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Einschränkung der durch Art. 12 GG gewährleisteten freien Berufswahl und der Berufsausübung bestehen nicht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, daß zu der Befugnis des Gesetzgebers, Berufe rechtlich zu ordnen, auch die Inkompatibilitätsvorschriften gehören, die es verbieten, neben dem Beruf des Notars bestimmte andere Tätigkeiten auszuüben.
Normenkette
BNotO § 8 Abs. 2; StBerG § 50 Abs. 2; GG Art. 12
Verfahrensgang
KG Berlin (Beschluss vom 07.09.1988; Aktenzeichen Not 2/88) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin vom 7. September 1988 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und dem Antragsgegner die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der am 22. August 1946 in B. geborene Antragsteller bestand am 12. März 1975 die zweite juristische Staatsprüfung und wurde am 21. Mai 1975 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Seitdem übt er diesen Beruf ununterbrochen in B. aus. Am 21. Juni 1985 hat ihn der Antragsgegner zum Notar für den Bezirk des Kammergerichts mit Amtssitz in B. bestellt.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 1987 hat der Antragsteller die Genehmigung zur Übernahme einer Nebentätigkeit als Geschäftsführer einer noch zu gründenden Steuerberatungsgesellschaft mbH beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt: Er sei bereits als Steuerberater zugelassen und übe diese Tätigkeit neben seinem Amt als Notar in einigem Umfang aus. Die Tätigkeit eines Geschäftsführers einer Steuerberatungs- GmbH halte er mit der des Notars ebenso für vereinbar wie die eines selbständigen Steuerberaters, der ebenfalls in Gewinnerzielungsabsicht tätig werde. Eine wie auch immer geartete Abhängigkeit sei nicht gegeben. Notfalls möge die Genehmigung unter Auflagen erteilt werden, etwa unter Bestimmung des Umfangs der von ihm selbst zu haltenden Gesellschaftsanteile. Auch sei eine Geschäftsführungstätigkeit denkbar, die nicht im Angestelltenverhältnis ausgeübt werde, sondern als freiberufliche Tätigkeit, möglicherweise auch ohne Zahlung eines Entgelts.
Die Notarkammer B. hat den Antrag nicht befürwortet, weil nach ihrer Auffassung die Tätigkeit des Geschäftsführers einer Steuerberatungs-GmbH mit dem Amt des Notars unvereinbar sei. Der Antragsgegner hat die beantragte Genehmigung mit Bescheid vom 11. Januar 1988 verweigert, weil die beabsichtigte Nebentätigkeit mit den Belangen des Notaramtes und dem Berufsbild des Notars nicht zu vereinbaren sei: Als Geschäftsführer einer GmbH befinde sich der Notar aufgrund der Bindung durch Gesellschafterbeschlüsse und durch sein Dienstverhältnis sowie wegen der Gewinnorientierung der jedenfalls gewerbsähnlichen gesellschaftlichen Tätigkeit in einer Abhängigkeitssituation, welche die Möglichkeit begründe, daß er sich der Pflichtenauffassung nach der Bundesnotarordnung entfremde oder in Situationen einer Pflichtenkollision gerate.
Gegen diesen Bescheid hat der Notar Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt mit dem Begehren, den Bescheid des Antragsgegners aufzuheben und dem Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit als Geschäftsführer einer Steuerberatungs- GmbH stattzugeben. Das Kammergericht hat den Antrag zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel ist nach § 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO zulässig. Es hat jedoch keinen Erfolg. Die Versagung der beantragten Genehmigung läßt keinen Ermessensfehler im Sinne des § 111 Abs. 1 BNotO erkennen, wie das Kammergericht zutreffend dargelegt hat.
1. Nach § 8 Abs. 2 BNotO bedarf der Notar der Genehmigung der Aufsichtsbehörde zur Übernahme einer Nebenbeschäftigung gegen Vergütung, insbesondere zu einer gewerblichen Tätigkeit (Nr. 1), darüber hinaus zum Eintritt in ein Organ einer auf Erwerb gerichteten Gesellschaft (Nr. 2). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Einschränkung der durch Art. 12 GG gewährleisteten freien Berufswahl und der Berufsausübung bestehen nicht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, daß zu der Befugnis des Gesetzgebers, Berufe rechtlich zu ordnen, auch die Inkompatibilitätsvorschriften gehören, die es verbieten, neben dem Beruf des Notars bestimmte andere Tätigkeiten auszuüben. Zwar enthält die Bundesnotarordnung keine ausdrückliche Regelung, welche Berufsausübungen dem Notar im einzelnen untersagt sind und welche Sozietäten er nicht eingehen darf. Aus der Gesamtregelung der BNotO und BeurkG unter Berücksichtigung ihrer Auslegung in Rechtsprechung und Literatur ergibt sich jedoch eine hinreichend erkennbare und bestimmte, den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügende Regelung der Berufsausübung. Danach ist der Wille des Gesetzgebers deutlich erkennbar, die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars zu wahren und jeder nur denkbaren Gefährdung von vornherein entgegenzutreten. Dies gilt für den (Nur-) Notar ebenso wie für den Anwaltsnotar (BVerfGE 54, 237, 246 ff).
Eine Heranziehung der Allgemeinen Richtlinien für die Berufsausübung der Notare (RLNot) bedarf es zur Auslegung des gesetzgeberischen Willens in diesem Zusammenhang nicht, so daß der Senat auch hier offen lassen kann, ob sich diese Richtlinien in ihrer Rechtsnatur von den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts unterscheiden, denen nach der Entscheidung BVerfGE 76, 171 Rechtsnormqualität nicht zukommt (vgl. auch Senatsbeschluß vom 5. Dezember 1988 – NotZ 6/88 = BGHR BNotO § 1 Unparteilichkeit 1, Werbeverbot 1).
Aus der Bundesnotarordnung selbst läßt sich der Wille des Gesetzgebers hinreichend deutlich entnehmen, im Interesse einer geordneten Rechtspflege und damit im Interesse des Gemeinwohls nicht erst konkreten, sondern bereits möglichen Gefährdungen des Leitbildes des Notars entgegenzutreten und deshalb bereits allein dem Anschein einer Gefährdung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars von vornherein zu begegnen (BGHZ 75, 296, 299; 78, 237, 244; BGH NotZ 1986, 307, 309).
2. Bei seiner ablehnenden Entscheidung ist der Antragsgegner davon ausgegangen, daß bei einer Tätigkeit des Antragstellers als Geschäftsführer einer – wie auch immer gearteten – Steuerberatungs-GmbH der Anschein entstehen könnte, der Antragsteller werde sein Notaramt nicht immer mit der gebotenen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ausüben. Das läßt einen Ermessensfehler nicht erkennen. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 21. Juni 1965 (DNotZ 1965, 621; zustimmend BGHZ 53, 103, 106/107) dargelegt, daß für einen Anwaltsnotar die entgeltliche Betätigung als Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH für den Regelfall nicht zu billigen ist, weil das den Belangen des Notaramtes und dem Berufsbild des Notars nach der Bundesnotarordnung als selbständiger Träger eines öffentlichen Amtes, der unabhängig auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege tätig wird, widerspricht. Selbst wenn der Geschäftsführer einer Steuerberatungs-Gesellschaft in seiner Beratungstätigkeit unabhängig und weisungsfrei ist, bleibt er doch dem letztlich auf Gewinn gerichteten Ziel der GmbH als Handelsgesellschaft verpflichtet und in seinem beruflichen Verhalten abhängig von den Beschlüssen der Gesellschafter, die in einem als GmbH organisierten Steuerberatungsunternehmen auch anderen als den in § 50 Abs. 2 StBerG genannten Berufsständen angehören können und ihrerseits nicht einer besonderen Standesaufsicht unterliegen.
Daß dem Anwaltsnotar eine Tätigkeit als Steuerberater oder die Sozietät mit einem solchen gestattet ist, steht nicht entgegen. Die Zulässigkeit dieser beruflichen Verbindung beruht darauf, daß sich die Betätigung als Steuerberater als ein Teil der auch dem Rechtsanwalt offenstehenden beruflichen Tätigkeit darstellt (BGHZ 53, 103, 106; Senatsbeschluß vom 5. Dezember 1988 – NotZ 10/88). Die Funktion des Geschäftsführers einer Steuerberatungs-GmbH läßt sich in diesem Sinne nicht in das Berufsbild des Rechtsanwalts einordnen.
Der Senat sieht auch im Hinblick auf den Beschluß des Bundesverfassungsgericht vom 4. Juli 1989 – 1 BvR 1410/85, 1239/87 – keinen Anlaß, von diesen Grundsätzen abzuweichen und vermag jedenfalls keinen Rechtsfehler darin zu sehen, daß der Antragsgegner allein auf das objektive Erscheinungsbild einer derartigen Betätigung eines Notars abgestellt hat. Dafür, daß sich der Antragsgegner an der Ausübung eigenen Ermessens gehindert gesehen hat, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Sie ergeben sich jedenfalls nicht daraus, daß er bei seiner Entscheidung von den Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats ausgegangen ist. Wie das Kammergericht zutreffend ausgeführt hat, vermag auch die vom Antragsteller erwogene Genehmigung der Nebentätigkeit unter Auflagen nichts daran zu ändern, daß der Notar an dem unter seiner Geschäftsführung erzielten Gewinn der Gesellschaft beteiligt und der Anschein der Unvereinbarkeit der Nebentätigkeit mit dem Notaramt in der Außenwirkung unverändert bliebe.
Das Rechtsmittel des Antragstellers erweist sich somit als unbegründet und ist mit der Kostenfolge aus § 11 Abs. 4 BNotO, §§ 201, 202 BRAO, § 13 a FGG zurückzuweisen.
Fundstellen