Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 03.04.2013) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 3. April 2013 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte im Fall 2 der Urteilsgründe der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Führen einer verbotenen Schusswaffe und unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe schuldig ist.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe (Fall 3 der Urteilsgründe), wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit Führen einer verbotenen Schusswaffe und unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe (Fall 2 der Urteilsgründe), wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und Patronenmunition (Fall 4 der Urteilsgründe) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 1 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten führt zur Schuldspruchänderung im Fall 2 der Urteilsgründe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen zu Fall 2 der Urteilsgründe schoss der Angeklagte dem Nebenkläger am 20. Juni 2011 mit einer mit Schrotpatronen geladenen Pumpgun aus einem Meter Entfernung in dessen rechtes Knie. Der Geschädigte befand sich wegen der erlittenen Schussverletzung mehr als zwei Monate lang in stationärer Behandlung. Er wurde zwölfmal operiert, zuletzt im Sommer 2012. Seit der letzten Operation kann der Geschädigte erstmals seit der Tat wieder ohne Unterarmgehstützen gehen. Infolge der Schussverletzung ist das rechte Knie dauerhaft geschädigt. Es besteht ein Muskeldefizit rechts sowie eine Beugehemmung von 60 Grad. Außerdem liegt eine Instabilität vor, die muskulär nur teilweise kompensiert werden kann, so dass in Zukunft mit dem Auftreten einer Arthrose im rechten Kniegelenk zu rechnen ist, die eine Knieprothese notwendig machen wird. Dem Geschädigten werden dauerhaft keine schweren körperlichen Belastungen, sondern nur sitzende Tätigkeiten möglich sein. Es besteht eine Minderung der Erwerbstätigkeit von 30 %.
Rz. 3
2. Für die Beurteilung, ob ein wichtiges Glied im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht mehr gebraucht werden kann, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln, ob als Folge der vorsätzlichen Körperverletzung so viele Funktionen ausgefallen sind, dass das Körperglied weitgehend unbrauchbar geworden ist und von daher die wesentlichen faktischen Wirkungen denjenigen eines physischen Verlustes entsprechen (BGH, Urteile vom 15. März 2007 – 4 StR 522/06, BGHSt 51, 252, 257 mwN und vom 6. November 2008 – 4 StR 375/08 Rn. 9).
Rz. 4
Diese strengen Voraussetzungen sind nach den Urteilsfeststellungen nicht erfüllt. Die dort genannten gesundheitlichen Folgen der Tat für den Nebenkläger stellen für ihn zwar eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung dar, da er das Knie nur eingeschränkt beugen kann und ihm schwere körperliche Belastungen dauerhaft nicht möglich sein werden. Diese erheblichen Beeinträchtigungen belegen aber noch keinen Funktionsverlust, der einem physischen Verlust des Körpergliedes gleichzustellen wäre. Damit ist der Tatbestand der schweren Körperverletzung nicht erfüllt.
Rz. 5
3. Das Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch den Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nrn. 2 und 5 StGB. Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab.
Rz. 6
Der aufgezeigte Rechtsfehler hat auf den Bestand des Strafausspruchs keine Auswirkung. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Körperverletzungshandlung die im Fall 2 der Urteilsgründe festzusetzende Einzelstrafe niedriger als drei Jahre und neun Monate bemessen hätte. Der Strafzumessung wäre der nämliche Strafrahmen zugrunde zu legen gewesen. Denn die Obergrenze des Strafrahmens beträgt sowohl bei § 224 Abs. 1 StGB als auch bei § 226 Abs. 1 StGB zehn Jahre. Tateinheitlich verwirklicht ist außerdem der Verbrechenstatbestand des § 51 Abs. 1 WaffG mit einer für die Bemessung der Strafe maßgeblichen Strafuntergrenze von einem Jahr und § 52 Abs. 1 Nr. 2b WaffG.
Unterschriften
Sost-Scheible, Roggenbuck, Cierniak, RiBGH Dr. Mutzbauer ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Sost-Scheible, Bender
Fundstellen
Haufe-Index 6464841 |
NStZ 2014, 213 |
Kriminalistik 2014, 505 |
StraFo 2014, 125 |