Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments durch einen Ehegatten ist erforderlich, daß dem abwesenden anderen Ehegatten eine Ausfertigung (nicht nur vom Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschrift) der Widerrufsverhandlung übermittelt wird (Bestätigung von BGHZ 31, 5).

 

Normenkette

BGB §§ 2271, 2293

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers wird der wird der Beschluß der 83. Zivilkammer des Landesgerichts in Berlin vom 30 November 1960 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde übertragen wird.

Das Beschwerdeverfahren und das Verfahren der weiteren Beschwerde sind gebührenfrei; Auslagen werden nicht erhoben.

Der Geschäftswert wird für das Beschwerdeverfahren und das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 100.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der am 17. Januar 1960 im Alter von 81 Jahren verstorbene Fabrikant Constantin G… hinterließ bei seinem – Tode seine Ehefrau Adelaide G…, geb. S…, (Beteiligte zu 2) und eine Tochter, Frau Sigrid W…, verw. Gräfin von R…, geb. G…, (Beteiligte zu 3). Aus der Ehe der Tochter mit dem verstorbenen Caspar Graf von R… sind drei Kinder hervorgegangen, der volljährige Student Wolff Graf von R…, die ebenfalls volljährige Benita Gräfin von R… und der am 25. Juli 1945 geborene Caspar Graf von R… (Beteiligter zu 4). Der Erblasser war bis zum Jahre 1955 persönlich haftender Gesellschafter, seine Ehefrau Kommanditistin der Kommanditgesellschaft D…A…G… & Co. In B…-Z…

Der Erblasser hatte am 3. Mai 1951 mit seiner Ehefrau ein eigenhändiges Testament errichtet, dessen § 1 folgende Bestimmung enthält:

„Wir, die Ehegatten Constantin G… und Adelaide G… geb. S… setzen uns für den Fall des Ablebens eines von uns beiden hiermit gegenseitig zu Erben zur einen Hälfte, unsere Tochter Sigrid W… verw. Gräfin von R… geb. G… zur anderen Hälfte ein.”

Nach § 3 des Testaments soll der Überlebende in der Verfügung über seinen dereinstigen Nachlaß nicht beschränkt sein. In den §§ 5 und 6 des Testaments bestimmten die Eheleute weiter, daß die mit ihren Kapitalanteilen an der Kommanditgesellschaft D…A…G… & Co. verbundenen Gesellschafterstimmrechte, soweit die Kapitalanteile auf Grund des § 1 des Testaments auf die Tochter übergehen würden, nicht dieser, sondern dem überlebenden Ehegatten auf dessen Lebenszeit zustehen sollten.

In einer notariellen Verhandlung vom 1. Juni 1954 erklärte der Erblasser, daß er das gemeinschaftliche Testament widerrufe mit der Bitte, ihm eine Ausfertigung der Verhandlung zwecks Zustellung an seine Ehefrau und eine einfache Abschrift für ihn selbst zu erteilen. Beide Urkunden übergab er dem Gerichtsvollzieher zur Zustellung an seine Ehefrau. Die Abschrift enthielt den handschriftlichen Zusatz: „Beglaubigt: (Unterschrift) Rechtsanwalt”. Der mit der Zustellung beauftragte Gerichtsvollzieher übergab am 4. Juni 1954 diese Abschrift, nachdem er sie mit dem Vermerk: „Beglaubigt: H… Obergerichtsvollzieher” versehen hatte, der Post zur Zustellung an die Ehefrau G…, der laut Postzustellungsurkunde vom 8. Juni 1954 die Abschrift übergeben wurde.

Ebenfalls am 1. Juni 1954 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er seine Ehefrau und Tochter von der Erbfolge ausschloß und beide auf den Pflichtteil setzte.

Durch notariellen Vertrag vom 23. Juli 1955 setzten sich die Gesellschafter der D…A…G… & Co., nämlich der Erblasser, seine Ehefrau, seine Tochter und deren Ehemann Werner W… sowie die drei Enkel des Erblassers über das Gesellschaftsvermögen in der Weise auseinander, daß ein Teil der Werke dem Erblasser, ein anderer Teil den übrigen Gesellschaftern für eine neu zu errichtende Kommanditgesellschaft zugewiesen wurde. In § 21 dieses Vertrages heißt es:

„Mit Vertragsabschluß werden die Beteiligten Erbverträge abschließen, die gewährleisten, daß ihr Anteil am Betriebsvermögen der geteilten Kommanditgesellschaft unter der Firma D… A… G… & Co. mit dem Tod der bisherigen Gesellschafter auf die in der Einleitung zu Ziff. 5, 6 und 7 genannten Enkel des Herrn H. C. G… übergeht.

………”

In Ausführung dieser Bestimmung schloß der Erblasser am 23. Juli 1955 mit seinen drei Enkeln einen Erbvertrag, durch den er das ihm bei der Auseinandersetzung zugefallene Betrietsvermögen seinen Enkeln zu je einem Drittel als Vermächtnis zuwandte. Erbverträge entsprechenden Inhalts schlossen die Ehefrau des Erblassers und seine Tochter mit ihren Enkeln bzw. Kindern.

In einem notariellen Testament vom 10. November 1958 widerrief der Erblasser sämtliche früheren Verfügungen von Todes wegen mit Ausnahme des Erbvertrages vom 23. Juli 1955, bestimmte unter Ausschluß seiner übrigen Angehörigen seinen jüngsten Enkel Caspar Graf von R… (Beteiligten zu 4) Zu seinem alleinigen Erben, setzte Vermächtnisse aus und ordnete eine Testamentsvollstreckung an. Der unverheirateten Gertrud L… vermachte er außer beweglichen Sachen das Grundstück B…-Z…, A… Allee 7. Zum Testamentsvollstrecker ernannte er den Rechtsanwalt Joseph L… in B… (Antragsteller). Dem Testamentsvollstrecker übertruge die Ausführung der letztwilligen Verfügung und die Verwaltung des Nachlasses bis zum 30. Lebensjahr des Erben; jedoch sollte die Testamentsvollstreckung sich nicht auf die Vermögenswerte erstrecken, die der Erblasser durch den Erbvertrag vom 23. Juli 1955 seinen Enkeln zugewandt hatte. In Ergänzung dieses Testamentes ordnete der Erblasser durch ein Testament vom 14. Januar 1960 weitere Vermächtnisse an.

Rechtsanwalt L… hat das Amt als Testamentsvollstreckers durch Erklärung gegenüber dem Nachlaßgericht angenommen und beantragt, ihm ein Testamentsvollstreckungszeugnis zu erteilen. Er hat dazu vorgetragen, das gemeinschaftliche Testament stehe – abgesehen davon, daß es widerrufen sei – der Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht entgegen. Die Eheleute G… hätten seit dem 1. Januar 1953 getrennt gelebt. Es sei zwischen dem Erblasser zwischen dem Erblasser und seiner Ehefrau sowie seiner Tochter und deren Ehemann zu schwerwiegenden, insbesondere auf finanziellem und wirtschaftlichem Gebiet liegenden Differenzen gekommen, die zu verschiedenen Prozessen geführt hätten. Infolge dieser Auseinandersetzungen habe der Erblasser das gemeinschaftliche Testament widerrufen und später den Auseinandersetzungsvertrag geschlossen. Die Antragsgegnerinnen haben dazu geltend gemacht, die Regelung in dem gemeinschaftlichen Testament sei sachgemäß und vernünftig gewesen und auch der Erblasser würde hieran festgehalten haben, wenn nicht im Alter fremde Einflüsse und ein tiefer Haß gegen die Familie seinen Blick getrübt hätten. Der Antragsteller meint, eine ergänzende Testamentsauslegung müsse dazu führen, daß die Ehegatten bei vorausschauende Berücksichtigung der später eingetretenen Änderung der Verhältnisse die Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen nicht mehr gewollt hätten. Schließlich hätten die Eheleute G… das gemeinschaftliche Testament auch durch den Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages und der aufeinander abgestimmten Erbverträge, die im Widerspruch zu dem gemeinschaftlichen Testament ständen, durch gemeinsames Handeln aufgehoben.

Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses zurückgewiesen mit der Begründung, daß das gemeinschaftliche Testament, das der Anordnung der Testamentsvollstreckung entgegenstehe, weder wirksam widerrufen noch aufgehoben worden sei. Die Beschwerde des Antragstellers hatte keinen Erfolg. Mit der weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag weiter.

Das Kammergericht möchte der weiteren Beschwerde stattgeben, sieht sich jedoch an der beabsichtigten Entscheidung durch das Urteil des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 28. September 1959 (BGHZ 31, 5 = DNotZ 1960, 260 = NJW 1960, 33 = MDR 1960, 33) gehindert und hat deshalb die weitere Beschwerde dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (Beschluß des Kammergerichts vom 22. Juni 1961, abgedruckt DNotZ 1961, 603).

II.

A) Die Voraussetzungen für die Vorlegung der Sache (§ 28 Abs. 2 FGG) sind gegeben, weil das Kammergericht, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, bei der Auslegung einer reichs- (bundes-) gesetzlichen Vorschrift, die eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne des § 1 FGG betrifft, von der vorbezeichneten Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweichen will.

B) Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 FGG zulässig; sie muß zur Aufhebung der Vorentscheidungen führen.

Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (§ 2368 Abs. 1 Satz 1 BGB) kann nur entsprochen werden, wenn der Erblasser im Testament vors 10. November 1958 wirksam eine Testamentsvollstreckung angeordnet hat. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Erblasser durch das gemeinschaftliche Testament vom 3. Mai 1951 in seiner Testierfreiheit nicht beschränkt war, sei es, daß das gemeinschaftliche Testament keine wechselbezüglichen Verfügungen am Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB enthält, oder daß der Erblasser infolge Widerrufs oder Aufhebung etwaiger wechselbezüglicher Verfügungen nicht mehr an das gemeinschaftliche Testament gebunden war. Ein Erblasser kann zwar wechselbezügliche Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments bei Lebzeiten des anderen Ehegatten nicht einseitig durch eine neue Verfügung von Todes wegen aufheben (§ 2271 Abs. Abs. 1 Satz 2 BGB). Er kann sie jedoch bei Lebzeiten des anderen Ehegatten widerrufen. Der Widerruf geschieht gemäß § 2271 Abs. 1 Satz BGB nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschriften des § 2296 BGB. Der Rücktritt von einem Erbvertrag erfolgt hiernach durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragschließenden. Die Erklärung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung (§ 2296 Abs. 2 BGB).

1. Das Amtsgericht und auch das Landgericht gehen übereinstimmend davon aus, daß es sich bei dem gemeinschaftlichen Testament vom 3. Mai 1951 um ein wechselbezügliches Testament im Sinne des § 2270 BGB handelt, durch das der Erblasser an de Einsetzung eines Testamentsvollstreckers gehindert gewesen sei. Die Vorinstanzen sind der Auffassung, daß ein wirksamer Widerruf nicht vorliege, weil der Ehefrau des Erblassers nicht eine Ausfertigung, sondern nur eine von einem einem Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschrift der Widerrufserklärung zugestellt worden sei. Im übrigen führt das Landgericht aus, es sei anerkannt, daß eine wechselbezügliche Verfügung von Todes wegen auch durch gemeinschaftliches Handeln, insbesondere einen widersprechenden Erbvertrag, widerrufen werden könne. Es könne jedoch dahingestellt bleiben, ob der Erblasser und seine Ehefrau überhaupt einen gemeinschaftlichen Erbvertrag geschlossen hätten, und ob durch einen Erbvertrag, in dem lediglich Vermächtnisse ausgesetzt seien, ein gemeinschaftliches, Erben einsetzendes Testament widerrufen werden könne. Selbst wenn man in den Erbverträgen, die am selben Tage und am selben Ort und unter jeweiliger Bezugnahme auf den Teilungsvertrag abgeschlossen seien, einen gemeinschaftlichen Erbvertrag sehen wollte, so liege darin kein Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments. Während sich nämlich das gemeinschaftliche Testament sowohl auf das Privatvermögen wie auch auf das Geschäftsvermögen bezogen habe, hätten die Erbverträge lediglich das Geschäftsvermögen, das dem Erblasser und seiner Ehefrau nach der Durchführung des Teilungsvertrages zugefallen sei, zum Gegenstand gehabt. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob in dem Abschluß der Erbverträge hinsichtlich des Geschäftsvermögens ein teilweiser Widerruf des Testaments vom 3. Mai 1951 zu erblicken sei; denn das gemeinschaftliche Testament sei hinsichtlich des Privatvermögens durch die Erbverträge nicht berührt und auch nicht widerrufen worden. Infolgedessen habe der Erblasser, der die Testamentsvollstreckung ausschließlich in Bezug auf dieses Vermögen habe anordnen wollen, eine wirksame Einsetzung eines Testamentsvollstreckers nicht vornehmen können. Eine so weitgehende Änderung der Verhältnisse, die zu der Annahme berechtige, daß auch die Ehefrau des Erblassers an dem gemeinschaftlichen Testament nicht mehr habe festhalten wollen, liege nicht vor.

2. Nach dem Urteil des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) ist zum Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testamentes durch einen Ehegatten erforderlich, daß dem abwesenden anderen Ehegatten eine Ausfertigung (nicht Abschrift oder vom Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschrift) der Widerrufsverhandlung übermittelt wird. Das Kammergericht glaubt, dieser Auffassung nicht folgen zu können. Es meint, daß die Übergabe einer vom Gerichtsvollzieher beglaubigten Abschrift der Widerrufserklärung den gesetzlichen Erfordernissen genüge und führt dazu aus: Für die Art der Übermittlung des Widerrufs an den anderen Ehegatten sei eine Form nicht vorgeschrieben. Bei Zustellung einer öffentlichen Urkunde könne das zuzustellende Schriftstück eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift sein. Die Zustellungsvorschriften enthielten keine Bestimmung darüber, wann die Übergabe einer Ausfertigung erforderlich sei. Nach der Zivilprozeßordnung sei die Übergabe einer Ausfertigung nur in einigen bestimmten Fällen vorgeschrieben. Die gesetzliche Regelung des Zustellungswesens bestehe darin, daß die ursprüngliche Verkörperung der einem anderen gegenüber abzugebenden oder ihm mitzuteilenden Gedankenäußerung grundsätzlich bei dem Absender verbleibe, während dem Empfänger eine andere Verkörperung der Gedankenäußerung, eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift, übergeben werde. In Ermangelung einer abweichenden, gesetzlichen Regelung genüge auch bei der Zustellung des Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testamentes die Übergabe einer von einer öffentlichen Urkundsperson beglaubigten Abschrift; denn auch die von der Urschrift, der Ausfertigung oder der beglaubigten Abschrift einer öffentlichen Urkunde genommene beglaubigte Abschrift stehe grundsätzlich der Urschrift gleich, da sie das Zeugnis enthalte, daß die Abschrift nach Form und Inhalt der Hauptschrift entspreche. Der Übermittlung der Urschrift oder der sie im Rechtsverkehr vertretenden Ausfertigung bedürfe es nur, wenn an den Besitz der Urkunde eine Legitimationswirkung geknüpft sei, wovon bei der Zustellung einer Widerrufserklärung keine Rede sein könne. Die Übergabe einer von dem Gerichtsvollzieher beglaubigten Abschrift der (Urschrift oder Ausfertigung der) gerichtlich oder notariell beurkundeten Widerrufserklärung erfülle alle Erfordernisse des Gesetzes und werde dem mit der gesetzlichen Regelung bezweckten Schutz des anderen Ehegatten hinreichend gerecht. Daß die der Ehefrau des Antragstellers übergebene beglaubigte Abschrift der Widerrufserklärung nicht den Ausfertigungsvermerk enthalte und sich als beglaubigte Abschrift der Urschrift darstelle, sei unerheblich. Selbst wenn man den Zustellungsakt als solchen für unwirksam halten wollte, sei doch die Widerrufserklärung der Ehefrau des Erblassers zugegangen, da die beglaubigte Abschrift ihr selbst übergeben worden sei.

3. Die im Testament vom 10. November 1958 angeordnete Testamentsvollstreckung bezieht sich zwar nicht auf das gemeinschaftliche Testament vom 3. Mai 1951, sondern auf die im Testament vom 10. November 1958 enthaltene Erbeinsetzung des Enkels des Erblassers. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung ist jedoch nur dann wirksam, wenn die Erbeinsetzung des Enkels mit einer wechselbezüglichen Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments nicht imrr; Widerspruch steht. Einer Prüfung der Frage, ob und inwieweit das gemeinschaftliche Testament wechselbezügliche Verfügungen im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB enthält, würde es allerdings nicht bedürfen, wenn, wie das Kammergericht meint, ein wirksamer Widerruf vorliegt. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Auffassung des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, daß wechselbezügliche Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testamentes durch Zustellung einer beglaubigten Abschrift nicht wirksam widerrufen werden können, daß vielmehr die Zustellung einer Ausfertigung der Widerrufsverhandlung erforderlich sei, steht in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung (KG DNotZ 1933, 578; OLG Düsseldorf NJW 1949, 789; OLG Köln DNotZ 1955, 392; RG DNotZ 1940, 152) und der überwiegend im Schrifttum vertretenen Ansicht (vgl. Achilles/Greiff, BGB, 20. Aufl., § 2296, Anm. 1 a, § 2271, Anm. 3; Erman/Hense, BGB 2. Aufl., § 2296 Anm. 1, § 2271, Anm. 3 b aa; Palandt, BGB, 20. Aufl. § 2296, Anm. 1, § 2271 Anm. 2 B a; Planck, BGB, 4. Aufl., § 2296, Anm. 3; BGB RGRK, 11. Aufl., § 2296 Anm. 3, § 2271, Anm. 5; Soergel/Siebert, BGB, 9. Aufl., § 296, Anm. 1, § 2271, Anm. 3; Staudinger/Dittmann, BGB, 10./11. Aufl., § 2296 Anm. 7, § 2271, Anm. 15; Bartholomeyczik, Erbrecht, 4. Aufl., § 26 VII 3 S. 137). Abgelehnt wird die Entscheidung, soweit ersichtlich, nur von Hieber (DNotZ 1960, 240), Jansen (NJW 1960, 475) und Röll (DNotZ 1961, 312). Der entscheidende Senat schließt sich der Rechtsauffassung des III. Zivilsenats an. Die abweichenden Ausführungen des Kammergerichts geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß.

a) Das Kammergericht geht zutreffend davon aus, daß für die Art der Übermittlung der Widerrufserklärung keine Form vorgeschrieben ist, so daß auch eine formlose Übergabe oder Übersendung genügen würde; denn die Bestimmung, daß der Widerruf durch gerichtlich oder notariell beurkundete Erklärung den anderen Ehegatten gegenüber zu erfolgen hat, besagt nichts darüber, in welcher Weise die Widerrufserklärung dem anderen Teil zu übermitteln ist. Das Gesetz bestimmt jedoch, daß der gerichtlich oder notariell zu beurkundende Widerruf dem anderen Ehegatten gegenüber zu erklären ist. Infolgedessen muß, wie der III. Zivilsenat mit Recht ausführt, die beurkundete Widerrufserklärung, da nur sie eine wirksame Erklärung im Sinne des § 2296 BGB ist, dem anderen Ehegatten übermittelt werden. Bei gerichtlichen oder notariellen Urkunden kommt allerdings eine Aushändigung der Urschrift nicht in Betracht, da sie in der Verwahrung des Gerichts oder Notars bleibt (Art. 42 PrFGG). Die Urschrift wird vielmehr für den Rechtsverkehr ersetzt durch eine Ausfertigung, die denselben öffentlichen Glauben trägt wie die Urschrift, während eine beglaubigte Abschrift nicht mehr als die Übereinstimmung der Abschrift mit einer Urkunde beweist, also nicht die empfangsbedürftige Erklärung selbst ist. Die beglaubigte Abschrift ersetzt deshalb die Urschrift nicht.

Die Auffassung des Kammergerichts, daß die von der Urschrift, der Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift, einer öffentlichen Urkunde genommene beglaubigte Abschrift grundsätzlich der Urschrift gleichstehe, ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Die vom Kammergericht angeführten Entscheidungen (RJA 1, 130; KGJ 20, 285; 25, 120) und Zitate aus dem Schrifttum (Schlegelberger, FGG, 7. Aufl., Art. 57 PrFGG, Anm. 9; Güthe/Triebel, GBO 6. Aufl., § 29 Anm. 137; Henke/Mönch/Horber, GBO 6. Aufl., § 29, Anm. 8 c; Meikel/Imhof/Riedel, Grundbuchrecht 5. Aufl., GBO § 29 Anm. 83) 1, die besagen, daß eine beglaubigte Abschrift der Urschrift gleichzustellen sei, betreffen Fälle, in denen es sich um den Nachweis des Inhaltes einer öffentlichen Urkunde handelt. Insoweit wird der beglaubigten Abschrift die gleiche Beweiskraft beigelegt wie der Urschrift oder einer Ausfertigung. Dagegen wird die Übergabe oder Vorlegung einer Ausfertigung für erforderlich erachtet in allen Fällen, in denen an die Übergabe oder den Besitz der Urkunde zivilrechtliche Wirkungen geknüpft werden (vgl. Schlegelberger, a.a.O., Anm. 10; Henke/Mönch/Horber, a.a.O.; Meikel/Imhof/Riedel, a.a.O.). Im gegenwärtigen Verfahren handelt es sich nicht darum, ob die Beurkundung der Widerrufserklärung durch eine beglaubigte Abschrift bewiesen werden kann, sondern um die Frage, in welcher urkundlichen Form die Widerrufserklärung beim Zugang an den anderen Ehegatten vorliegen muß. Es trifft deshalb nicht zu, daß es beim Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testamentes, wie Röll (a.a.O.) meint, nur auf die Übermittlung des Inhaltes der Erklärung ankomme.

Zu Unrecht glaubt das Kammergericht, die Rechtsauffassung des III. Zivilsenats könne nicht auf die von ihm angeführte Rechtsprechung gestützt werden. Es ist zwar richtig, daß in den vom Kammergericht, vom Oberlandesgericht Düsseldorf und vom Reichsgericht entschiedenen Fällen nicht darüber zu befinden war, ob die Übergabe einer beglaubigten Abschrift der Widerrufserklärung ausreichend sei. Gegenstand der Entscheidung des Kammergerichts war die Übermittlung einer einfachen Abschrift der Widerrufsverhandlung. Das Urteil des Reichsgerichts betraf eine mündliche Mitteilung, die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf eine von einem Rechtsanwalt beglaubigte Widerrufserklärung. In sämtlichen Entscheidungen ist jedoch eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß zur Wirksamkeit des Widerrufs dem anderen Ehegatten eine Ausfertigung der Widerrufserklärung zugehen müsse. Der Hinweis auf die Ausführungen im Beschluß des Senats vom 13. Juli 1959 (BGHZ 30, 261, 265) über den gesetzlichen Zweck der Erschwerung des Widerrufs einer wechselbezüglichen Verfügung vermag die Auffassung des Kammergerichts ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Diese Ausführungen haben ebenso wie die Tatsache, daß das Erfordernis der öffentlichen Beurkundung der Widerrufserklärung und die Empfangsbedürftigkeit dieser Willenserklärung auch den Zweck verfolgen, beiden Teilen den Beweis des Widerrufs zu sichern, mit der Frage, ob eine Ausfertigung der Widerrufsverhandlung zu übermitteln ist, oder ob eine beglaubigte Abschrift genügt, nichts zu tun.

Es ist deshalb daran festzuhalten, daß der Widerruf einer wechselseitigen Verfügung eines gemeinschaftlichen Testaments durch Übermittlung einer Ausfertigung der Widerrufserklärung zu erfolgen hat.

b) Nach § 130 Abs. 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem Abwesenden gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Wenn danach auch für die Wirksamkeit des Widerrufs einer wechselseitigen Verfügung eine formlose Übergabe oder Übersendung genügt, so kommt doch praktisch für die Übermittlung des Widerrufs nur die ein gesetzliches Ersatzmittel für den Zugang der Erklärung bildende Zustellung (§ 132 Abs. 1 BGB) in Betracht, zumal da hierdurch nicht nur der Zugang, sondern auch die Art des zugestellten Schriftstücks bewiesen wird. Der Grundsatz, daß zur Wirksamkeit des Widerrufs eine Ausfertigung übermittelt werden muß, gilt auch für den Fall einer Zustellung der Widerrufserklärung. Dies bedeutet, daß dem anderen Ehegatten eine Ausfertigung der Widerrufsverhandlung zugestellt werden muß. Für die Zustellung einer Willenserklärung sind gemäß § 132 Abs. 1 Satz 2 BGB die Vorschriften der ZPO maßgebend. Nach § 170 Abs. 1 ZPO besteht die Zustellung, wenn eine Ausfertigung zugestellt werden soll, in deren Übergabe, in den übrigen Fällen in der Übergabe einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks. Zutreffend sind die Ausführungen des Kammergerichts über das Zustellungsverfahren. Hiernach sind bei jeder Zustellung zwei Schriftstücke zu unterscheiden, einmal das zuzustellende Schriftstück (eine Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift) und das dem Empfänger zu übergebende Schriftstück. Der Gerichtsvollzieher behält das zuzustellende Schriftstück (bei privatschriftlichen Erklärungen die Urschrift) und gibt dieses an den Auftraggeber zurück, während der Empfänger eine von dem Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschrift erhält. Ist das zuzustellende Schriftstück eine öffentliche Urkunde, so kann das zu übergebende Schriftstück eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift sein. Die Zivilprozeßordnung enthält keine allgemeinen Vorschriften darüber, wann dem Empfänger bei der Zustellung eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift zu übergeben ist. Nur in ganz bestimmten Fällen (§§ 377, 402, 1039 ZPO) ist die Zustellung einer Ausfertigung vorgeschrieben. Bei der Abgabe einer Widerrufserklärung handelt es sich nicht um einen prozessualen Vorgang, sondern um ein den Regeln des materiellen Rechts unterliegendes Rechtsgeschäft. Die Frage, ob dem anderen Ehegatten eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift zuzustellen ist, muß deshalb nach den Vorschriften des materiellen Rechts beantwortet werden. Infolgedessen kann auch die prozeßrechtliche Bestimmung des § 187 ZPO, nach der, wenn die formgerechte Zustellung eines Schriftstücks sich nicht nachweisen läßt, oder zwingende Zustellungsvorschriften verletzt sind, die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt angesehen werden kann, in dem das Schriftstück dem Prozeßbeteiligten zugegangen ist, auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Da, wie bereits ausgeführt, die beurkundete Widerrufserklärung in Form einer Ausfertigung dem anderen Ehegatten zugehen muß, ist, wenn für den Zugang der Widerrufserklärung die Zustellung gewählt wird, eine Ausfertigung zuzustellen, so daß dem anderen Ehegatten gemäß § 170 Abs. 1 ZPO eine Ausfertigung zu übergeben ist.

Dem Amtsgericht und dem Landgericht ist deshalb darin zuzustimmen, daß ein wirksamer Widerruf der in dem gemeinschaftlichen Testament etwa enthaltenen wechselbezüglichen Verfügungen des Erblassers nicht vorliegt. Die in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze, nach denen ein der gesetzlichen Form ermangelndes Rechtsgeschäft unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ausnahmsweise als wirksam zu behandeln ist, können entgegen der Auffassung des Antragstellers auf den vorliegenden Fall schon deshalb keine Anwendung finden, weil es sich, soweit die Übermittlung einer Ausfertigung der Widerrufserklärung für erforderlich gehalten wird, nicht um eine Formvorschrift, sondern um den Zugang der Widerrufserklärung selbst und damit um ein materiell-rechtliches Erfordernis für das Wirksamwerden des Widerrufs handelt. Es kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des III. Zivilsenats verwiesen werden. Die Bemerkung des Beschwerdeführers, die Argumentation des III. Zivilsenats würde dazu führen, daß eine Widerrufserklärung, die lediglich in Schriftform (also unter Verletzung gesetzlicher Formvorschriften) erfolgt und dem anderen Ehegatten etwa durch Boten oder persönlich übergeben worden sei, unter Umständen nach Treu und Glauben als wirksam angesehen werde, daß dies aber bei gleicher Sachlage nicht gelten könnte, wenn die Widerrufserklärung notariell beurkundet und dem anderen Ehegatten in beglaubigter Abschrift zugestellt worden sei, ist unrichtig.

4. Die Frage, ob die Ehegatten das gemeinschaftliche Testament, soweit es wechselbezüglich sein sollte, durch gemeinsames Handeln aufgehoben haben, ist vom Landgericht und auch vom Kammergericht ohne Rechtsirrtum verneint worden. Von den Möglichkeiten der Aufhebung eines gemeinschaftlichen Testamentes durch gemeinsames Handeln der Ehegatten könnte lediglich der Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages in Verbindung mit dem Abschluß der Erbverträge in Betracht gezogen werden. Durch einen Erbvertrag mit einem Dritten kann ein Ehegatte seine wechselbezüglichen Verfügungen nicht widerrufen. Ein gemeinschaftlicher Erbvertrag zwischen dem Erblasser und seiner Ehefrau liegt nicht vor. Die Eheleute G… haben allerdings in dem Vertrag vom 23. Juli 1955, der in der für einen Erbvertrag vorgeschriebenen Form abgeschlossen ist, vereinbart, über das ihnen bei der Auseinandersetzung zugefallene Geschäftsvermögen Erbverträge mit ihren Enkeln abzuschließen, was dann auch am selben tage geschehen ist. Sie haben damit im gegenseitigen Einverständnis den Willen zum Ausdruck gebracht, ihre Anteile am Geschäftsvermögen den Enkeln zuzuwenden. Soweit danach in dem Auseinandersetzungsvertrag in Verbindung mit den Erbverträgen ein teilweiser Widerruf des gemeinschaftlichen Testamentes zu erblicken wäre, könnte dies eine Abänderung des gemeinschaftlichen Testaments nur in dem Umfang der in den Erbverträgen angeordneten Vermächtnisse, die sich lediglich auf das Betriebsvermögen beziehen, zur Folge haben. Die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen Erbeinsetzungen sind dadurch nicht berührt worden. Für die Annahme, daß die Ehefrau des Erblassers durch ihr Verhalten beim Abschluß der Verträge und in der Folgezeit dem Testament vom 10. November 1958 zugestimmt habe, fehlt jeder Anhaltspunkt. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob eine formlose Zustimmung der Ehefrau des Erblassers zu dem späteren Testament ihres Ehemannes die Bedeutung haben könnte, daß Frau G… die Bestimmungen dieses Testamentes gegen sich gelten lassen müßte. Das Urteil des Reichsgerichts vom 1. Dezember 1931 (RGZ 134, 325) betrifft einen anderen als den hier vorliegenden Sachverhalt.

Die Auffassung des Beschwerdeführers, die Anordnung der Testamentsvollstreckung sei auch in Bezug auf das Betriebsvermögen erfolgt, steht im Widerspruch zu der Bestimmung des Erblassers im Testament vom 10. November 1958, daß die Testamentsvollstreckung sich nicht auf die durch Erbvertrag den Enkeln zugewandten Vermögenswerte erstrecken soll. Einer Prüfung der Frage, welche Bedeutung der in dem Gesellschaftsvertrag vom 10. November 1958 angeblich enthaltenen Vereinbarung, daß beim Tode eines Gesellschafters im Falle einer von ihm angeordneten Testamentsvollstreckung der jeweilige Testamentsvollstrecker berechtigt sein solle, für die Dauer der Testamentsvollstreckung die Gesellschafterrechte der Erben oder Vermächtnisnehmer des verstorbenen Gesellschafters wahrzunehmen, bedarf es im gegenwärtigen Verfahren nicht, weil unabhängig von der Vereinbarung über die Befugnisse eines etwaigen Testamentsvollstreckers dem Antrag des Beschwerdeführers nur entsprochen werden kann, wenn in dem Testament vom 10. November 1958 wirksam eine Testamentsvollstreckung angeordnet ist.

5. Wegen der Unwirksamkeit des vom Erblasser erklärten Widerrufs ist eine Prüfung der Frage erforderlich, ob es sich bei den Verfügungen des Erblassers in dem gemeinschaftlichen Testament um wechselbezügliche Verfügungen im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB handelt. Das Landgericht hat diese Frage ohne nähere Begründung bejaht. Das gemeinschaftliche Testament, in dem die Eheleute G… zur einen Hälfte sich gegenseitig zu Erben eingesetzt und zur anderen Hälfte ihre Tochter als Erbin bestimmt haben, enthält zwei Verfügungen eines jeden Ehegatten. Bei einer Mehrheit von Verfügungen ist, wie auch das Kammergericht zutreffend ausführt, die Frage der Wechselbezüglichkeit für jede Verfügung besonders zu prüfen. Für die Beantwortung der Frage, ob die Verfügungen des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügungen des anderen getroffen sein würden, ist der Wille der Ehegatten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgebend, der durch Auslegung des Testamentes zu ermitteln ist. Soweit es sich um die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten handelt, bestehen nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB gegen die Bejahung der Wechselbezüglichkeit, da Anhaltspunkte für eine gegenteilige Auffassung nicht ersichtlich sind, keine Bedenken. Für die Erbeinsetzung der Tochter besteht dagegen hinsichtlich der Frage der Wechselbezüglichkeit keine Auslegungsregel, weil das Testament nur Verfügungen für den Fall des Todes des Erstversterbenden der Ehegatten enthält und deshalb die Vorschrift des § 2270 Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist. Aus der Wechselbezüglichkeit der gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten ist nicht ohne weiteres zu folgern, daß auch die Erbeinsetzung der Tochter wechselbezüglich sei. Es kommt deshalb darauf an, ob nach dem Willen der Eheleute die Erbeinsetzung der Tochter durch den Erblasser von dessen Erbeinsetzung durch die Ehefrau oder von der Erbeinsetzung der Tochter durch die Ehefrau abhängig sein sollte. Die Beantwortung dieser Frage ist Aufgabe des Tatrichters. Das Landgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen, so daß die Frage der Wechselbezüglichkeit vom Gericht der weiteren Beschwerde nicht geprüft werden kann. Dieser Umstand nötigt zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung. Es mag dazu bemerkt werden, daß das Gericht bei der Erforschung des Willens der Ehegatten nicht auf den Inhalt des Testaments beschränkt ist, vielmehr auch außerhalb des Testaments liegende Umstände zur Auslegung heranziehen kann. Von Bedeutung können dabei sein: Die Vermögensverhältnisse der Beteiligten zur Zeit der Testamentserrichtung, frühere oder spätere Äußerungen der Ehegatten, die etwaige Absicht einer besonderen Fürsorge für den Bedachten und auch die Tatsache, daß der Erblasser, da er eine Widerrufserklärung abgegeben hat, offensichtlich selbst von der Wechselbezüglichkeit seiner Verfügungen ausgegangen ist (vgl. dazu OLG München, HRR 1942, 839; KG KGJ 42, 119, 123; RGZ 116, 148, 150).

Falls die Erforschung des Willens der Ehegatten zu dem Ergebnis führen sollte, daß die Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung der Tochter des Erblassers zu verneinen sei, so wäre der Erblasser insoweit in der Verfügung über sein Vermögen nicht beschränkt gewesen, so daß die Erbeinsetzung des Enkels hinsichtlich der Hälfte des Nachlasses wirksam wäre (§ 1922 Abs. 2 BGB): In diesem Falle würde sich auch die Anordnung der Testamentsvollstreckung auf den dem Enkel zugefallenen Erbteil beschränken (vgl. KG, OLG 21, 329; OLG München, JFG 15, 262, 266).

6. Schließlich bleibt noch zu prüfen, ob die Wechselbezüglichkeit der gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten und auch die etwaige Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung der Tochter, falls diese bei der Testamentserrichtung gewollt war, infolge einer späteren Änderung der Verhältnisse verneint werden kann. Es ist anerkannt, daß im Wege der ergänzenden Auslegung, die darauf gerichtet ist, den Willen zu ermitteln, den die Beteiligten gehabt hätten, auch nach der Testamentserrichtung eingetretene unvorhergesehene Umstände berücksichtigt werden können. Das Landgericht hat zu dem vorbringen des Beschwerdeführers unter Hinweis auf den Beschluß des Oberlandesgerichts München vom 28. Juli 1943 (DFG 1943, 146), der einen Fall betraf, in dem der Ehemann nach Südamerika ausgewandert war, wo er sich mehrere Jahre aufhielt und schließlich in Verschollenheit geriet, lediglich ausgeführt, eine so weitgehende Veränderung der Verhältnisse, daß auch die Ehefrau des Erblassers an dem gemeinschaftlichen Testament nicht mehr habe festhalten wollen, liege nicht vor. Diese Bemerkung reicht zu einer erschöpfenden Würdigung des Vorbringens der Beteiligten nicht aus.

Nach den Grundsätzen über die ergänzende Testamentsauslegung wird zu prüfen sein, welchen Willen die Eheleute nach ihrer persönlichen Einstellung und nach der Lebenserfahrung voraussichtlich gehabt haben würden, wenn sie im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die spätere Entwicklung der Verhältnisse, insbesondere ihrer persönlichen Beziehungen, gekannt und berücksichtigt hätten, und ob sie für diesen Fall die Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen nicht gewollt haben würden (vgl. OLG München, HRR 1942, 839 und DNotZ 1944, 11; BGB RGRK, a.a.O., § 2270, Anm. 12; Staudinger/Dittmann, a.a.O., § 2270, Anm. 8). Der Senat hat hierzu im Urteil vom 27. April 1960 (V ZR 4/59) ausgeführt, daß hinsichtlich der ergänzenden Auslegung im allgemeinen Vorsicht geboten sein werde bei der Prüfung, ob die Beteiligten bei Kenntnis der späteren Veränderung der Verhältnisse die gegenseitige Abhängigkeit der Verfügungen voneinander nicht gewollt hätten. Eine Willensergänzung im Wege der ergänzenden Auslegung kann nur vorgenommen werden, wenn die für die Zeit der Testamentserrichtung an Hand des Testamentes, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Umständen außerhalb des Testaments oder der allgemeinen Lebenserfahrung festzustellende Willensrichtung beider Ehegatten dafür eine genügende Grundlage bildet (BGH vom 30. April 1953, IV ZR 244/52, LM Nr. 5 zu § 2084 BGB).

Die Annahme, daß die Eheleute G…, wenn sie im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die vorgetragenen Tatsachen – ihre Richtigkeit unterstellt – gekannt und berücksichtigt hätten, eine Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen nicht gewollt haben würden, erscheint nach Lage der Sache nicht von vornherein ausgeschlossen. Ob die Voraussetzungen für eine ergänzende Testamentsauslegung im vorstehenden Sinne gegeben sind, hat der Tatrichter auf Grund der von ihm anzustellenden Ermittlungen zu entscheiden.

C) Die Sache ist deshalb unter Aufhebung der angefochtenen Beschlusses zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen worden, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu übertragen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609392

BGHZ, 201

NJW 1962, 736

DNotZ 1962, 324

MDR 1962, 292

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