Leitsatz (amtlich)
1a. Maßgeblich für die Beurteilung der Einheitlichkeit von Gebäuden ist bei einem Überbau immer die Verkehrsanschauung; die körperliche bautechnische Beschaffenheit stellt nicht das allein entscheidende Kriterium dar, sondern erlangt nur im Rahmen der festzustellenden Verkehrsanschauung Bedeutung.
1b. Erstreckt sich eine Tiefgarage als rechtmäßiger Überbau auf andere Grundstücke, führt allein die bautechnische und statische Verbindung der Tiefgarage mit auf den überbauten Grundstücken aufstehenden Gebäuden nicht dazu, dass die Tiefgarage kein einheitliches Gebäude ist.
1c. Auch Verbindungen der auf den überbauten Grundstücken aufstehenden Gebäude mit dem Tiefgaragenkörper durch Treppenhäuser, Aufzugsschächte, Fluchtwege und der Haustechnik dienende Versorgungseinrichtungen oder von den anderen Grundstücken ausgehende weitere Zufahrten stehen der Einordnung der Tiefgarage als einheitliches Gebäude nicht entgegen.
Ist in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen, dass die im Wege des rechtmäßigen Überbaus grenzüberschreitend errichtete Tiefgarage durch eine Zufahrt von dem Stammgrundstück aus als Ganzes erreichbar ist, ist von dem Grundbuchamt aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss zu ziehen, dass der Tiefgaragenkörper unabhängig von einer aufstehenden Bebauung auf dem überbauten Grundstück eigentumsrechtlich dem Stammgrundstück zuzuordnen ist; dies setzt allerdings voraus, dass sich ein Gebäudeteil der Tiefgarage (wie etwa eine Rampe) auf dem Stammgrundstück befindet und dies grundbuchmäßig nachgewiesen ist.
Normenkette
BGB §§ 93, 94 Abs. 2, § 95 Abs. 1 S. 2, § 912 Abs. 1, § 1018; WoEigG § 1 Abs. 4, § 8; GBO § 29 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beteiligten werden der Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Februar 2022 und der Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden - Grundbuchamt - vom 27. Oktober 2020 aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, die am 11. Februar 2020 beantragte Eintragung der Bildung von Teileigentum nicht aus den Gründen der oben genannten Beschlüsse zu verweigern.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beteiligte ist als Eigentümerin des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks (im Folgenden: Tiefgaragengrundstück) im Grundbuch eingetragen. Auf dem Grundstück errichtete sie eine Tiefgarage, wobei sich ein kleiner Teil des Gebäudekörpers nebst Zufahrt auf dem Tiefgaragengrundstück befindet, während sich der weitaus größere Teil im Wege des Überbaus auf drei weitere Grundstücke erstreckt. Zu Lasten der überbauten Grundstücke ist jeweils eine Grunddienstbarkeit unter anderem mit dem Inhalt, dass dem jeweiligen Eigentümer des Tiefgaragengrundstücks der Überbau gestattet wird, in dem Grundbuch eingetragen (im Folgenden: Überbaugrunddienstbarkeit). Zudem ist zu Lasten des Tiefgaragengrundstücks eine Grunddienstbarkeit in dem Grundbuch eingetragen, die dem jeweiligen Eigentümer eines der überbauten Grundstücke (im Folgenden: Hausgrundstück) das Recht zu dem Aufbau eines Wohngebäudes auf dem Teil der Decke der Tiefgarage, der in das Hausgrundstück hineinragt, einräumt (im Folgenden: Aufbaugrunddienstbarkeit).
Rz. 2
Mit Schreiben vom 11. Februar 2020 hat die Beteiligte unter Beifügung einer notariellen Teilungserklärung und einer Abgeschlossenheitsbescheinigung bei dem Amtsgericht - Grundbuchamt - die Teilung des Tiefgaragengrundstücks in Teileigentum beantragt. Dabei bezieht die Teilungserklärung auch den Gebäudekörper der Tiefgarage ein, der sich auf die anderen Grundstücke erstreckt; die Teileigentumseinheiten bestehen aus den einzelnen Tiefgaragenstellplätzen. Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen und dies unter anderem damit begründet, dass gemäß § 1 Abs. 4 WEG die Bildung von Teileigentum an mehreren Grundstücken nicht möglich sei. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte den Vollzugsantrag weiter.
II.
Rz. 3
Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in DNotZ 2023, 284 veröffentlicht ist, meint, das Grundbuchamt habe den Antrag auf Bildung von Teileigentum im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Zwar sei ein durch Eintragung einer Grunddienstbarkeit abgesicherter und damit rechtmäßiger Überbau gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks, soweit bei Beginn des Überbaus die Bestellung des Rechts schon in Aussicht genommen worden sei; letzteres ergebe sich hier aus der der Teilungserklärung beigefügten Vereinbarung der Eigentümer. Auch könnten die in einem rechtmäßigen Überbau gelegenen Räume grundsätzlich ohne Verstoß gegen § 1 Abs. 4 WEG nach § 8 WEG geteilt werden. Die Teilung sei hier aber deswegen nicht einzutragen, weil die Beschwerdeführerin nicht in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen habe, dass die auf dem Hausgrundstück befindlichen Teile der Tiefgarage und ein auf diesem Grundstück errichtetes oder zukünftig noch zu errichtendes aufstehendes Gebäude kein einheitliches Gebäude im Sinne der §§ 93, 94 BGB bildeten. Entstehe insoweit ein einheitliches Gebäude, stände dies der (vollständigen) sachenrechtlichen Zuordnung der Tiefgarage zu dem Tiefgaragengrundstück entgegen. Aus der Aufbaugrunddienstbarkeit lasse sich nicht herleiten, ob die gesamte Tiefgarage ein einheitliches Gebäude und damit einen Überbau darstelle oder ob das (zukünftig) aufstehende Gebäude mit den auf dem Hausgrundstück befindlichen Teilen der Tiefgarage ein einheitliches Gebäude bilde. Vielmehr sei die körperliche bautechnische Beschaffenheit entscheidend; daneben könne es auch auf die funktionale Einheit ankommen. Diese Kriterien könnten indes vor Fertigstellung eines Gebäudes, das im Bau oftmals bautechnische Änderungen erfahre, nicht beurteilt werden. Mit den Mitteln des Grundbuchverfahrens werde sich der erforderliche Nachweis nicht führen lassen. Ebenso wenig lasse sich in grundbuchmäßiger Form nachweisen, dass das Gebäude nicht errichtet werde.
III.
Rz. 4
Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Mit der von dem Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann der Vollzug der Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG nicht abgelehnt werden.
Rz. 5
1. Zutreffend nimmt das Beschwerdegericht allerdings an, dass die Begründung von Teileigentum im Wege der Teilung durch den Eigentümer nach § 8 Abs. 1 WEG nur bezogen auf ein einzelnes Grundstück zulässig ist und nicht mehrere Grundstücke betreffen darf (vgl. BeckOGK/Meier [1.6.2023], § 8 WEG Rn. 8; Bauer/Schaub/Schneider, GBO, 4. Aufl., Teil E Rn. 10). Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 WEG, wonach der Eigentümer „eines Grundstücks“ die Teilung vornehmen kann, und zum anderen aus der allgemeinen Regelung des § 1 Abs. 4 WEG. Nach dieser Vorschrift können Wohnungseigentum und Teileigentum nicht in der Weise begründet werden, dass das Sondereigentum mit Miteigentum an mehreren Grundstücken verbunden ist.
Rz. 6
2. Richtig ist ferner, dass es einer Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG nicht entgegensteht, wenn sich die Teilungserklärung auf Räume bezieht, die zwar in dem Bereich eines anderen Grundstücks gelegen, aber nach §§ 93, 94 BGB wesentliche Bestandteile des Stammgrundstücks sind (vgl. Senat, Urteil vom 30. Mai 2008 - V ZR 184/07, WM 2008, 2270 Rn. 7). Denn auch dann betrifft die Teilung gemäß § 1 Abs. 4 WEG nur ein Grundstück (vgl. OLG Stuttgart, ZWE 2011, 410, 411; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 2817; Zimmer in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 1 Rn. 30; NK-BGB/Heinemann, 5. Aufl., § 1 WEG Rn. 5).
Rz. 7
3. Der Sache nach trifft weiter die Annahme zu, dass ein Überbau dann wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks ist, wenn er mit Zustimmung der Nachbarn errichtet wurde. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass sowohl bei einem nach § 912 Abs. 1 BGB zu duldenden als auch - erst recht - bei einem durch den Nachbarn gestatteten Überbau der hinübergebaute Gebäudeteil entgegen der Grundregel der § 946, § 94 Abs. 1 BGB nicht Bestandteil des überbauten Grundstücks wird, sondern - entsprechend § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB - Scheinbestandteil des überbauten Grundstücks und gemäß § 93, § 94 Abs. 2 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks ist, von dem aus übergebaut wird (vgl. Senat, Urteil vom 22. Februar 1974 - V ZR 103/73, BGHZ 62, 141, 145 f.; Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80, NJW 1982, 756 f.; Urteil vom 17. Januar 2014 - V ZR 292/12, NJW-RR 2014, 973 Rn. 23). Hintergrund hierfür ist der Zweckgedanke der Überbauvorschriften, wirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten, sowie der Gesichtspunkt der natürlich-wirtschaftlichen Einheit von Gebäuden (vgl. Senat, Urteil vom 22. Februar 1974 - V ZR 103/73, BGHZ 62, 141, 145). Dabei liegt ein Überbau in diesem Sinne auch dann vor, wenn der überragende Gebäudeteil sich unterhalb der Erdoberfläche befindet, wie dies bei einer Tiefgarage der Fall ist (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80, NJW 1982, 756 f.; Urteil vom 25. Februar 1983 - V ZR 299/81, NJW 1983, 2022, 2023). Welches Grundstück als Stammgrundstück anzusehen ist, richtet sich nach den Absichten und wirtschaftlichen Interessen des Erbauers im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Nachbargrundstücke. Größe und Wichtigkeit des übergebauten Gebäudeteils im Verhältnis zu dem auf dem Grundstück des Erbauers verbliebenen „Stammteil“ spielen keine Rolle (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1974 - V ZR 103/73, BGHZ 62, 141, 146; Urteil vom 23. Februar 1990 - V ZR 231/88, BGHZ 110, 298, 302).
Rz. 8
4. Richtig ist schließlich, dass die vorgenannten Grundsätze der Eigentumszuordnung bei einem rechtmäßigen Überbau nur Anwendung finden, wenn es sich bei dem grenzüberschreitend errichteten Bauwerk um ein einheitliches Gebäude handelt (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80, NJW 1982, 756; Urteil vom 4. Dezember 1987 - V ZR 189/86, NJW-RR 1988, 458; Urteil vom 2. Juni 1989 - V ZR 167/88, MDR 1989, 1089; Urteil vom 23. Februar 1990 - V ZR 231/88, BGHZ 110, 298, 301). Für die danach maßgebliche Frage, ob eine grundstücksübergreifende Tiefgarage ein einheitliches Gebäude bildet, ist die Verkehrsanschauung entscheidend.
Rz. 9
a) Die eigentumsrechtliche Zuordnung einer über die Grundstücksgrenze errichteten Tiefgarage mit aufstehender Bebauung wird allerdings unterschiedlich beurteilt.
Rz. 10
aa) Zum Teil wird angenommen, eine Tiefgarage, die sich im Wege des rechtmäßigen Überbaus auf andere Grundstücke erstrecke, könne dem Stammgrundstück dann nicht als wesentlicher Bestandteil zugeordnet werden, wenn auf den überbauten Teilen des Tiefgaragenkörpers ein Gebäude errichtet sei. Dann könne nämlich die Tiefgarage nach § 93 BGB nicht Gegenstand besonderer Rechte sein, weil das aufstehende Gebäude baustatisch von der Tiefgarage abhängig sei und es daher bei einer Entfernung der Tiefgarage zerstört würde. Bei der Anwendung des § 93 BGB sei in erster Linie eine körperlich-bautechnische bzw. baustatische Betrachtungsweise zugrunde zu legen, die nicht mit dem Argument einer funktionalen Einheit umgangen werden könne (vgl. Oppermann, DNotZ 2015, 662, 665; Heckscher, RNotZ 2016, 1, 6; Berg, RNotZ 2018, 505, 531 f.).
Rz. 11
bb) Andere halten die sachenrechtliche Eigenständigkeit einer Tiefgarage im Verhältnis zu einer aufstehenden Bebauung mit unterschiedlicher Begründung für möglich. Die baustatische Verbindung von Tiefgarage und aufstehender Bebauung sei nicht das allein entscheidende Kriterium für die Einheitlichkeit eines Gebäudes. Vielmehr könnten Verkehrsanschauung bzw. eine natürlich-wirtschaftliche Betrachtungsweise unter Berücksichtigung funktionaler Einheiten zu einem anderen Ergebnis führen (vgl. Monreal in Festschrift 25 Jahre DNotI, 2018, S. 201, 205 f.; Teerstegen, RNotZ 2006, 433, 439 f.; ders., ZNotP 2008, 21, 23; Weber in Kölner Formularhandbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Kapitel 2 Rn. 72 f.; BeckOK WEG/Leidner [3.4.2023], § 3 Rn. 5; BeckOGK/M. Müller, WEG [1.6.2023], § 1 Rn. 405; Bühler/Bernert, DNotZ 2023, 290, 293 ff.).
Rz. 12
b) Die zweite Ansicht entspricht der Rechtsprechung des Senats.
Rz. 13
aa) Wann eine einheitliche Sache vorliegt, ist nicht ausdrücklich im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. § 90 BGB bestimmt lediglich, dass Sachen körperliche Gegenstände sind. Auch § 93 BGB, wonach Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird, nicht Gegenstand besonderer Rechte sein können, definiert nicht eine einheitliche Sache. Vielmehr setzt diese Vorschrift deren Vorliegen voraus und bestimmt, wann ein - nicht sonderrechtsfähiger - wesentlicher Bestandteil einer einheitlichen Sache vorliegt (vgl. MüKoBGB/Stresemann, 9. Aufl., § 93 Rn. 3; Monreal in Festschrift 25 Jahre DNotI, 2018, S. 201, 205; Bühler/Bernert, DNotZ 2023, 290, 293; vgl. auch Senat, Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 253 Rn. 15; Urteil vom 22. Oktober 2021 - V ZR 69/20, BGHZ 231, 310 Rn. 24). Maßgebend dafür, ob eine einheitliche Sache vorliegt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Verkehrsanschauung und - wenn diese fehlt oder nicht festgestellt werden kann - die natürliche Betrachtungsweise eines verständigen Beobachters (vgl. Senat, Urteil vom 22. Oktober 2021 - V ZR 69/20, BGHZ 231, 310 Rn. 24 mwN).
Rz. 14
bb) Dies gilt auch bei Gebäuden. Zwar hat der Senat unter Bezugnahme auf die Wertung des § 93 BGB ausgeführt, dass sich die Frage, ob ein Bauwerk ein einheitliches Gebäude darstelle, in erster Linie nach seiner körperlichen bautechnischen Beschaffenheit beurteile, und dass ein Gebäude, dessen Teile nicht voneinander getrennt werden könnten, ohne dass der eine oder andere zerstört oder in seinem Wesen verändert werde, grundsätzlich ein einheitliches Gebäude sei (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80, NJW 1982, 756; bestätigt in Urteil vom 25. Februar 1983 - V ZR 299/81, NJW 1983, 2022, 2023; vgl. auch Senat, Urteil vom 4. Dezember 1987 - V ZR 189/86, NJW-RR 1988, 458). Der Senat hat aber zugleich betont, dass Verkehrsanschauung oder natürliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise zu einem anderen Ergebnis führen können (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 1981 - V ZR 102/80, NJW 1982, 756; Urteil vom 4. Dezember 1987 - V ZR 189/86, NJW-RR 1988, 458; Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 253 Rn. 15). Er hat deutlich gemacht, dass alle Umstände des Falles gewürdigt werden müssen (vgl. Urteil vom 2. Juni 1989 - V ZR 167/88, MDR 1989, 1089), wobei insbesondere auch dem Gesichtspunkt funktionaler Einheit besonderes Gewicht beizumessen ist (vgl. Urteil vom 4. Dezember 1987 - V ZR 189/86, NJW-RR 1988, 458; Urteil vom 2. Juni 1989 - V ZR 167/88, MDR 1989, 1089; Urteil vom 23. Februar 1990 - V ZR 231/88, BGHZ 110, 298, 301). Ebenso von Bedeutung können die Größe, die Lage, die bauliche Eigenart und die wirtschaftliche Nutzung sein (vgl. Senat, Urteil vom 4. Dezember 1987 - V ZR 189/86, NJW-RR 1988, 458; Urteil vom 23. Februar 1990 - V ZR 231/88, BGHZ 110, 298, 301; Urteil vom 12. Oktober 2001 - V ZR 268/00, NJW 2002, 54; Urteil vom 10. Oktober 2003 - V ZR 96/03, WM 2004, 1340, 1342; Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 253 Rn. 15).
Rz. 15
cc) Maßgeblich für die Beurteilung der Einheitlichkeit von Gebäuden ist bei einem Überbau nach alledem immer die Verkehrsanschauung; die körperliche bautechnische Beschaffenheit stellt nicht das allein entscheidende Kriterium dar, sondern erlangt nur im Rahmen der festzustellenden Verkehrsanschauung Bedeutung. Folgerichtig hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass es der Eigenständigkeit eines Gebäudes nicht entgegensteht, wenn es statisch von anderen Gebäuden bzw. Teilen anderer Gebäude abhängig ist. So hat er die Beurteilung einer Tiefgarage als einheitliche Sache nicht deswegen beanstandet, weil sie statische Verbindungen zu einer aufstehenden Bebauung auswies (vgl. Urteil vom 25. Februar 1983 - V ZR 299/81, NJW 1983, 2022, 2023). Bei einem sogenannten verschachtelten Überbau, also bei einem wechselseitigen Überbau einzelner Geschosse von zwei Gebäuden, hat der Senat die statische Verbundenheit ebenso wenig als entscheidend angesehen. Vielmehr hat er darauf abgestellt, welchem Gebäude die Geschosse bei natürlicher und wirtschaftlicher Betrachtung zuzuordnen sind. Diese mögliche Einheitlichkeit eines Gebäudes trotz der statischen Abhängigkeit bestimmter Teile von einem anderen Gebäude hat der Senat dabei nicht nur für die Teilung eines Grundstücks mit einem über die Grundstücksgrenze reichenden Bauwerk anerkannt (vgl. hierzu Urteil vom 12. Oktober 2001 - V ZR 268/00, NJW 2002, 54; Urteil vom 10. Oktober 2003 - V ZR 96/03, WM 2004, 1340, 1341 f.), sondern auch, anders als Oppermann (DNotZ 2015, 662, 664 f.) meint, bei gestatteten Überbauten (vgl. Urteil vom 15. Februar 2008 - V ZR 222/06, BGHZ 175, 253 Rn. 15 f.). Ist der übergebaute Teil eines Gebäudes nach seiner Lage, baulichen Gestaltung und wirtschaftlichen Nutzung einem bestimmten Gebäude zuzuordnen, ist er auch eigentumsrechtlich diesem Gebäude zugehörig, und zwar selbst dann, wenn er statisch von einem anderen Gebäude abhängig ist. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es sich bei dem Gebäude um eine Tiefgarage handelt.
Rz. 16
dd) Erstreckt sich eine Tiefgarage als rechtmäßiger Überbau auf andere Grundstücke, führt allein die bautechnische und statische Verbindung der Tiefgarage mit auf den überbauten Grundstücken aufstehenden Gebäuden infolgedessen nicht dazu, dass die Tiefgarage kein einheitliches Gebäude ist. Entscheidend für die Einordnung der Tiefgarage als einheitliches Gebäude ist vielmehr die Verkehrsanschauung, wobei die Umstände des Einzelfalles und insbesondere der Gesichtspunkt der funktionalen Einheit zu würdigen sind. Nach der Verkehrsanschauung stehen Verbindungen der auf den überbauten Grundstücken aufstehenden Gebäude mit dem Tiefgaragenkörper durch Treppenhäuser, Aufzugsschächte, Fluchtwege und der Haustechnik dienende Versorgungseinrichtungen oder von den anderen Grundstücken ausgehende weitere Zufahrten der Einordnung der Tiefgarage als einheitliches Gebäude nicht entgegen. Bleibt die Tiefgarage als Ganzes über eine Zufahrt von dem Stammgrundstück aus erreichbar, dienen solche Verbindungen primär den aufstehenden Gebäuden und ihrem Anschluss an die Tiefgarage. Sie ändern nichts daran, dass die Tiefgarage bei funktionaler und wirtschaftlicher Betrachtung als eigenständige Einheit und damit als einheitliches Gebäude angesehen wird (vgl. Weber in Kölner Formularhandbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Kapitel 2 Rn. 73; Teerstegen, ZNotP 2008, 21, 23; Bühler/Bernert, DNotZ 2023, 290, 293 f.).
Rz. 17
5. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist die Annahme des Beschwerdegerichts, hier könne davon, dass die Tiefgarage ein einheitliches Gebäude sei, schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil nicht in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen sei, dass die auf dem Hausgrundstück befindlichen Teile des Tiefgaragenkörpers mit dem darauf (zukünftig) errichteten Gebäude kein einheitliches Bauwerk bildeten.
Rz. 18
a) Ob sich - wie die Rechtsbeschwerde meint - aus der Aufbaugrunddienstbarkeit etwas für die sachenrechtliche Zuordnung des aufgebauten Gebäudes oder der Tiefgarage ergibt, kann dahinstehen. Daher kommt es auch nicht darauf an, inwieweit eine Aufbaudienstbarkeit, die - wie hier - lediglich das Recht zu dem Aufbau eines Wohngebäudes auf der Tiefgaragendecke gewährt, dem Eigentümer - anders als eine Nutzungsdienstbarkeit mit einem darüber hinaus gehenden Inhalt - überhaupt einen rechtlichen Vorteil im Sinne des § 1019 Satz 1 BGB verschaffen kann oder ob diese Befugnis nicht ohnehin gemäß § 903 Satz 1 BGB besteht.
Rz. 19
b) Das Beschwerdegericht überspannt jedenfalls die Anforderungen an die Nachweise, die von dem Antragsteller im Rahmen des Grundbuchverfahrens zu erbringen sind. Zu Unrecht verlangt es einen grundbuchmäßigen Beleg der negativen Tatsache, dass die übergebaute Tiefgarage und das auf dem Hausgrundstück aufstehende Gebäude kein einheitliches Gebäude sind.
Rz. 20
aa) Zwar müssen im Grundbuchverfahren grundsätzlich Nachweise in der Form des § 29 Abs. 1 GBO geführt werden. Etwas anderes gilt aber dann, wenn aufgrund von Umständen, die in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen sind, nach der Lebenserfahrung von bestimmten Tatsachen auszugehen ist. Dann kann ein Nachweis, dass keine Umstände vorliegen, aufgrund derer dieser Erfahrungssatz ausnahmsweise nicht eingreift, von dem Antragsteller grundsätzlich nicht gefordert werden. Der Zwang, derartige, in der Regel fernliegende Möglichkeiten zu berücksichtigen, würde zu einem leeren Formalismus führen und den Grundbuchverkehr unnötig erschweren (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 1961 - V ZB 17/60, BGHZ 35, 135, 141 f.; Beschluss vom 14. Februar 1985 - V ZB 20/84, BGHZ 94, 24, 27; vgl. allgemein zu Erfahrungssätzen im Grundbuchverfahren: Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 159; Bauer/Schaub/Bayer/Meier-Wehrsdorfer, GBO, 4. Aufl., § 29 Rn. 176).
Rz. 21
bb) Ein solcher Erfahrungssatz greift hier ein.
Rz. 22
(1) Erstreckt sich ein Tiefgaragenkörper, der durch eine Zufahrt von dem Stammgrundstück aus als Ganzes erreichbar ist, als rechtmäßiger Überbau auf andere Grundstücke, ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass sich die eigentumsrechtliche Zuordnung dieses Überbaus nicht allein dadurch ändert, dass auf den überbauten Tiefgaragenteilen Gebäude aufgebaut wurden bzw. werden können. Denn die aus einem Aufbau folgende bautechnische und statische Verbindung ändert für sich genommen nichts an der eigentumsrechtlichen Zuordnung der Tiefgarage zu dem Stammgrundstück. Gleiches gilt für Verbindungen durch Treppenhäuser, Fluchtwege, Aufzugschächte, für Versorgungseinrichtungen und für weitere Zufahrten (siehe oben Rn. 16). Vielmehr ist aufgrund der eigenständigen funktionalen Bedeutung einer grundstücksübergreifenden Tiefgarage davon auszugehen, dass diese nach der Verkehrsanschauung im Regelfall unabhängig von einer aufstehenden Bebauung als eigenständiges Gebäude anzusehen ist (vgl. Monreal in Festschrift 25 Jahre DNotI, 2018, S. 201, 205; Bühler/Bernert, DNotZ 2023, 290, 293, 294; ähnlich Teerstegen, ZNotP 2008, 21, 23; ders., RNotZ 2006, 433, 440; Weber in Kölner Formularhandbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., Kapitel 2 Rn. 73). Ist in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen, dass die im Wege des rechtmäßigen Überbaus grenzüberschreitend errichtete Tiefgarage durch eine Zufahrt von dem Stammgrundstück aus als Ganzes erreichbar ist, ist von dem Grundbuchamt aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss zu ziehen, dass der Tiefgaragenkörper unabhängig von einer aufstehenden Bebauung auf dem überbauten Grundstück eigentumsrechtlich dem Stammgrundstück zuzuordnen ist. Dies setzt allerdings voraus, dass sich ein Gebäudeteil der Tiefgarage auf dem Stammgrundstück befindet. Dafür reicht es aus, dass jedenfalls die befestigte Rampe, die in die Tiefgarage hinunterführt und die regelmäßig als Gebäudebestandteil anzusehen ist (zutreffend OLG Rostock, OLGR 2002, 265, 267; dazu bereits Senat, Urteil vom 15. November 2013 - V ZR 24/13, NJW 2014, 311 Rn. 15), auf dem Stammgrundstück gelegen ist. Auch hierfür ist ein grundbuchmäßiger Nachweis erforderlich.
Rz. 23
(2) Hier hat die Beteiligte durch die Nachbarschafts- und Rahmenvereinbarung als Teil der notariellen Teilungserklärung (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG), insbesondere aber durch die zugunsten des Tiefgaragengrundstücks eingetragenen Überbaugrunddienstbarkeiten (vgl. Senat, Urteil vom 15. November 2013 - V ZR 24/13, NJW 2014, 311 Rn. 9) in der erforderlichen Form des § 29 Abs. 1 GBO nachgewiesen, dass die Tiefgarage einen rechtmäßigen Überbau des Tiefgaragengrundstücks darstellt. Zudem hat sie durch die mit dem Antrag als Anlage zur Teilungserklärung vorgelegten Aufteilungspläne in der erforderlichen Form nachgewiesen, dass der Tiefgaragenkörper von dem Stammgrundstück aus als Ganzes erreichbar ist. Auch ist in der erforderlichen Form nachgewiesen, dass ein Teil des Tiefgaragengebäudes auf dem Stammgrundstück gelegen ist. Daher musste das Grundbuchamt, ohne weitere Nachweise fordern zu dürfen, und unabhängig von einem auf dem Hausgrundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude nach der Lebenserfahrung davon ausgehen, dass der Tiefgaragenkörper eigentumsrechtlich dem Tiefgaragengrundstück zuzuordnen ist. Darauf, ob möglicherweise künftig ein Gebäude auf dem Tiefgaragenkörper errichtet wird, kann es für die Einheitlichkeit der Tiefgarage nach dem zuvor Ausgeführten von vornherein nicht ankommen. Hier ist das auf dem Hausgrundstück geplante Gebäude, wie sich aus der in Bezug genommenen, vorangegangenen Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 22. Juli 2020 (20 W 296/19, juris Rn. 18) ergibt, abgesehen von einer statischen Verzahnung mit der Tiefgarage in seiner Funktion ohnehin völlig autark und weist keine Verbindungen bautechnischer oder funktionaler Art zu dem Tiefgaragenkörper auf.
IV.
Rz. 24
1. Da das Beschwerdegericht die Beschwerde zu Unrecht zurückgewiesen hat, sind seine Entscheidung und der Beschluss des Grundbuchamts aufzuheben (§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 74 Abs. 5 FamFG). Die Sache ist zur Entscheidung über das Eintragungsersuchen an das Grundbuchamt zurückzuverweisen (§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 74 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 FamFG), das den Vollzug der Eintragung nicht aus den in dem Beschluss des Grundbuchamts und der Beschwerdeentscheidung genannten Gründen verweigern darf. § 1 Abs. 4 WEG steht der Eintragung nicht entgegen. Die weiteren Gründe, auf die das Grundbuchamt die Ablehnung des Antrags gestützt hat, verneint das Beschwerdegericht mit insoweit zutreffender Begründung.
Rz. 25
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Brückner |
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Göbel |
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Malik |
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Laube |
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RinBGH Dr. Grau ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Karlsruhe, den 6.7.2023 |
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Die Vorsitzende Brückner |
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Fundstellen
Haufe-Index 15782961 |
BGHZ 2024, 184 |