Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsversteigerung eines Grundstücks. Verkündung des Zuschlagsbeschlusses. Einstellungsbewilligung nach Schluss der Versteigerung. Versagung des Zuschlags
Leitsatz (amtlich)
Die Einstellung des Verfahrens nach § 30 ZVG kann auch noch nach dem Schluss der Versteigerung bis zur vollständigen Verkündung des Zuschlags bewilligt werden, hat dann allerdings zur Folge, dass der Zuschlag zu versagen ist (§ 33 ZVG).
Normenkette
ZVG §§ 30, 33
Verfahrensgang
LG Dresden (Beschluss vom 24.05.2006; Aktenzeichen 13 T 869/05) |
AG Dresden (Entscheidung vom 04.08.2005; Aktenzeichen 523 K 1848/03) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Erstehers gegen den Beschluss der 13. Zivilkammer des LG Dresden vom 24.5.2006 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
[1] Auf Antrag der Gläubigerin wurde die Zwangsversteigerung eines Grundstücks der Schuldner angeordnet. Im Zwangsversteigerungstermin blieb der Ersteher der Meistbietende. Nachdem die Rechtspflegerin den Schluss der Versteigerung verkündet, die anwesenden Beteiligten über den Zuschlag angehört und mit der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses begonnen hatte, wurde sie von dem Vertreter der Gläubigerin mit der Frage unterbrochen, warum der Zuschlag nicht nach § 85a Abs. 1 ZVG versagt werde. Die Rechtspflegerin verwies auf § 85a Abs. 3 ZVG, worauf der Gläubigervertreter erklärte, er bewillige die Einstellung des Verfahrens nach § 30 ZVG. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage wurde der Zuschlagsbeschluss auch im Übrigen verkündet.
[2] Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das LG den Zuschlag versagt. Mit der von dem LG zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Ersteher die Wiederherstellung des Zuschlagsbeschlusses. Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
[3] Das Beschwerdegericht ist der Auffassung des Vollstreckungsgerichts entgegen getreten, für die Abgabe von Erklärungen und Anträgen sei während der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses kein Raum mehr. Aus § 33 ZVG folge, dass die Einstellung des Verfahrens nach § 30 ZVG auch noch nach dem Schluss der Versteigerung bewilligt werden könne. Dies gelte jedenfalls bis zur vollständigen Verkündung des Tenors des Zuschlagsbeschlusses.
III.
[4] 1. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Mit Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass das Vollstreckungsgericht den Zuschlag hätte versagen müssen.
[5] a) Nach § 33 ZVG kann die Einstellung gem. § 30 ZVG auch noch nach dem Schluss der Versteigerung (§ 73 Abs. 2 ZVG) bewilligt werden, hat dann allerdings zur Folge, dass der Zuschlag zu versagen ist. Die Möglichkeit der Einstellung endet erst mit der vollständigen Verkündung des Zuschlags. Erst dann ist das Objekt der Zwangsversteigerung nach §§ 87, 89 f. ZVG der Disposition des betreibenden Gläubigers im Interesse einer eindeutigen dinglichen Zuordnung entzogen (vgl. Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 18. Aufl., § 30 Anm. 2.12 und § 87 Anm. 3.7.; ebenso für den Fall der Rücknahme des Versteigerungsantrags a.a.O. § 29 Anm. 2.7 m.w.N.).
[6] Entgegen der Auffassung des Erstehers ergibt sich aus § 516 Abs. 1 ZPO - danach kann die Berufung nur bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurückgenommen werden - nichts anderes. Dabei kann offen bleiben, ob die Norm mit der Formulierung "bis zur Verkündung" auf deren Beginn (so Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 516 Rz. 10 m.w.N.) oder auf die vollständige Verkündung des gesamten Tenors abstellt (so Hartmann, NJW 2001, 2577, 5591); nur Ersteres wäre der Rechtsbeschwerde günstig. Jedenfalls ist zu bedenken, dass das Gesetz eine entsprechende Anwendung von § 516 Abs. 1 ZPO zwar für die Rücknahme der Revision vorsieht (§ 565 ZPO), nicht aber für andere Prozesshandlungen. Folgerichtig besteht Einigkeit darüber, dass etwa die Rücknahme der Klage wirksam bis zur Beendigung der Rechtshängigkeit und damit sogar zwischen den Instanzen erklärt werden kann (vgl. nur Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., § 269 Rz. 8 m.w.N.).
[7] Vor diesem Hintergrund scheidet eine entsprechende Anwendung von § 516 Abs. 1 ZPO auf Konstellationen der vorliegenden Art aus. Es ist schon nicht ersichtlich, dass das Zwangsversteigerungsgesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Davon abgesehen handelt es sich bei § 516 Abs. 1 ZPO um eine Vorschrift, die nicht nur nach ihrer systematischen Stellung, sondern auch nach Sinn und Zweck lediglich Rechtsmittelverfahren betrifft. Sie setzt eine Endentscheidung der Vorinstanz voraus und betrifft damit die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Streit der Parteien endgültig noch dadurch befriedet werden kann, dass das Endurteil der Vorinstanz infolge der Rechtsmittelrücknahme in Rechtskraft erwächst (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 94). Dass es an einem teleologisch vergleichbaren Tatbestand fehlt, wenn die Gläubigerin im Zwangsversteigerungsverfahren eine - ohnehin nur einstweilige - Einstellung des Verfahrens nach § 30 ZVG bewilligt, liegt auf der Hand.
[8] b) Der Umstand, dass der Gläubigervertreter die Rechtspflegerin bei der Verkündung der Entscheidungsformel unterbrochen hat, ohne dass ihm das Wort erteilt worden wäre, steht einer wirksamen Einstellungsbewilligung schon deshalb nicht entgegen, weil das Vollstreckungsgericht diese Unterbrechung nicht nach § 136 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterbunden hat. Vielmehr ist es in eine Erörterung der Sach- und Rechtslage über die Zulässigkeit des Antrags nach § 30 ZVG eingetreten, was eine Antragstellung voraussetzt.
[9] c) Ist nach allem von einer wirksamen Einstellungsbewilligung auszugehen, kommt es auf die Gegenrüge der Gläubigerin nicht mehr an, die Rechtspflegerin habe bei der Anhörung der Beteiligten über den Zuschlag verfahrensfehlerhaft den Hinweis auf das Eingreifen von § 85a Abs. 3 ZVG (vgl. dazu BVerfG v. 23.7.1992 - 1 BvR 14/90, NJW 1993, 1699 f.) unterlassen.
[10] 2. Ein Ausspruch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und eines sich hieran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfahrens in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Das steht einer Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO entgegen (vgl. dazu insb. Senat, Beschl. v. 25.1.2007 - V ZB 125/05, Rz. 7, zur Veröffentlichung bestimmt; ferner Beschl. v. 20.7.2006 - V ZB 168/05, MDR 2007, 239 = BGHReport 2006, 1505 = Rpfleger 2006, 665, u. v. 18.5.2005 - V ZB 142/05, BGHReport 2006, 1202 = MDR 2007, 110 = WM 2006, 1727, 1730).
Fundstellen