Entscheidungsstichwort (Thema)
schwerer Raub
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 3. April 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
- soweit der Angeklagte im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
- im Ausspruch über die Jugendstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen schweren Raubes und wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit mehreren Verfahrensrügen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat im Fall II. 3. der Urteilsgründe mit einer Verfahrensrüge Erfolg, was auch zur Aufhebung der verhängten Jugendstrafe führt. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen zum Fall II. 3. der Urteilsgründe überfielen der Angeklagte und ein Mittäter am 14. Mai 1999 gegen 12.00 Uhr in H. eine Filiale der Stadtsparkasse, wobei sie den Kassierer sowie Kunden mit ungeladenen Gaspistolen bedrohten und 5.000 DM erbeuteten. Der Angeklagte hat seine Beteiligung an diesem Überfall bestritten. Er hat sich dahingehend eingelassen, am Tattag nicht in H., sondern in Danzig gewesen zu sein. Seine Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten stützt das Landgericht vor allem auf die Angaben seines Mittäters bei den polizeilichen Vernehmungen und die Auswertung der Standort- und Verbindungsdaten des beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefons.
In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte die Vernehmung des Zeugen G. zum Beweis dafür beantragt, daß er und der Zeuge am 14. Mai 1999 gemeinsam an einer Firmungsprobe in Danzig teilgenommen hätten. Das Landgericht hat den Beweisantrag wegen Unerreichbarkeit des Zeugen abgelehnt, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, daß der Zeuge G. entgegen seiner bisherigen Erklärung (gegenüber dem Verbindungsmann von Interpol in Warschau) bereit sei, nach einer förmlichen Ladung zu einer Vernehmung im Rahmen der Hauptverhandlung zu erscheinen.
2. Bei dem Antrag auf Vernehmung des Zeugen G. handelte es sich um einen Beweisantrag, da dessen ladungsfähige Anschrift bekannt war und die erforderliche Konnexität zwischen der Beweistatsache und dem Beweismittel (vgl. BGHSt 43, 329 f.; Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 48 m.w.Nachw.) vorlag. Das Landgericht wußte, daß die Firmungsprobe am 14. Mai 1999 gegen 19.00 Uhr mit dem Zeugen als Firmpaten stattgefunden haben soll.
Die Revision beanstandet zu Recht die Ablehnung des Beweisantrags. Zwar kann ein im Ausland lebender Zeuge, dessen Erscheinen nicht erzwungen werden kann, auch ohne förmliche Ladung als unerreichbar angesehen werden, wenn er sich definitiv weigert, vor dem erkennenden Gericht auszusagen (vgl. Herdegen aaO § 244 Rdn. 82 m.w.Nachw.). Dies ist aber in der Regel nur dann der Fall, wenn das Tatgericht unter Beachtung der ihm obliegenden Aufklärungspflicht alle der Bedeutung des Zeugnisses entsprechenden Bemühungen zur Beibringung des Zeugen vergeblich entfaltet hat und auch keine begründete Aussicht besteht, daß dieser in absehbarer Zeit als Beweismittel herangezogen werden kann (vgl. BGHR § 244 III Satz 2 Unerreichbarkeit 1 und 13; BGH NStZ 1984, 375, 376). Diese Voraussetzungen lagen nicht vor, da die Annahme des Landgerichts von der Unerreichbarkeit des Zeugen auf einer unzulänglichen Grundlage beruht. Wie sich aus der der Ablehnung des Beweisantrags zugrundeliegenden Telefaxnachricht des Bundeskriminalamtes vom 3. Januar 2000 ergibt („Betreff: Ermittlungsverfahren gegen K.; hier: Entlastungszeuge G.”), ließ der Zeuge über Interpol Warschau mitteilen, er kenne (den Mitangeklagten) K. nicht, er sei auch nicht gewillt, in Hannover eine Zeugenaussage zu machen (PB Bl. 153). Allein aufgrund dieser Mitteilung durfte das Landgericht nicht ohne weiteres annehmen, der Zeuge G. sei zu einer Aussage in der Hauptverhandlung auf keinen Fall bereit und deshalb unerreichbar. Aus dem Schreiben des Bundeskriminalamtes ergibt sich nämlich nicht die Kenntnis des Zeugen davon, daß sich das Strafverfahren auch gegen den Beschwerdeführer richtete. Deshalb hätte sich das Landgericht darüber Gewißheit verschaffen müssen, ob der Zeuge auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sein Bekannter wegen schwerwiegender Straftaten angeklagt ist, vor dem Landgericht nicht aussagen werde (vgl. BGH NStZ 1984, 375, 376). Die Aussage des Alibizeugen war nach der Beweislage für die Wahrheitsfindung schon deshalb nicht unwesentlich, da die Kammer in dem den Beweisantrag ablehnenden Beschluß ausgeführt hat, daß eine Vernehmung im Wege der Rechtshilfe ausscheide, weil es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen ganz wesentlich auf den persönlichen Eindruck in der Hauptverhandlung ankomme.
3. Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrages kann das Urteil im Fall II. 3. der Urteilsgründe beruhen. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, ist es dabei unerheblich, ob die Strafkammer den Beweisantrag möglicherweise nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO rechtsfehlerfrei hätte ablehnen können. Denn sie hat in ihrem ablehnenden Beschluß diese Vorschrift zwar erwähnt, aber die erforderlichen Erwägungen, aus denen sich ergibt, daß die beantragte Beweiserhebung keinen Einfluß auf die Feststellungen haben werde, nicht mitgeteilt (vgl. BGHSt 40, 60, 62 f.).
Die Aufhebung der Verurteilung des Beschwerdeführers im Fall II. 3. der Urteilsgründe führt auch zur Aufhebung der verhängten Jugendstrafe.
Für den Fall, daß der Zeuge auch in der neuen Hauptverhandlung zu einer Zeugenaussage in Hannover nicht bereit sein sollte, wird die Strafkammer auch zu prüfen haben, ob eine audiovisuelle Vernehmung gemäß § 247 a StPO in Betracht kommt (vgl. BGHSt 45, 188; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 63 und § 247 a Rdn. 6 und 9).
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Pfister, von Lienen, Becker
Fundstellen
Haufe-Index 564843 |
StV 2001, 664 |