Entscheidungsstichwort (Thema)
bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 11.01.2010) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 11. Januar 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Gesamtstrafaussprüchen und im Ausspruch über den Teilvorwegvollzug der Freiheitsstrafe vor der Maßregel aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten – unter rechtskräftiger Teilfreisprechung – wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zwei Gesamtfreiheitsstrafen (zwei Jahre – unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem Berufungsurteil des Landgerichts Dresden vom 11. April 2006 – sowie fünf Jahre) verhängt. Das Landgericht hat ferner zwei Monate der ersten Gesamtfreiheitsstrafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung für vollstreckt erklärt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet, wobei insgesamt ein Jahr und sechs Monate aus den Gesamtfreiheitsstrafen vorab zu vollstrecken seien. Die Revision des Angeklagten hat lediglich zur (mehrfachen) Gesamtstrafbildung Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtmittel unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Zu den Verfahrensrügen bemerkt der Senat ergänzend, insoweit abweichend von der Begründung im Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts:
Rz. 3
Die auf Verletzung des § 265 Abs. 3 StPO gestützte Verfahrensrüge scheitert an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer hat eine vollständige Mitteilung der zwei Monate vor dem rechtlichen Hinweis erfolgten Verfahrensvorgänge aus der Hauptverhandlung unterlassen (Protokollband Bl. 89), aus denen die Strafkammer bei der Ablehnung des Aussetzungsantrags die genügende Vorbereitung der Verteidigung abgeleitet hat. In der Sache würde der Senat aus § 265 Abs. 3 StPO hier keinen unbedingten Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung herleiten, die im Übrigen nahe liegend mit Abtrennung des Verfahrens in dem allein betroffenen Einzelfall zu verbinden gewesen wäre. Anders als in dem weitaus gewichtigeren Fall des 2. Strafsenats in BGHSt 48, 183 dürfte bei dem hier in Frage stehenden Übergang von § 29a BtMG auf die Qualifikation des § 30a BtMG in einem von mehr als zehn angeklagten Fällen eine angemessene Unterbrechung der Hauptverhandlung in sachgerechter erweiterter Auslegung der Verfahrensvorschrift als ausreichend anzusehen sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 265 Rdn. 37).
Rz. 4
2. Sachlichrechtlich sind Schuldsprüche, Einzelstrafaussprüche, Strafabschlag und Maßregelausspruch rechtsfehlerfrei. Indes hat die Strafkammer § 55 StGB rechtsfehlerhaft angewendet. Nicht das genannte Berufungsurteil bildete eine Zäsur, sondern das nach Begehung der darin abgeurteilten Taten ergangene Urteil des Amtsgerichts Kamenz vom 25. Mai 2004, hinsichtlich dessen Geldstrafe die Berufungsstrafkammer aber nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von einer Gesamtstrafbildung abgesehen hatte (UA S. 10; vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl. § 55 Rdn. 9a mit Rspr.-Nachw.). An dieser Zäsurwirkung ändern zwischenzeitliche Geldstrafenvollstreckungen mangels Erledigung der Freiheitsstrafe nichts, weil die untereinander gesamtstraffähigen Sanktionen als Einheit zu betrachten sind (BGH, Beschluss vom 15. September 2010 – 5 StR 325/10). Da später vor Beendigung der gesamten Tatserie gegen den Angeklagten verhängte Geldstrafen nach den Feststellungen erledigt sind (UA S. 12 f.), hätte aus allen Einzelstrafen eine einzige Gesamtfreiheitsstrafe gebildet werden müssen. Es liegt zwar eher fern, dass diese milder ausfallen könnte als die nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nun maßgebliche Obergrenze von sechs Jahren und sieben Monaten (Summe der beiden bislang verhängten Gesamtfreiheitsstrafen abzüglich der Strafe aus dem Berufungsurteil, hinsichtlich dessen rechtsfehlerhaft eine Einbeziehung erfolgt ist und nunmehr ein Widerruf der Strafaussetzung droht, vgl. UA S. 11). Der Senat kann dies indes, entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts, nicht im Sinne fehlender Beschwer sicher ausschließen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem bloßen Subsumtionsfehler nicht.
Rz. 5
Die Anrechnung von zwei Monaten wegen überlanger Verfahrensdauer bleibt aufrecht erhalten, nunmehr bezogen auf die neu zu bildende einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe. Ein Vorwegvollzug vor der Maßregel nach § 64 StGB, der hinsichtlich der bisherigen Gesamtstrafen zutreffend angeordnet war (UA S. 105), wäre gemessen an der Höhe der neuen Gesamtfreiheitsstrafe neu zu bestimmen, wird sich indes aufgrund der zwischenzeitlich weiter vollzogenen Untersuchungshaft wohl erübrigen (vgl. Fischer aaO § 67 Rdn. 9a).
Unterschriften
Basdorf, Brause, Schaal, König, Bellay
Fundstellen
Haufe-Index 2529645 |
NStZ-RR 2011, 169 |
NStZ-RR 2013, 103 |