Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 16.11.2007) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 16. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben,
- soweit er wegen Nötigung in 19 Fällen verurteilt worden ist,
- im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14. Dezember 2005 wegen Vergewaltigung in elf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, und wegen sexueller Nötigung unter Einbeziehung einer durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 11. September 2002 verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und wegen Vergewaltigung in elf weiteren Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Körperverletzung, unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 15. Juli 2003 zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das vorbezeichnete Urteil bezüglich der Fälle 8 a, 28 b und 29 a (jeweils Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung) sowie 19 b (sexuelle Nötigung) im Strafausspruch, in allen übrigen Fällen insgesamt jeweils mit den Feststellungen aufgehoben. Die Aufhebung der Schuldsprüche erfolgte deshalb, weil in diesen Fällen durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen keine der Tatbestandsvarianten des § 177 Abs. 1 StGB belegt war.
Rz. 2
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen sexueller Nötigung und wegen Nötigung in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten und wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung, sowie wegen Nötigung in neun Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt, wobei es jeweils dieselben Strafen einbezogen hat wie im ersten Urteil. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
Rz. 3
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB) in 19 Fällen nicht. Sie belegen nicht, dass der Angeklagte die Zeugin B. in diesen Fällen durch ausdrückliche oder konkludente Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Vornahme der sexuellen Handlungen genötigt hat. Das Landgericht stützt die Feststellungen zur Sache allein auf die geständige Einlassung des Angeklagten [UA 19]. Zu deren Inhalt teilt das Urteil lediglich mit, dass der Angeklagte die „dargelegten Geschehnisse vollumfänglich” eingeräumt habe; dazu, ob der Angeklagte damit auch Drohungen im Sinne des § 240 StGB zugegeben hat, verhält sich das Urteil nicht. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung heißt es lediglich:
„Dem Angeklagten war jeweils bewusst, dass die Geschädigte nicht freiwillig die sexuellen Handlungen vornahm bzw. an sich vornehmen ließ. Dem Angeklagten war insbesondere bei Begehung der jeweiligen Taten bewusst, dass er die auslandsspezifische Hilflosigkeit der Nebenklägerin in den jeweiligen Fällen und die Tatsache ausnutzte, dass sich die Zeugin aus Angst vor ausländer- und strafrechtlichen Konsequenzen ihres illegalen Aufenthalts nicht gegen die sexuellen Übergriffe der Angeklagten zu wehren wagte” [UA 19/20].
Rz. 4
All dem lässt sich, wie die Revision zu Recht beanstandet, nicht entnehmen, dass der Angeklagte der Zeugin mit der Zufügung eines empfindlichen Übels auch nur konkludent gedroht hat.
Rz. 5
Ein Rückgriff auf die Sachdarstellung im Urteil kann in diesem Zusammenhang nicht erfolgen. Diese besteht in der wörtlichen Wiedergabe der vom Senat aufgehobenen Feststellungen des ersten landgerichtlichen Urteils. Das Landgericht hat verkannt, dass, wenn die Feststellungen des früheren Urteils aufgehoben worden sind, der neu entscheidende Tatrichter umfassende eigene Feststellungen treffen und in den Urteilsgründen mitteilen muss (vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 42 m.w.N.). Nur wenn die neue Hauptverhandlung die Richtigkeit der Feststellungen des aufgehobenen Urteils ergeben hat, dürfen sich die neuen Feststellungen an diese anlehnen; es ist dann sogar zulässig, in dem Umfang den Text des aufgehobenen Urteils wörtlich zu übernehmen (vgl. Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 354 Rdn. 71; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 46; beide m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Die im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Feststellungen können offensichtlich nicht allein auf Grund des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung abgelegten Geständnisses getroffen sein; eine weitere Beweiserhebung, etwa durch Vernehmung der Geschädigten oder gegebenenfalls durch Verlesung von Niederschriften über ihre früheren Vernehmungen, ist nicht erfolgt.
Rz. 6
2. Die vom Landgericht für die vier rechtskräftig festgestellten Taten verhängten maßvollen Einzelstrafen werden von der Aufhebung der Schuldsprüche in den übrigen Fällen nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Kuckein, Solin-Stojanović, Mutzbauer
Fundstellen
Haufe-Index 2564928 |
NStZ-RR 2009, 148 |
NStZ-RR 2010, 6 |