Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderung an Nachbelehrung zu einer Widerrufsbelehrung
Leitsatz (amtlich)
Eine Nachbelehrung nach § 355 Abs. 2 BGB muss einen für den Verbraucher erkennbaren Bezug zu seiner früheren Vertragserklärung aufweisen, der ihm deutlich macht, dass ein Belehrungsmangel im Nachhinein ausgeglichen werden soll (Bestätigung des Senatsurteils v. 26.10.2010 - XI ZR 367/07).
Normenkette
BGB § 355 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe in Freiburg (Urteil vom 14.04.2010; Aktenzeichen 13 U 128/09) |
LG Konstanz (Entscheidung vom 18.05.2009; Aktenzeichen 6 O 20/08) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats in Freiburg des OLG Karlsruhe vom 14.4.2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 63.128,11 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin begehrt aus eigenem und abgetretenem Recht die Rückabwicklung eines mit der beklagten Bank im Rahmen eines Fondsbeitritts abgeschlossenen Darlehensvertrages.
Rz. 2
Die Klägerin und ihr Ehemann wurden im November/Dezember 2000 von einem Vermittler geworben, sich über einen Treuhänder an dem geschlossenen Immobilienfonds "G. fonds GbR" (nachfolgend: Fonds) zu beteiligen. Zur Finanzierung des Fondsbeitritts schlossen sie mit der Beklagten am 22./29.12.2000 einen tilgungsfreien Darlehensvertrag über 93.333,33 DM. Dem Darlehensvertrag war auf einer besonderen Seite eine von der Klägerin und ihrem Ehemann gesondert unterschriebene Widerrufsbelehrung nach dem Haustürwiderrufsgesetz beigefügt, die die Wirksamkeit des Widerrufs an die Rückzahlung des Darlehensbetrags knüpfte. Zur Absicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs traten die Klägerin und ihr Ehemann der Beklagten u.a. ihre Ansprüche aus zwei Lebensversicherungen ab. In der Folgezeit zahlte die Beklagte das Darlehen aus.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 3.9.2007 unterbreitete die Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann ein Angebot zur Prolongation des Darlehens, wobei sie alternativ den Abschluss einer zusätzlichen Zahlungsausfallversicherung anbot. Dem Schreiben waren zwei Widerrufsbelehrungen beigefügt, die als "Widerrufsbelehrung" und "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung" bezeichnet waren und dieselbe Darlehensvertragsnummer enthielten. Die "Widerrufsbelehrung" trug zusätzlich die Kennzeichnung "Anlage zur Prolongation". Die "Widerrufsbelehrung zu Ihrer Vertragserklärung" lautet auszugsweise wie folgt:
"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb eines Monats ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen - eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung und - die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurde."
Rz. 4
In dem Anschreiben heißt es ab dem vierten Absatz u.a.:
"Unterzeichnen Sie bitte das von Ihnen gewählte Prolongationsangebot ... sowie die angeheftete Widerrufsbelehrung an den jeweils hierfür vorgesehenen Stellen und senden Sie es uns bis spätestens zum 20.9.2007 zurück. Losgelöst hiervon, erhalten Sie in der Anlage die Widerrufsbelehrung zu Ihrer ursprünglichen Vertragserklärung, verbunden mit der Bitte, diese zur Kenntnis zu nehmen und zu Ihren Akten zu nehmen. Beabsichtigen Sie keines unserer Angebote anzunehmen, so ist das von Ihnen in Anspruch genommene Darlehen zurückzubezahlen. Den unter der Position "Darlehensstand per 30.12.2007" ausgewiesenen Betrag überweisen Sie bitte bis spätestens 30.12.2007 auf das oben genannte Darlehenskonto."
Rz. 5
Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen das Prolongationsangebot nicht an, sondern kündigten das Darlehen mit Schreiben vom 25.9.2007 zum 31.12.2007. Mit Schreiben vom 23.11.2007 erklärten sie den Widerruf ihrer auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärungen.
Rz. 6
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte aus eigenem und von ihrem Ehemann abgetretenem Recht auf Rückzahlung der auf das Darlehen geleisteten Zahlungen abzgl. der Fondsausschüttungen und Steuervorteile i.H.v. verbleibenden 10.715,05 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung des Fondsanteils und auf Rückübertragung der Lebensversicherungen in Anspruch. Außerdem begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche mehr zustehen, und die Freistellung von etwaigen Steuernachforderungen, die aus der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung herrühren.
Rz. 7
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
Rz. 8
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rz. 9
1. Entgegen der Annahme der Nichtzulassungsbeschwerde ist im Hinblick auf die Ordnungsgemäßheit der Nachbelehrung eine Zulassung der Revision nicht gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung oder gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Das Berufungsgericht hat unter Heranziehung der Rechtsprechung des BGH fehlerfrei angenommen, dass die von der Beklagten der Klägerin und ihrem Ehemann mit Schreiben vom 3.9.2007 erteilte Nachbelehrung nicht ordnungsgemäß war und daher die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht in Gang setzen konnte. Der Rechtsstreit gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen (BGH, Beschl. v. 4.7.2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225; v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292).
Rz. 10
a) Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB (in der seit dem 1.8.2002 geltenden Fassung) i.V.m. Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB ist eine nachträgliche Widerrufsbelehrung auch in Bezug auf - wie hier - vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26.11.2001 (BGBl. I, 3138) geschlossene Altverträge möglich (BGH, Urt. v. 26.10.2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rz. 25). Die Nachbelehrung unterliegt denselben gesetzlichen Anforderungen wie eine rechtzeitige Belehrung. Sie muss umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf auch die nachträgliche Widerrufsbelehrung keine zusätzlichen Erklärungen enthalten, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Belehrung von Bedeutung sind und deshalb von ihr ablenken oder den Verbraucher verwirren können (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 13.1.2009 - XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rz. 14; v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rz. 14 f., jeweils m.w.N.). Eine Nachbelehrung muss zudem nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB einen für den Verbraucher erkennbaren Bezug zu seiner früheren Vertragserklärung aufweisen, der ihm deutlich macht, dass ein Belehrungsmangel im Nachhinein ausgeglichen werden soll (BGH, Urt. v. 26.10.2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rz. 26).
Rz. 11
b) Eine diesen Maßgaben entsprechende Nachbelehrung hat die Beklagte - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - nicht erteilt. Die Widerrufsfrist hatte daher gem. § 361a Abs. 1 Satz 3 BGB a.F., § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in der hier anwendbaren Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes vom 23.7.2002 (BGBl. I, 2850) im September 2007 nicht zu laufen begonnen. Aufgrund dessen konnten die Klägerin und ihr Ehemann ihr Widerrufsrecht mit ihrem am 23.11.2007 erklärten Widerruf noch wirksam ausüben.
Rz. 12
(1) Die Beklagte hat für die Belehrung kein Formular verwendet, das dem Muster gem. § 14 Abs. 1 Anlage 2 BGB-InfoV entspricht. Aus der BGB-Informationspflichten-Verordnung kann sie schon aus diesem Grund keine ihr günstigen Rechtswirkungen herleiten (BGH, Urt. v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rz. 13 m.w.N.).
Rz. 13
(2) Das von der Beklagten verwendete Belehrungsformular ist fehlerhaft, weil es - wie der Senat mit Urteil vom 10.3.2009 (XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rz. 14 ff.) für ein gleichlautendes Formular der Beklagten entschieden und im Einzelnen begründet hat - den Verbraucher nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist belehrt, indem es das unrichtige Verständnis nahe legt, die Widerrufsfrist beginne (bereits) mit der Übersendung des Vertragsantrags des Unternehmers, d.h. hier der Beklagten. Dieser Entscheidung lag zwar der Fall einer Belehrung bei Vertragsschluss zugrunde. Für die Verwendung des Formulars im Rahmen der Nachbelehrung gilt aber nichts anderes. Denn in dem Fall, in dem der Verbraucher nur die Vertragserklärung des Unternehmers erhalten hat, ist die erteilte Belehrung aufgrund ihrer missverständlichen Fassung objektiv geeignet, den Verbraucher - hier die Klägerin und ihren Ehemann - über den Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig zu informieren.
Rz. 14
(3) Darüber hinaus ist die Nachbelehrung auch deshalb nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil der Klägerin und ihrem Ehemann nicht hinreichend deutlich gemacht wurde, dass sie ihre ursprünglichen Darlehensvertragserklärungen noch widerrufen konnten.
Rz. 15
Das Belehrungsformular bezieht sich bei isolierter Betrachtung auf eine "Vertragserklärung" der Klägerin und ihres Ehemanns, womit mangels Datierung die ursprüngliche Darlehensvertragserklärung, aber auch die Erklärung zur Verlängerung des Darlehens gemeint sein kann. Letzteres ergibt sich daraus, dass auch in der anderen, als "Anlage zur Prolongation" bezeichneten Widerrufsbelehrung der Begriff "Vertragserklärung" verwendet wird. Soweit in der Nachbelehrung die genaue Darlehensnummer aufgeführt ist, ist dies ohne Aussagekraft, weil auch - wie sich u.a. aus der anderen Widerrufsbelehrung ergibt - die Darlehensprolongation unter dieser Nummer bearbeitet wurde. Allein aus dem Umstand, dass zwei Widerrufsbelehrungen übersandt wurden, von denen sich eine auf die Darlehensprolongation bezog, musste sich für die Klägerin und ihren Ehemann nicht ohne Weiteres der Schluss aufdrängen, dass die andere Widerrufsbelehrung für ihre ursprünglichen Vertragserklärungen vom Dezember 2000 gelten sollte. Denn insoweit waren die Klägerin und ihr Ehemann ebenfalls bereits im Besitz einer solchen Belehrung.
Rz. 16
Einen Bezug der Nachbelehrung zu den im Dezember 2000 abgegebenen Darlehensvertragserklärungen stellt erst das Begleitschreiben vom 3.9.2007 her. Der entsprechende Passus ist damit Teil der Widerrufsbelehrung und an dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB zu messen. Dessen Anforderungen wird er nicht gerecht. Es fehlt bereits an einer drucktechnisch deutlichen Gestaltung (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 23.6.2009 - XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rz. 24 m.w.N.) und einem unmissverständlichen Hinweis, dass die Klägerin und ihr Ehemann ihre ursprünglichen Vertragserklärungen widerrufen konnten. Vielmehr ist die Textstelle ohne drucktechnische Hervorhebung in die Ausführungen zu der angebotenen Darlehensprolongation und den Folgen einer Nichtverlängerung eingebettet, so dass auch für den verständigen Verbraucher und Darlehensnehmer die Gefahr besteht, diese Passage zu überlesen oder zumindest deren Bedeutungsgehalt, nämlich die nach wie vor bestehende Widerrufsmöglichkeit trotz der bereits im Dezember 2000 erfolgten Belehrung, nicht zu erkennen. Die in dem Schreiben nur beiläufig geäußerte Bitte um Kenntnisnahme der Belehrung genügt zur Beseitigung dieser Gefahr nicht, sondern erhöht sie eher.
Rz. 17
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann sich auch nicht auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO berufen.
Rz. 18
a) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet, dass das Berufungsgericht das tatsächliche Vorbringen der Beklagten zur Erteilung der Nachbelehrung im September 2007 unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen hat, kann dies dahingestellt bleiben. Insoweit fehlt es bereits an der Entscheidungserheblichkeit des gerügten Rechtsfehlers. Das Berufungsgericht hat - wie oben zu II 1 ausgeführt - rechtsfehlerfrei mit einer eigenständigen Begründung die Nachbelehrung als nicht ordnungsgemäß beurteilt.
Rz. 19
b) Ohne Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde schließlich geltend, dass es zur Frage der Ordnungsgemäßheit der streitgegenständlichen Nachbelehrung divergierende Entscheidungen anderer OLG gebe. Das Berufungsgericht hat die Nachbelehrung zu Recht und in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung als fehlerhaft angesehen. Dass andere OLG dies anders beurteilt haben, kann eine Zulassung der Revision im vorliegenden Rechtsstreit nicht rechtfertigen. Zudem beruht die Divergenz nicht auf einer Abweichung von einem rechtlichen Obersatz, sondern auf einem unterschiedlichen Subsumtionsvorgang (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 16.9.2003 - XI ZR 238/02, NJW 2004, 1167 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 2658465 |
BB 2011, 898 |
DB 2011, 8 |
DB 2011, 874 |