Entscheidungsstichwort (Thema)
vorsätzlicher Vollrausch
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 16. Dezember 1998 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten R. in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten (ohne Strafaussetzung zur Bewährung) verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen den Schuldspruch und gegen den Strafausspruch richtet; das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Das Landgericht hat festgestellt, daß der mehrfach vorbestrafte Angeklagte, der bei einer Blutalkoholkonzentration von 3,4 [permil] zur Tatzeit schuldunfähig war (§ 20 StGB), Alkoholiker ist und weitere alkoholbedingte Straftaten „wahrscheinlich” seien (UA 38). Gleichwohl hat die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt. Sie hat dies damit begründet, daß sie „aufgrund der Erfahrung, die (sie) aus entsprechenden medizinischen Gutachten aus anderen Verfahren (habe), … die nötige Sachkunde (habe), um festzustellen, daß bei der festen Verwurzelung (des) Angeklagten im Alkoholikermilieu eine Therapie nicht erfolgversprechend (sei)” (UA 39).
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 5. Mai 1999 zutreffend ausgeführt hat, hält diese Begründung rechtlicher Überprüfung nicht stand. Ergänzend bemerkt der Senat, daß, wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt, eine konkrete, auf den jeweiligen Angeklagten bezogene „maßnahmespezifische” Untersuchung durch einen Sachverständigen zu erfolgen hat (§ 246 a StPO). Dieses Verfahrenserfordernis (vgl. BGH bei Miebach NStZ 1990, 27; BGHR StPO § 246 a Satz 1 Sachverständiger 1; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 246 a Rdn. 3) kann nicht durch die in anderen Verfahren erworbene und andere Angeklagte betreffende „eigene Sachkunde” des Gerichts ersetzt werden.
Die Sache bedarf somit insoweit neuerlicher tatrichterlicher Prüfung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO). Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5).
Da ausgeschlossen werden kann, daß die Strafkammer bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt oder sie deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt hätte, kann der Strafausspruch bestehen bleiben.
Eine Erstreckung der Urteilsaufhebung gemäß § 357 StPO auf den nach den Feststellungen ebenfalls dem „Alkoholikermilieu zuzuordnenden” Mitangeklagten M., dessen Revision nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen worden ist, kommt nicht in Betracht, da die Entscheidung nach § 64 StGB bei jedem Angeklagten auf individuellen Erwägungen beruht (vgl. BGHR StPO § 357 Erstreckung 4).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen