Verfahrensgang
LG Bochum (Entscheidung vom 01.12.1988) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil der Hilfsstrafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 1. Dezember 1988 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit gegen diesen Angeklagten der Vorwegvollzug der Strafe vor der Maßregel angeordnet ist.
Auf die Revision der Angeklagten L. wird das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch wegen Beihilfe zum schweren Raub sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision der Angeklagten L. wird verworfen.
Gründe
Die auf die Dauer des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe beschränkte Revision des Angeklagten S. hat mit der Sachrüge Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der gesamten nach § 67 Abs. 2 StGB getroffenen Anordnung. Das Landgericht hat ihr keine tragfähige Begründung gegeben; dieser Mangel entzieht auch dem Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzugs die Grundlage. Die vom Angeklagten erklärte Beschränkung seines Rechtsmittels auf einen Teil der Vollstreckungsentscheidung bindet den Senat - ihre Zulässigkeit unterstellt - daher nicht.
Das Landgericht begründet den Ausspruch über den Vorwegvollzug lediglich mit den Worten: "Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist ein günstigerer Erfolg der Maßregel zu erwarten, wenn Michael S. vor Beginn des Maßregelvollzugs bereits einen möglichst langen Teil der Freiheitsstrafe verbüßt hat, da er dann nach Beendigung des Maßregelvollzuges sofort entlassen werden kann" (UA 20). Nach der gesetzlichen Wertung in § 67 Abs. 1 StGB verhält es sich umgekehrt. Im Regelfall ist zunächst die Maßregel zu vollziehen. Darin drückt sich die Auffassung des Gesetzgebers aus, daß mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Rechtsbrechers möglichst umgehend begonnen werden soll, weil dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht. Eine verbleibende Freiheitsstrafe wird im Anschluß an die Maßregel vollstreckt, so daß die Entlassung grundsätzlich aus dem Strafvollzug erfolgt. Wenn der Tatrichter von der der gesetzlichen Wertung entsprechenden Reihenfolge abweichen will, was ihm nach § 67 Abs. 2 StGB gestattet ist, dann muß er dies mit auf den Einzelfall abgestellten, nachprüfbaren Erwägungen begründen. Die allgemeine Wendung, es sei besser, den Angeklagten unmittelbar aus dem Maßregelvollzug zu entlassen, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Der Rechtsfehler nötigt im dargelegten Umfang zur Aufhebung des gegen den Angeklagten S. ergangenen Urteils.
Die Revision der Angeklagten L. hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit sie wegen Beihilfe zum schweren Raub verurteilt ist; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Beihilfe zum schweren Raub erblickt das Landgericht darin, daß die Angeklagte L. den Angeklagten S. nach dem von ihm verübten Tankstellenüberfall in die Niederlande gefahren hat (UA 12, 16). Es nimmt in diesem Fall als unwiderlegt an, daß die Angeklagte von dem Tatplan zuvor nichts wußte. Erst als S. wieder auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, habe er sie aufgefordert, schnell wegzufahren, er habe nun Geld für Heroin. "Auf der Fahrt zur Autobahn, noch im Bereich der Nahbereichsfahndung", habe er ihr erzählt, wie im einzelnen er unter Einsatz des Messers an das Geld gelangt war.
Nach diesen Feststellungen scheidet Beihilfe zu dem Raubüberfall des Angeklagten S. aus, weil die Angeklagte L. von ihm erst erfuhr, als er beendet war. Nach der Beendigung war Beihilfe rechtlich ausgeschlossen.
Ein Diebstahl - und damit auch ein Raub - ist abgeschlossen und deshalb beendet, wenn der Täter den Gewahrsam an der Beute gefestigt und gesichert hat. Von den Umständen des Einzelfalles hängt es ab, wann eine ausreichende Sicherung in diesem Sinne erreicht ist. Das wird in der Regel nicht der Fall sein, solange der Täter seine Absicht, sich alsbald mit der Beute zu entfernen, noch nicht verwirklicht hat, sondern sich z.B. auf dem Tatgrundstück, also im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Bestohlenen, befindet. Das gleiche gilt, solange der Täter einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, die Beute durch Nacheile zu verlieren - wenn also auf dem Parkplatz vor dem Geschäft die Beute mit Nötigungsmitteln verteidigt wird (BGH, Urteil vom 22. August 1984 - 3 StR 203/84). In diesen Fällen ist die neue Sachherrschaft noch nicht gefestigt.
Hier dagegen hatte S. den erbeuteten Geldbetrag mit in den PKW gebracht, den die Angeklagte L. in einiger Entfernung von der Tankstelle geparkt hatte und in dem sich beide sogleich entfernten. Daß in diesem Zeitpunkt noch irgendwelche direkten Eingriffsmöglichkeiten des Eigentümers oder eines Beobachters bestanden hätten (vgl. BGHR StGB § 252 frische Tat 3), ist auszuschließen. Auf den äußerst unbestimmten Bereich der polizeilichen Nahbereichsfahndung kommt es schon deshalb nicht an, weil das Landgericht nicht festgestellt hat, daß eine solche Fahndung ausgelöst worden ist.
Hiernach kann der Schuldspruch wegen Beihilfe zum schweren Raub nicht bestehenbleiben. Die Aufhebung des Urteils in diesem Punkt zieht die Aufhebung der verhängten Gesamtstrafe nach sich.
Fundstellen
Haufe-Index 3018875 |
JZ 1989, 759 |