Tenor
Der Antrag des Generalbundesanwalts vom 2. Oktober 2019, den Beschluss des Senats vom 23. Juli 2019 aufzuheben und das Verfahren fortzusetzen, wird abgelehnt.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht München I hat den Angeklagten mit Urteil vom 21. Dezember 2018 wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 23. Juli 2019 das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben und insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen; die weitergehende Revision des Angeklagten wurde nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Rz. 2
1. Eine erneute Hauptverhandlung hat bislang noch nicht stattgefunden. Die Staatsanwaltschaft hat vielmehr die Akten dem Senat über den Generalbundesanwalt erneut zugeleitet mit dem Antrag, den Senatsbeschluss vom 23. Juli 2019 aufzuheben und das Verfahren fortzusetzen. Dem vom Generalbundesanwalt gestellten Antrag bleibt der Erfolg versagt.
Rz. 3
Dem Antrag liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Rz. 4
Nachdem das Schreiben des Angeklagten, mit dem er gegen das Urteil des Landgerichts München I Revision eingelegt hatte, verspätet beim Landgericht eingegangen war, hat der Senat ihm antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Das gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Urteil des Landgerichts war zu diesem Zeitpunkt bereits zu den Akten gebracht und ausgefertigt worden. Eine Ausfertigung des 13-seitigen Urteils gelangte zum Senatsheft. Das Landgericht hat das Urteil nach gewährter Wiedereinsetzung gemäß § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO ergänzt und dem Verteidiger zugestellt, der die Revision daraufhin (nochmals) mit der allgemeinen Sachrüge begründete. Während die Revisionsbegründungen in beglaubigter Kopie zum Senatsheft genommen wurden, unterblieb dies bei dem nunmehr 27 Seiten umfassenden, ergänzten Urteil des Landgerichts. Sowohl der Generalbundesanwalt, der die unterbliebene Erörterung der Voraussetzungen des § 64 StGB als rechtsfehlerhaft erachtete und insoweit die Aufhebung des Urteils gemäß § 349 Abs. 4 StPO beantragte, als auch der Senat bei seiner Entscheidung vom 23. Juli 2019, legten die gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzte Fassung und nicht die ergänzte Fassung des Urteils zugrunde.
Rz. 5
2. Dem Senat ist die Aufhebung seines Beschlusses vom 23. Juli 2019 aus Rechtsgründen verwehrt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Entscheidungen des Revisionsgerichts grundsätzlich weder aufgehoben noch abgeändert werden. Das gilt nicht nur für nach § 349 Abs. 2 StPO ergangene Beschlüsse über die Verwerfung der Revision, durch die das Verfahren wie durch ein Verwerfungsurteil nach § 349 Abs. 5 StPO rechtskräftig abgeschlossen wird, sondern auch für einen allein nach § 349 Abs. 4 StPO gefassten Beschluss, mit dem die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Tatgericht zurückverwiesen wird und der deshalb lediglich formelle Rechtskraft erlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2015 – 4 StR 24/15 Rn. 8 mwN). Ein Bedürfnis der Rechtspflege und der Allgemeinheit nach Rechtssicherheit verbietet es deshalb auch im Revisionsverfahren, einen Eingriff in die Rechtskraft einer gerichtlichen Sachentscheidung zuzulassen, es sei denn, die Voraussetzungen der speziell für diesen Verfahrensabschnitt geltenden Ausnahmevorschrift des § 356a StPO wären erfüllt, wonach die Entscheidung des Revisionsgerichts unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zustande gekommen ist (vgl. BGH, aaO mit weiteren Ausnahmen). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eines Beteiligten durch die Senatsentscheidung vom 23. Juli 2019 liegt mit Blick auf die Antragstellung des Generalbundesanwalts im Beschlussverfahren nach § 349 StPO indes nicht vor.
Rz. 6
Die vom 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zu beurteilende Sachverhaltskonstellation in seiner Entscheidung vom 10. September 2015 (4 StR 24/15) ist auch nicht mit dem vorliegenden Verfahrensgang vergleichbar. Der Senat hat seine Sachentscheidung zwar auch versehentlich auf einer unzutreffenden tatsächlichen Grundlage getroffen. Dies beruhte aber nicht auf einem Versehen, das sich erst – wie im Verfahren 4 StR 24/15 – nachträglich herausstellte, sondern war Folge, dass der von der Tatsacheninstanz vollständig vorgelegte Akteninhalt nicht vollständig – soweit der Inhalt für die Revisionsentscheidung erforderlich ist – zum Senatsheft gelangte. Ein solches Versehen in der Revisionsinstanz vermag jedoch einen Eingriff in die materielle oder formelle Rechtskraft einer Entscheidung im Revisionsverfahren nicht zu rechtfertigen.
Unterschriften
Raum, Bellay, Fischer, Bär, Pernice
Fundstellen
Haufe-Index 13587274 |
NStZ 2020, 309 |
NStZ 2020, 8 |