Verfahrensgang
LG Konstanz (Urteil vom 31.01.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 31. Januar 2017 wird
- von der Verfolgung der Taten in den Fällen II.A.9 und 13 der Urteilsgründe unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs abgesehen;
das angefochtene Urteil
aa) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei in sechs Fällen jeweils in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung, davon in drei Fällen in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßigem Betrug und in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem gewerbs- und bandenmäßigen Betrug, sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen schuldig ist;
bb) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II.A.2, 3, 4, 9, 13 und 14, über die Gesamtstrafe, über die Einziehung sowie – insoweit auch, soweit es die Mitangeklagte M. betrifft – über das Absehen von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen jeweils in Tateinheit mit bandenmäßiger gewerbsmäßiger Urkundenfälschung und mit bandenmäßigem gewerbsmäßigem Betrug sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und ein Laptop und zwei Mobiltelefone eingezogen. Die nicht revidierende Mitangeklagte M. hat es unter Freispruch im Übrigen wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung und zum tateinheitlich begangenen Betrug sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte und die Mitangeklagten aus den Taten mindestens 183.500 Euro erlangt haben und die Strafkammer nur deshalb nicht auf den Verfall von Wertersatz erkannt hat, weil dem die Ansprüche der in der Anklageschrift aufgeführten Geschädigten entgegenstehen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die sich in erster Linie gegen die Strafzumessung wendet. Das Rechtsmittel hat nach teilweiser Einstellung des Verfahrens bzw. Beschränkung der Strafverfolgung in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Rz. 2
Der Angeklagte schloss sich spätestens Ende 2011 mit den Mitangeklagten G. L., S. L. und B. sowie weiteren Personen zusammen, um möglichst neuwertige Fahrzeuge in Deutschland und im Ausland, insbesondere in Spanien, zu entwenden, für diese Fahrzeuge falsche Papiere herzustellen, die Fahrzeuge durch Veränderung der Fahrzeugidentifikationsnummer und der Elektronik an die Papiere anzupassen und sie sodann gewinnbringend an gutgläubige Endabnehmer zu veräußern. Hierdurch wollten sich die Beteiligten eine auf Dauer angelegte Einnahmequelle erschließen. Regelmäßig wurden zunächst Fahrzeuge unter Überwindung der mechanischen und elektronischen Diebstahlssicherung entwendet. Darüber hinaus wurden aus passenden typengleichen sogenannten „Spenderfahrzeugen” entweder die dort deponierten Original-Fahrzeugpapiere gestohlen oder die Fahrzeugspezifika samt Fahrzeugidentifikationsnummer ausgespäht und mittels dieser Daten in einer Fälscherwerkstatt in Polen täuschend echte Fahrzeugpapiere erstellt. Anschließend wurden an den gestohlenen Fahrzeugen die Fahrgestellnummern aus den falschen Fahrzeugpapieren angebracht, die Fahrzeugelektronik entsprechend manipuliert und neue Schlüssel gefertigt. Die Arbeiten an den Fahrzeugen wurden teilweise schon in Spanien, hauptsächlich aber in Polen oder in Deutschland durchgeführt. Die Fahrzeuge wurden in Deutschland kurzfristig angemeldet, damit eine Umschreibung auf echte deutsche Fahrzeugpapiere erfolgte. Die veräußerten Fahrzeuge hatten nun eine Fahrzeugidentifizierungsnummer, die nicht einem gestohlenen Fahrzeug zugeordnet war. Der Angeklagte überführte in mehreren Fällen Fahrzeuge aus Spanien in die Bundesrepublik. Weiterhin war er in die Umschreibung und Zulassung der Fahrzeuge mit eingebunden und für Arbeiten am Computer und im Internet im Rahmen des Verkaufs zuständig. Er stellte darüber hinaus seine Garage und seinen Keller für Arbeiten an den entwendeten Fahrzeugen zur Verfügung. In einem der Fälle, II.A.14 der Urteilsgründe, wurde das Fahrzeug vom Mitangeklagten B. an einen verdeckten Ermittler des LKA Baden-Württemberg verkauft.
Rz. 3
Darüber hinaus hat der Angeklagte vom Herbst 2013 bis zum 26. Februar 2016 in zehn Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
Während die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil aufweist, hat die Revision im Komplex der Fahrzeugdiebstähle teilweise Erfolg.
Rz. 5
1. Die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe sich in den Fällen II.A.2, 3, 4, 9, 13 und 14 der Urteilsgründe des schweren Bandendiebstahls schuldig gemacht, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar bestand eine Bande aus (mehr als) drei Dieben, nämlich den Mitangeklagten G. L. und S. L., dem M. L. sowie einem unbekannt gebliebenen polnischen Staatsangehörigen. Der Angeklagte hat aber in keinem der Fälle einen konkreten Beitrag zum einzelnen Diebstahl geleistet. Soweit es bei den Feststellungen zu den einzelnen Taten jeweils heißt, „die von den Angeklagten beauftragten Diebe” hätten die Fahrzeuge entwendet, wird eine konkrete Mitwirkung des Angeklagten und des Mitangeklagten B. nicht durch Tatsachen belegt. Nach den Feststellungen zur Abrede über die von den Beteiligten zu erbringenden Tatbeiträge und deren Umsetzung waren allein die Mitangeklagten G. L. und S. L. in die Beschaffung der Fahrzeuge eingebunden. Der Angeklagte und der Mitangeklagte B. wurden erst nach Beendigung der Diebstähle, teilweise bei der Überführung der Fahrzeuge, jedenfalls aber beim Verkauf, tätig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 332 ff.; vom 14. November 2001 – 3 StR 379/01, NStZ 2002, 200; vom 13. Januar 2005 – 3 StR 473/04, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 13).
Rz. 6
Der Angeklagte war allerdings bei seinen Tätigkeiten im Rahmen des Verkaufs der gestohlenen Fahrzeuge als Bandenmitglied in deren Interesse tätig und handelte nicht etwa nur im eigenen Interesse. Damit ist der Tatbestand der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei nach § 260a Abs. 1 StGB erfüllt. Dieser lässt es genügen, dass sich ein Hehler mit Dieben oder Räubern zusammengetan hat. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen rechtfertigen deshalb die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei gemäß § 260a Abs. 1 StGB. Der Senat ändert den Schuldspruch in den Fällen II.A.1 bis 15 entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Senat schließt angesichts des Geständnisses des Angeklagten aus, dass er sich gegen den geänderten Schuldvorwurf wirksamer hätte verteidigen können.
Rz. 7
2. Im Fall II.A.9 der Urteilsgründe hat das Landgericht keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, dass der das Fahrzeug ankaufende Autohändler P. gutgläubig war. Die Gutgläubigkeit ist lediglich für dessen Kundin F. festgestellt worden. Im Fall II.A.13 heißt es zwar auf UA S. 19, dass das Fahrzeug an „das gutgläubige Autohaus La. in T.” verkauft worden ist. Nähere Angaben über die Umstände des Ankaufs enthalten die Urteilsgründe aber auch in diesem Fall nicht. Mit Blick auf die Ankäufe der Kraftfahrzeuge jeweils deutlich unterhalb ihres tatsächlichen Werts und den Umstand, dass P. einen weiteren Ankauf von der Bande um den Angeklagten tätigte, hätte die Annahme guten Glaubens hier weiter gehender Feststellungen bedurft. Von der weiteren Verfolgung dieser Taten unter dem Gesichtspunkt des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs sieht der Senat aus prozessökonomischen Gründen mit Zustimmung des Generalbundesanwalts ab und ändert den Schuldspruch dementsprechend in diesen Fällen.
Rz. 8
3. Im Fall II.A.14 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen die Annahme eines tateinheitlichen vollendeten gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs nicht. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:
„Hinsichtlich der Tat II. A 14. wird allerdings die Verurteilung wegen tateinheitlichen vollendeten banden- und gewerbsmäßigem Betrug nicht von den Feststellungen getragen. Hiernach erfolgte der Verkauf des Fahrzeugs an einen Verdeckten Ermittler des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (UA S. 20), der in diesem Fall eingesetzt war (UA S. 33). Es ist deshalb davon auszugehen, dass dieser von wahrheitswidrigen Angaben im Zusammenhang mit dem Fahrzeugkauf ausgegangen ist. Damit fehlt es an einem für den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erforderlichen täuschungsbedingten Irrtum des Verfügenden, so dass lediglich ein tateinheitlich begangener versuchter banden- und gewerbsmäßiger Betrug gegeben ist.”
Rz. 9
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Der Angeklagte hat sich der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung und mit versuchtem gewerbs- und bandenmäßigen Betrug schuldig gemacht.
Rz. 10
4. Während die Einzelstrafen in den Fällen II.B.1 bis 10 der Urteilsgründe (Betäubungsmitteldelikte) keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, hat der Rechtsfolgenausspruch im Übrigen keinen Bestand.
Rz. 11
a) Bei der Bemessung der Einzelstrafen in den Fällen II.A.2, 3, 4, 9, 13 und 14 der Urteilsgründe hat das Landgericht einen überhöhten Strafrahmen mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren zugrunde gelegt. Die Strafrahmen des § 244a Abs. 1, § 263 Abs. 5 und § 267 Abs. 4 StGB betragen lediglich ein Jahr bis zu zehn Jahren; auch § 260a Abs. 1 StGB hat denselben Strafrahmen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die konkrete Strafbemessung von der Annahme eines höheren als dem vom Gesetz vorgegebenen Strafrahmen zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst worden ist. Der Wegfall der Einzelstrafen in diesen Fällen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
Rz. 12
b) Auch die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO hat keinen Bestand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:
„… Den Urteilsausführungen lässt sich schon nicht entnehmen, in welchem Umfang die Kammer die aus der Tat erlangte Beute den Beteiligten als aus den Taten erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zugerechnet hat. Hierfür hätte es näherer Feststellungen dazu bedurft, welche Vermögenswerte bei den einzelnen Taten den Tätern oder Teilnehmern unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs in der Weise zugeflossen sind, dass sie an ihnen tatsächliche Verfügungsgewalt gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt haben. Bei mehreren Tatbeteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht erlangt haben, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beteiligten führt (vgl. Senat, Beschluss vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11 Rn. 7 und Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, NJW 2011, 624 Rn. 19 ff. mwN).
Ferner ist die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu beachten. Wird in Anwendung des § 73c Abs. 1 StGB teilweise von der Anordnung des Verfalls abgesehen, hat dies zur Folge, dass der in der Urteilsformel allein zu bezeichnende Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt, hinter dem Erlangten bzw. dessen Wert zurückbleibt (vgl. Senat, Beschluss vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11 – Rn. 8 und Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, aaO, Rn. 12 ff.). Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 73c StGB nicht erkennbar geprüft. Zwar hat es Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten getroffen, sich aber nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit der Wert des jeweils Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. …”
Rz. 13
c) Die Aufhebung der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nicht revidierende Mitangeklagte M. zu erstrecken, weil der der Aufhebung in erster Linie zu Grunde liegende materiell-rechtliche Fehler – die unzureichende Ermittlung des aus den Taten Erlangten – die Mitangeklagte M. in gleicher Weise betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2011 aaO Rn. 9, StraFo 2011, 521; Urteil vom 28. Oktober 2010 aaO Rn. 32, BGHSt 56, 39, 51).
Rz. 14
d) Auch die Einziehungsanordnung bezüglich des Laptops und der beiden Mobiltelefone kann nicht bestehen bleiben. Aus den Urteilgründen ergibt sich weder, dass diese Gegenstände dem Angeklagten gehörten (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB aF) noch dass er sie zur Begehung oder Vorbereitung der abgeurteilten Taten gebrauchte oder dass sie hierfür bestimmt waren (§ 74 Abs. 1 StGB aF).
Rz. 15
5. Der Senat hat die Sache im Umfang der Aufhebung an eine andere Jugendstrafkammer zurückverwiesen, weil die Mitangeklagte S. L., hinsichtlich derer das Urteil durch Senatsbeschlüsse vom heutigen Tage ebenfalls teilweise aufgehoben worden ist, und die Mitangeklagte M. zu den Tatzeitpunkten teilweise Heranwachsende waren.
Unterschriften
Franke, Roggenbuck, Cierniak, Bender, Quentin
Fundstellen
Dokument-Index HI11399100 |