Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Umständen der Erwerb von weniger als 25 % der Anteile an einem anderen Unternehmen als Zusammenschluß nach § 23 Abs. 2 GWB gilt.
Normenkette
GWB § 23 Abs. 2 Nr. 2 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts wird der Beschluß des Kartellsenats des Kammergerichts vom 10. Januar 1996 aufgehoben.
Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und zu 2 gegen den Beschluß des Bundeskartellamts, 8. Beschlußabteilung, vom 30. September 1994 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten zu 1 und zu 2.
Der Verfahrenswert wird auf 1,5 Mio. DM festgesetzt.
Gründe
Die in der Energieversorgung tätigen Beteiligten zu 1 (im folgenden HASTRA) und zu 2 (im folgenden SWH) gründeten im Jahre 1994 zusammen mit der Beteiligten zu 3 (im folgenden Stadt Garbsen) – unter dem Vorbehalt der Nichtuntersagung durch das Bundeskartellamt – die Stadtwerke Garbsen GmbH, an der HASTRA 26 %, SWH 20 % und die Stadt Garbsen 54 % des Kapitals halten sollten. Die Stadtwerke Garbsen sollten von HASTRA und SWH die Versorgung der Endverbraucher mit leitungsgebundener Energie übernehmen.
Garbsen ist eine im Nordwesten an das Stadtgebiet von Hannover angrenzende Stadt mit 62.000 Einwohnern. Das Stadtgebiet von Garbsen wurde bis 1994 von der HASTRA mit Strom und Fernwärmte sowie von der SWH – teilweise über das Tochterunternehmen Gasversorgung Nord-Hannover GmbH (im folgenden GVN) – mit Gas versorgt. Grundlage der Versorgung waren Konzessionsverträge, deren Laufzeit teilweise noch in die Zukunft reichte (Konzessionsverträge HASTRA/Stadt Garbsen für Strom bis zum Jahre 2006 und für Wärme bis zum Jahre 2012) und teilweise mit dem Jahre 1994 endete (Konzessionsvertrag SWH/Stadt Garbsen für Gas).
Bei der HASTRA handelt es sich um ein bedeutendes reg nales Versorgungsunternehmen mit Umsatzerlösen von (1993) 1,7 Mrd. DM; auf die Stromversorgung im Konzessionsgebiet von Garbsen entfielen davon 33,1 Mio. DM. An der HASTRA mit 57,49 % die PreußenElektra (Preußische Elektrizitäts AG) beteiligt, das zweitgrößte inländische Stromverbundunternehmen (Umsatz 1993 12,4 Mrd. DM), dessen Anteile wiederum von der VEBA AG (Konzernumsatz 1993 66,35 Mrd. DM) gehalten werden. Die HASTRA versorgt als Stromlieferantin ein durch Demarkationsverträge geschütztes Gebiet, das fast ein Drittel der Fläche Niedersachsens ausmacht und in dem in 314 Städten und Gemeinden 1,9 Mio. Menschen leben, davon etwa 70 % (1,317 Mio. Einwohner in 213 Städten und Gemeinden) unmittelbar. Den Strom bezieht die HASTRA im wesentlichen von der PreußenElektra; in geringem Umfang erzeugt sie Strom in eigenen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und aus Quellen regenerativer Energie. Außerdem versorgt die HASTRA einige niedersächsische Städte und Gemeinden sowie ein größeres zusammenhängendes Gebiet im Norden von Sachsen-Anhalt mit Gas.
Von der SWH werden die Stadt Hannover sowie die im Norden angrenzende Stadt Langenhagen und ein Ortsteil der im Westen angrenzenden Stadt Seelze mit Strom versorgt. Sie erzeugt den verteilten Strom zu etwa drei Vierteln selbst, den Rest bezieht sie von der PreußenElektra. Mit Gas versorgt die SWH neben der Stadt Hannover eine ReLhe von Städten im Landkreis Hannover. Die SWH erzielte 1993 Umsatzerlöse von 1,3 Mrd. DM, davon mit dem Gasabsatz in Garbsen 20,9 Mio. DM.
Nach dem Konsortialvertrag der Beteiligten sollte die zu gründende Stadtwerke Garbsen GmbH ab dem 1. Januar 1995 die Strom-, Fernwärme- und Gasversorgung des Stadtgebiets von Garbsen übernehmen. Hierzu sollte HASTRA die laufenden Konzessionsverträge für Strom und Fernwärme auf die GmbH überleiten. Ferner war vorgesehen, daß HASTRA die vorhandenen Stromversorgungsanlagen und SWH die Gasversorgungsanlagen oder das Tochterunternehmen GVN mit den Gasversorgungsanlagen in die zu gründende GmbH einbringen. HASTRA und SWH sollten die Stadtwerke Garbsen, die mit der Stadt einen Konzessionsvertrag mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren abschließen sollten, auf der Grundlage fester, ebenfalls über zwanzig Jahre laufender Lieferverträge mit Strom bzw. Gas versorgen.
Der Gesellschaftsvertrag der Stadtwerke Garbsen GmbH sieht vor, daß eine Reihe der Gesellschafterversammlung vorbehaltener Entscheidungen einer Mehrheit von mehr als 80 % der Stimmen bedürfen, u.a. die Änderung des Gesellschaftsvertrages einschließlich Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen, die Übertragung von Geschäftsanteilen und der Beschluß über die Gewinnverwendung oder die Abdeckung eines Verlustes. Die Geschäftsleitung soll durch einen Aufsichtsrat überwacht werden, dem eine Reihe von Geschäften zur Beschlußfassung vorbehalten sind. Der zwölfköpfige Aufsichtsrat – die Stadt Garbsen soll sechs, HASTRA drei und SWH zwei Mitglieder entsenden, ein Mitglied soll von den Arbeitnehmern der Gesellschaft gewählt werden – beschließt im allgemeinen mit einfacher Mehrheit; einer Mehrheit von mehr als zehn Stimmen bedürfen jedoch der Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken sowie die Aufnahme von Darlehen und die Übernahme von Bürgschaften, „wenn im Einzelfall ein vom Aufsichtsrat festgelegter Betrag überschritten wird”.
Um den Stadtwerken Garbsen die vorgesehene Versorgungstätigkeit zum 1. Januar 1995 zu ermöglichen, gründeten die Beteiligten die Stadtwerke Garbsen GmbH bis zum Abschluß des vorliegenden Rechtsstreits mit modifizierten Geschäftsanteilen und veränderten Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag um. Zum 1. Januar 1995 übernahmen die Stadtwerke Garbsen entsprechend der getroffenen Vereinbarung die Versorgung im geplanten Umfang.
Das Bundeskartellamt hat mit Beschluß vom 30. September 1994 (WuW/E BKartA 2701) die Beteiligung von HASTRA und SWH an den Stadtwerken Garbsen untersagt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 (HASTRA) und zu 2 (SWH) hat das Kammergericht diesen Beschluß aufgehoben (KG WuW/E OLG 5621). Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde begehrt das Bundeskartellamt die Aufhebung dieses Beschlusses und die Wiederherstellung seiner Untersagungsverfügung. Die Beteiligten zu 1 und 2 treten der Rechtsbeschwerde entgegen.
B.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Kammergerichts und zur Bestätigung der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts.
I. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner E scheidung ausgeführt:
Sowohl der Anteilserwerb durch HASTRA als auch derjenige durch SWH erfülle einen Zusammenschlußtatbestand. Zu Recht habe das Bundeskartellamt insofern § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 GWB herangezogen, wonach auch der Erwerb eines unter 25 % bleibenden Anteils als Zusammenschluß gelte, wenn dem Erwerber eine Rechtsposition eingeräumt werde, die dem mit einer Sperrminorität ausgestatteten Aktionär vergleichbar sei. SWH habe durch den Gesellschaftsvertrag eine solche Stellung erhalten sollen; ausschlaggebend sei insofern die ihr in der Gesellschafterversammlung zustehende Sperrminorität gegen die Änderung des Gesellschaftsvertrages einschließlich Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen. Hinzu komme, daß für Anteilsübertragungen die Zustimmung von SWH erforderlich sei und damit der Eintritt weiterer Gesellschafter verhindert werden könne. Zudem könne SWH dadurch, daß der Beschluß über die Gewinnverwendung in der Gesellschafterversammlung von ihrer Zustimmung abhänge, die finanzielle Handlungsfreiheit der Stadtwerke Garbsen beeinflussen, indem sie sich der Bildung von Rücklagen aus dem Gewinn ganz oder teilweise verweigere. Insgesamt machten es die gesellschaftsvertraglichen Befugnisse der SWH erforderlich, den Ant eilserwerb als eine fusionskontrollrechtlich relevante Beteiligung zu bewerten.
Die Untersagungsverfügung sei jedoch aufzuheben, weil die Zusammenschlüsse keine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellungen erwarten ließen. Wegen der noch bis zum Jahre 2014 laufenden Lieferverträge komme für eine Verstärkungswirkung nur die Zeit nach Ablauf dieser Verträge in Betracht. Die gebotene Prognose müsse auch und primär die Erwartung enthalten, daß das betreffende Unternehmen den Markt bei Eintritt der verstärkenden Wirkung beherrschen werde. Dies könne derzeit jedoch nicht verläßlich abgeschätzt werden. Der Wert von Voraussagen sei über einen derart langen Zeitraum überaus zweifelhaft. Wenn in früheren die Energiemärkte betreffenden Entscheidungen auch über einen solch langen Zeitraum Prognosen angestellt worden seien, sei dies durch das bestehende Geflecht von Demarkations- und Konzessionsverträgen zu rechtfertigen gewesen, d.ie eine Veränderung der Marktstruktur nicht hätten erwarten lassen. Die von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, aber auch im nationalen Rahmen eingeleiteten Schritte zur Liberalisierung der Energiemärkte ließen jedoch inzwischen eine solche Prognose nicht mehr zu; allein die Möglichkeit des Fortbestehens einer Marktbeherrschung sei keine tragfähige Grundlage für die Untersagungsverfügung. Die durch die Lieferverträge gesicherte Marktposition von HASTRA und SWH im Gebiet Garbsen sei befristet. Auch das Bundeskartellamt rechne schon auf der Grundlage der gegenwärtigen Rechtslage damit, daß nach dem Auslaufen der Lieferverträge andere Anbieter als Strom- und Gaslieferanten in Betracht kämen. All diese Unwägbarkeiten ließen eine verläßliche Vorhersage nicht zu. Das Risiko einer Fehleinschätzung sei zu groß, als daß man es einseitig den betroffenen Unternehmen aufbürden könne.
Die Untersagung könne aber auch deswegen keinen Bestand haben, weil der Zusammenschluß keine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellungen von HASTRA und SWH erwarten lasse. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß HASTRA und SWH ihre Absatzmöglichkeiten im Gebiet von Garbsen durch den Zusammenschluß über die Laufzeit der derzeitigen Lieferverträge hinaus sichern könnten. Denn sie seien weder einzeln noch gemeinsam in der Lage, über die Auswahl des Lieferanten zu entscheiden. Da Lieferverträge in die Zuständigkeit des -insofern mit einfacher Mehrheit beschließenden – Aufsichtsrats fielen, könne die Stadt Garbsen mit ihren sechs (von zwölf) Aufsichtsratsmitgliedern und der bei Stimmengleichheit den Ausschlag gebenden Stimme des von ihr gestellten Aufsichtsratsvorsitzenden ihren Willen bei der Wahl der Lieferanten durchsetzen. Andere mögliche Einflüsse wie die Verbundenheit in der Gesellschafterversammlung seien zu vage, um darauf eine Prognose stützen zu können. Ein maßgeblicher Einfluß von HASTRA und SWH lasse sich auch nicht mit gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten begründen; die zum sparsamen Umgang mit Haushaltsmitteln verpflichtete kommunale Gesellschafterin werde günstigere Angebote von Wettbewerbern vorziehen. HASTRA habe auch keine Handhabe, die Errichtung von Eigenerzeugeranlagen durch die Stadt Garbsen oder die Stadtwerke Garbsen zu verhindern.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben Erfolg.
II. Zutreffend hat das Kammergericht zunächst einen Mangel des kartellamtlichen Verfahrens verneint, der – nach Auffassung von SWH – darin begründet sein soll, daß GVN am Untersagungsverfahren nicht beteiligt und ihr auch die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes nicht zugestellt worden ist. Im Rahmen des untersagten Zusammenschlusses sei beabsichtigt gewesen, daß sie, SWH, ihr Tochterunternehmen GVN in das gegründete Gemeinschaftsunternehmen einbringe; es sei also ein Anteils- oder Vermögenserwerb durch die Stadtwerke Garbsen geplant gewesen, bei dem das übernommene Unternehmen (GVN) notwendig Beteiligte sei.
Nach dem Konsortialvertrag sollte SWH das vorhandene Gasleitungsnetz an das Gemeinschaftsunternehmen Stadtwerke Garbsen in der Weise übertragen, daß sie entweder das Leitungsnetz unmittelbar oder ihre hundertprozentige Tochter GVN mit dem Leitungsnetz in die neue Gesellschaft einbringt. Auch wenn diese Übertragung als Anteils- oder Vermögenserwerb einen Zusammenschlußtatbestand des § 23 Abs. 2 GWB erfüllt, war sie weder Gegenstand der Anmeldung nach § 24 a GWB noch des sich daran anschließenden kartellamtlichen Verfahrens und der kartellamtlichen Untersagungsverfügung. Eine Notwendigkeit, GVN an dem Untersagungsverfahren zu beteiligen (§ 51 Abs. 2 GWB) und ihr die ergangene Untersagungsverfügung zuzustellen (§ 57 Abs. 1 Satz 2 GWB), bestand demnach nicht.
Mit Recht hat das Kammergericht hinsichtlich der Beteiligung sowohl der HASTRA als auch der SWH einen Zusammenschlußtatbestand bejaht.
1. Hinsichtlich des Erwerbs eines Geschäftsanteils von 26 % an den Stadtwerken Garbsen durch HASTRA ist der Zusammenschlußtatbestand des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 lit. a GWB gegeben.
2. Die unter 25 % liegende Beteiligung der SWH an dem Gemeinschaftsunternehmen Stadtwerke Garbsen stellt ebenfalls einen Zusammenschluß dar. Wie das Kammergericht zutreffend angenommen hat, wird SWH durch den Gesellschaftsvertrag eine Rechtsstellung verschafft, die der eines Aktionärs mit mehr als 25 % des stimmberechtigten Kapitals der Aktiengesellschaft entspricht (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 GWB).
Das Kammergericht hat zu Recht in erster Linie darauf abgestellt, daß der Gesellschaftsvertrag für Satzungsänderungen einschließlich Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen eine qualifizierte Mehrheit von 80 % voraussetzt (§ 12 Satz 2 i.V. mit Satz 1 lit. a des Gesellschaftsvertrages). Wie der Senat bereits entschieden hat, kommt es im Rahmen des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 GWB nicht auf eine völlige Übereinstimmung der Rechtsstellung des Erwerbers mit der des Aktionärs mit Sperrminorität an (BGHZ 102, 180, 186 – Singener Wochenblatt). Erforderlich ist lediglich eine Vergleichbarkeit der beiden Stellungen; sie ist aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln, die sich auf alle dem Erwerber eingeräumten Befugnisse erstrecken muß. Von den Befugnissen des Aktionärs mit Sperrminorität steht dabei die Möglichkeit, Satzungsänderungen (§ 179 AktG), Kapitalerhöhungen (§§ 182, 193, 202, 207, 221 AktG) und -herabsetzungen (§§ 222, 229 AktG) zu unterbinden, im Vordergrund (BGHZ 102, 185 f. – Singener Wochenblatt). Sie findet im Streitfall in der angeführten Bestimmung des Gesellschaftsvertrages ihre Entsprechung. Dazu treten – wie das Kammergericht zutreffend ausgeführt hat – eine Reihe weiterer Befugnisse, die teilweise – wie die Möglichkeit, eine Auflösung der Gesellschaft zu verhindern (§ 12 Satz 2 i.V. mit Satz 1 lit. i des Gesellschaftsvertrages) – in ähnlicher Form dem Aktionär mit Sperrminorität zustehen (§ 262 AktG), teilweise auch über dessen Einflußmöglichkeiten hinausgehen. Hierzu zählen etwa die Sperrbefugnisse bei Anteilsübertragungen und bei der Gewinnverwendung (§ 12 Satz 2 i.V. mit Satz 1 lit. e und g des Gesellschaftsvertrages) sowie die Möglichkeit, im Aufsichtsrat eine zustimmende Beschlußfassung über den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken oder über die Aufnahme von Darlehen zu verhindern, wenn im Einzelfall ein vom Aufsichtsrat festgelegter Betrag überschritten wird (§ 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages). Da diese Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung eine Mehrheit von 80 % bzw. im Aufsichtsrat eine Mehrheit von mehr als zehn der maximal zwölf Stimmen erfordern, steht SWH mit ihrem Geschäftsanteil von 20 % und einer entsprechenden Stimmenzahl in der Gesellschafterversammlung sowie mit zwei von ihr entsandten Aufsichtsratsvertretern diese Möglichkeit offen (§ 8 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Die Sperrbefugnis im Aufsichtsrat wird nicht dadurch entwertet, daß die Grenze, von der ab eine Beschlußfassung der qualifizierten Mehrheit des Aufsichtsrats bedarf, vom Aufsichtsrat selbst festgelegt wird. Denn ungeachtet der Frage, ob auch schon die erste Festlegung eine qualifizierte Mehrheit von mehr als zehn Stimmen erfordert, kann die Grenze nach einer einmal erfolgten Festlegung jedenfalls nicht mit einfacher Mehrheit heraufgesetzt werden (vgl. BGHZ 76, 191, 195 f. zur Anderung einer dem Minderheitsschutz dienenden Satzungsbestimmung einer Aktiengesellschaft).
IV. Es ist zu erwarten, daß sich die beherrschende Stellung, über die HASTRA und SWH auf den regionalen Strom- bzw. Gasverteilermärkten verfügen, durch den angemeldeten Zusammenschluß verstärken wird (§ 24 Abs. 1 Satz 1 GWB).
1. Der sachlich relevante Markt ist der Markt der regionalen Strom- bzw. Gasverteilung. Der räumlich relevante Markt wird durch das Versorgungsgebiet der HASTRA bzw. der SWH bestimmt. Auf dem Stromverteilermarkt ist HASTRA, auf dem Gasverteilermarkt SWH infolge von Gebietsschutzverträgen und infolge der Eigentumsverhältnisse an den Versorgungsanlagen beherrschend, denn es gibt dort keine Wettbewerber (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 GWB). Der Annahme des Bundeskartellamts, der Zusammenschluß verstärke auch die Stellung der HASTRA auf den dem Stadtgebiet Garbsen benachbarten lokalen Letztverbrauchermärkten, soweit siedort tätig sei, bedarf keiner Prüfung, weil bereits die Auswirkungen auf den regionalen Stromverteilermarkt ausreichen, die Untersagung des Zusammenschlusses zu rechtfertigen.
2. Das Kammergericht hat seine Annahme, daß sich die marktbeherrschende Stellung von HASTRA und SWH durch den Zusammenschluß nicht verstärken werde, auf zwei Begründungen gestützt. Zum einen könne sich eine mögliche Verstärkung der Marktstellung von HASTRA und SWH allenfalls im Jahre 2014 auswirken, wenn die Stadtwerke Garbsen erneut über den Abschluß eines Strom- und eines Gasliefervertrags zu entscheiden hätten; ob aber zu diesem Zeitpunkt HASTRA und SWH noch marktbeherrschend seien, könne nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden (dazu unten a). Zum anderen sei nicht anzunehmen, daß HASTRA und SWH ihre Absatzmöglichkeiten im Gebiet der Stadt Garbsen durch den Zusammenschluß langfristig, also über die laufenden Lieferverträge hinaus, gesichert und damit ihre jeweilige Marktstellung konsolidiert hätten (dazu unten b).
Beide Begründungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Die Verstärkung der Marktstellung von HASTRA und SWH würde bereits mit dem Zusammenschluß eintreten. Dem Kammergericht könnte aber auch dann nicht gefolgt werden, wenn auf das Jahr 2014 abzustellen wäre.
aa) Die Auffassung des Kammergerichts, im Streitfall komme allenfalls eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von HASTRA und SWH im Jahre 2014 in Betracht, weil der Zusammenschluß bis dahin keine nachteiligen Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen haben könne, begegnet durchgreifenden Bedenken.
Dabei kann dahinstehen, ob die Ende 1994 entsprechend der Vereinbarung im Konsortialvertrag mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren abgeschlossenen Lieferverträge bei der Beurteilung der Folgen des angemeldeten Zusammenschlusses unberücksichtigt bleiben müssen. Denn auch wenn die Marktverhältnisse hinsichtlich des Absatzes von Strom und Gas im Gebiet der Stadt Garbsen mit Blick auf die laufenden Konzessions- und Lieferverträge bis zum Jahre 2014 unverändert bleiben, würde sich doch eine langfristige Absicherung der zukünftigen Absatzchancen bereits heute verstärkend auf die jeweilige Marktposition von HASTRA und SWH auswirken. Die Marktstellung eines regionalen Strom- oder Gasverteilungsunternehmens wie HASTRA oder SWH wird nicht allein dadurch beeinflußt, daß es in dem von ihm versorgten Gebiet keinem Wettbewerb ausgesetzt ist; sie wird maßgebend auch davon geprägt, daß diese Situation durch langfristige Demarkationsund Konzessionsverträge sowie durch entsprechende langfristige Lieferverträge mit Ausschließlichkeitsbindung stabil gehalten wird. Für den Abnehmer, also für den lokalen Gebietsversorger, kommt ein Wechsel im allgemeinen nur in großen zeitlichen Abständen in Betracht. Würde es HASTRA und SWH durch die Beteiligung an den Stadtwerken Garbsen gelingen, die durch das Gesetz (§ 103 a Abs. 1 Satz 1 GWB) vorgesehene Höchstgrenze für die Laufzeit der Konzessions- und damit auch der Lieferverträge zu überspringen und sich ein Absatzgebiet über die Vertragslaufzeit hinaus dauerhaft zu sichern, läge darin schon heute eine deutliche Verstärkung der jeweils bestehenden marktbeherrschenden Stellung.
bb) Doch auch wenn allein die Möglichkeit einer Verstärkung der Marktstellung vom Jahre 2014 an berücksichtigt wird, hat das Kammergericht zu Unrecht angenommen, es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, daß HASTRA und SWH zu diesem Zeitpunkt noch marktbeherrschend seien.
Für die im Rahmen des § 24 Abs. 1 GWB erforderliche Prognoseentscheidung sind die Wettbewerbsbedingungen, die ohne den Zusammenschluß herrschen würden, mit denen zu vergleichen, die durch den Zusammenschluß entstanden sind oder entstehen (BGHZ 76, 55, 73 – Elbe Wochenblatt 1; 82, 1, 9 – Zeitungsmarkt München; BGH, Beschl. v. 27.5.1986 – KVR 7/84, WuW/E 2276, 2283 – Süddeutscher Verlag/Donau-Kurier). Geht es dabei um eine erst in Zukunft eintretende Verstärkung einer bestehenden marktbeherrschenden Stellung, muß die Prognose auch den Umstand umfassen, daß das betreffende Unternehmen zu dem zukünftigen Zeitpunkt noch marktbeherrschend ist (vgl. Harms in Gemeinschaftskommentar zum GWB, 4. Aufl., § 24 Rdn. 354).
Im Streitfall kann nicht davon ausgegangen werden, daß HASTRA und SWH ihre marktbeherrschenden Stellungen in absehbarer Zeit verlieren werden. Das Kammergericht hat seine gegenteilige Auffassung in erster Linie mit den – auf europäischer und auf nationaler Ebene bestehenden – Plänen zur Liberalisierung der Energiemärkte begründet. Neben der Entwicklung der strukturellen Marktbedingungen können jedoch erwartete Entscheidungen der rechtsetzenden Organe nicht ohne weiteres in die Prognose einbezogen werden. Denn grundsätzlich ist die geltende Rechtslage Ausgangspunkt und Grundlage der Untersuchung, welche Auswirkungen ein bestimmter Zusammenschluß auf die Stellung der beteiligten Unternehmen im Markt haben wird; mögliche Veränderungen der Rechtslage können im allgemeinen nicht ihrerseits zum Gegenstand der vorausschauende n Betrachtung durch die Kartellbehörde und die Kartellgerichte gemacht werden. Dies besagt nicht, daß nicht in Ausnahmefällen eine bevorstehende Gesetzesänderung bei der Prognose berücksichtigt werden darf. Dies setzt jedoch voraus, daß für eine konkret umrissene Anderung – entsprechend den Anforderungen, unter denen künftige Veränderungen anderer Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zu berücksichtigen sind (vgl. BGHZ 71, 102, 114 f., 117 – Kfz-Kupplungen, unter Berufung auf die Begründung der 2. GWB-Novelle, BT-Drucks. VI/2520, S. 29; Harms aaO § 24 Rdn. 360; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rdn. 848; Emmerich, Kartellrecht, 7. Aufl., S. 384 f.) – e ne hohe Wahrscheinlichkeit spricht.
Ob diese Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer möglichen Änderung der Rechtslage hier vorliegen, ist zweifelhaft, kann aber im Streitfall offenbleiben. Denn es wäre weiterhin erforderlich, daß sich mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit aufgrund der Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen in absehbarer Zeit die tatsächlichen Verhältnisse änderten und – auf den Streitfall bezogen – HASTRA und SWH ihre marktbeherrschenden Stellungen verlieren würden.
Nach wirtschaftlicher Erfahrung kann hiervon nicht ausgegangen werden. Auch wenn eine Monopolstellung von HASTRA und SWH nicht mehr bestünde, vielmehr auf den hier maßgeblichen regionalen Strom- und Gasverteilermärkten auch andere Versorgungsunternehmen tätig wären, käme HASTRA und SWH doch im Hinblick auf Marktanteil, im Hinblick auf bestehende Leitungsnetze und die vertraglich abgesicherten Absatzmöglichkeiten, im Hinblick auf den Zugang zu den Beschaffungsmärkten (vor allem der Stromerzeugung) sowie im Hinblick auf die Finanzkraft weiterhin eine überragende Marktstellung zu, die erfahrungsgemäß wegen der Langfristigkeit der Dispositionen der Nachfrageseite und wegen der Höhe der von möglichen Wettbewerbern zu erbringenden Investilt–-ionen innerhalb überschaubarer Zeit kaum gefährdet wäre.
b) Der Annahme einer Verstärkung der jeweiligen marktbeherrschenden Stellung von HASTRA und SWH durch den geplanten Zusammenschluß hat das Kammergericht entgegengehalten, weder die Stellung, die HASTRA und SWH als Gesellschafterinnen bei den Stadtwerken Garbsen einnähmen, noch weitere tatsächliche Umstände verschafften ihnen einen hinreichenden Einfluß auf zukünftige Nachfrageentscheidungen bei den Stadtwerken Garbsen. Auch diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Vielmehr ist anzunehmen, daß sich aufgrund des Zusammenschlusses die Marktstellung von HASTRA ebenso wie die von SWH auf den jeweiligen Märkten dadurch verstärkt, daß sie sich kraft ihrer Stellung bei den Stadtwerken Garbsen die Möglichkeit verschaffen, den Strom- und Gasabsatz in der Stadt Garbsen langfristig für das jeweilige eigene Unternehmen zu sichern.
aa) Im Ansatz zutreffend ist das Kammergericht zunächst davon ausgegangen, daß jedenfalls bei vertikalen Zusammenschlüssen, bei denen sich der Marktanteil des Erwerbers auf dem relevanten Markt infolge des Zusammenschlusses nicht verändert, nicht bereits der für die Bejahung des formellen Zusammenschlußtatbestandes des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 lit. a GWB vorausgesetzte Erwerb eines Geschäftsanteils von mindestens 25 % mit der Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung i.S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 GWB gleichgesetzt werden kann (vgl. BGHZ 73, 65, 77 – Erdgas Schwaben; BGH, Beschl. v. 12.2.1980 – KVR 4/79, WuW/E 1763, 1766 – Bituminöses Mischgut; BGH, Besch!. v. 19.4.1983 – KVR 1/82, WuW/E 2013, 2016 – VEW-Gelsenwasser; Kleinmann/Bechtold, Kommentar zur Fusionskontrolle, 2. Aufl., § 24 GWB Rdn. 38; Harms aao § 24 Rdn. 71 ff.; kritisch Möschel aaO Rdn. 835).
Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde jedoch darauf hin, daß bei Märkten, die durch eine hohe Konzentration geprägt sind, bereits eine geringe Beeinträchtigung des Restwettbewerbs oder des potentiellen Wettbewerbs ausreicht, um eine Verstärkung der beherrschenden Stellung des Erwerbers zu bejahen. Je stärker der Grad-der durch Konzentration eingetretenen Wettbewerbsbeschränkung ist, desto nachhaltiger ist der verbleibende oder – bei monopolistischen Märkten – potentiell aufkeimende Wettbewerb zu schützen (BGH, Beschl. 23.10.1979 – KVR 3/78, WuW/E 1655, 1659 – Zementmahlanlage II; BGHZ 76, 55, 73 f. – Elbe Wochenblatt 1; 82, 1, 11 – Zeitungsmarkt München).
Für die Bejahung einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung genügen daher bereits verhältnismäßig geringfügige Vorteile, die HASTRA und SWH durch den Zusammenschluß zuteil werden. Im Streitfall ist – wie bereits dargelegt -auch für die absehbare Zukunft von einer gesteigerten Konzentration auf dem vorgelagerten Regionalverteilermarkt auszugehen. Andererseits kommen für die Versorgung des Stadtgebiets Garbsen nach den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Bundeskartellamts und des Kammergerichts künftig nicht allein HASTRA ~-„ür Strom und SWH für Gas in Betracht, so daß nicht angenommen werden kann, die Versorgung dieses Gebietes werde den beiden Unternehmen ungeachtet der Beteiligung an den Stadtwerken Garbsen ohnehin zufallen.
bb) Der Zusammenschluß verstärkt die Marktstellung von HASTRA und SWH auf dem regionalen Strom- bzw. Gasverteilermarkt dadurch, daß ihre Aussicht, das Stadtgebiet von Garbsen mit Strom und Gas zu versorgen, unabhängig von der Höchstlaufzeit der Konzessions- und Lieferverträge langfristig verbessert und die eigene Stellung im Markt dadurch konsolidiert wird. Dies reicht als Verstärkungswirkung i.S. des § 24 Abs. 1 Satz 1 GWB aus (vgl. BGHZ 73, 65, 75 Erdgas Schwaben; BGH, Beschl. v. 10.12.1991 – KVR 2/90, WuW/E 2731, 2737 – Inlandstochter; BGHZ 119, 117, 135 Warenzeichenerwerb).
Die im Rahmen des § 24 Abs. 1 Satz 1 GWB anzustellende Wahrscheinlichkeitsprognose erfordert einen Vergleich: Die Entwicklung, die sich als Folge des Zusammenschlusses ergibt, muß mit der Wettbewerbslage verglichen werden, die ohne den Zusammenschluß bestehen würde. Letztere wird bestimmt durch den Rhythmus, der sich aus der (Höchst-)Laufzeit der Konzessionsverträge ergibt (§ 103 a Abs. 1 Satz 1 GWB). Danach besteht für die Strom und Gas nachfragende Stadt Garbsen spätestens nach zwanzig Jahren die Möglichkeit, neue Verträge mit einem nachstoßenden Wettbewerber zu schließen oder dazu überzugehen, die Versorg ung ganz oder teilweise selbst zu übernehmen, wobei allerdings die Versorgungseinrichtungen vom früheren Versorgungsunternehmen übernommen werden müssen. Um jedenfalls in größeren zeitlichen Abständen einen Restwettbewerb um die Versorgungsgebiete zu ermöglichen, läßt das Gesetz unter keinen Umständen eine längerfristige Bindung zu.
Die jeweilige Stellung, die HASTRA und SWH aufgrund des Zusammenschlusses in den Stadtwerken Garbsen einnehmen, vermittelt ihnen demgegenüber eine Reihe von Vorteilen, die zwar nicht zwingend, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit bewirken, daß ihnen das Gebiet der Stadt Garbsen als Absatzgebiet auf lange Sicht erhalten bleibt:
(1) Mit Recht rügt die Rechtsbeschwerde, das Kammergericht habe dem Umstand keine hinreichende Beachtung gegeben 4,~:~-daß mit der gleichzeitigen Beteiligung von HASTRA und SWH an den Stadtwerken Garbs-en jeweils ein wichtiger potentieller Wettbewerber eingebunden wird. Einerseits ist SWH ebenso wie HASTRA ein wichtiger regionaler Stromverteiler, der nach den getroffenen Feststellungen über erhebliche Kapazitäten zur Eigenerzeugung von Strom verfügt und sich als Lieferant auch für die Stadtwerke Garbsen anböte. Andererseits ist HASTRA als regionaler Gasversorger tätig und käme für die Stadtwerke Garbsen auch als Gasliei-erant in Betracht. Im Hinblick auf das Zusammenwirken von HASTRA und SWH bei der Gründung und bei den laufenden Geschäften läge es nahe, daß sich die beiden Unternehmen auch in Zukunft den Strom- und Gasabsatz in Garbsen aufteilten. Damit sicherten und konsolidierten beide Unternehmen durch den Zusammenschluß die jeweils beherrschende Stellung auf dem regionalen Strom- bzw. Gasverteilermarkt.
(2) Ohne das Gemeinschaftsunternehmen der Stadtwerke Garbsen würde die spätestens nach zwanzig Jahren anstehende Entscheidung darüber, bei welchem regionalen Strom- bzw. Gasversorger der Strom und das Gas für die Versorgung des fraglichen Gebiets nachgefragt wird, von der Stadt Garbsen getroffen. Sie bestimmt darüber, mit welchem Versorgungsunternehmen der nächste Konzessionsvertrag geschlossen wird. Nachdem die Stadt die Stadtwerke Garbsen als Unternehmen der lokalen Gebietsversorgung mitgegründet hat, ist dagegen absehbar, daß dieses Unternehmen erneut die Konzessionen für das Stadtgebiet erhalten wird. Die aus der Sicht von HASTRA und SWH maßgebliche Entscheidung, die wiederum spätestens nach zwanzig Jahren ansteht, ist nunmehr nicht diejenige über den Partner des Konzessionsvertrags, sondern die Entscheidung darüber, mit wem die Stadtwerke Garbsen den nächsten Strombezugsvertrag abschließen werden. Diese Entscheidung treffen nicht die Gemeinderäte der Stadt, sondern die Stadtwerke, also eine Gesellschaft, an der HASTRA und SWH maßgeblich beteiligt sind. Ungeachtet der rechtlich abgesicherten sowie der weiteren tatsächlichen Einflußmöglichkeiten bietet allein der Umstand, daß es sich um eine gemeinsam zu treffende Entscheidung handelt, einen nicht unerheblichen Vorteil für HASTRA und SWH.
(3) Sowohl HASTRA als auch SWH können grundlegende Entscheidungen bei den Stadtwerken Garbsen beeinflussen: Drei der zwölf Aufsichtsratsmitglieder werden von HASTRA, zwei von SWH entsandt. In der Gesellschafterversammlung und im Aufsichtsrat steht HASTRA und SWH bzw. den von ihnen entsandten Aufsichtsratsmitgliedern bei grundlegenden Entscheidungen jeweils eine Sperrminorität zu; dies sind in der Gesellschafterversammlung die Satzungsänderung, die Zustimmung zur Obertragung von Geschäftsanteilen sowie die Entscheidung über die Ergebnisverwendung (§ 12 Satz 2 i.V. mit Satz 1 lit. a, e und g des Gesellschaftsvertrages), im Aufsichtsrat sind es die Entscheidungen über den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken oder über die Aufnahme von Darlehen, wenn im Einzelfall ein vom Aufsichtsrat festgelegter Betrag überschritten wird (§ 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags). Wie bereits ausgeführt (s. oben 111.2.), kann dieses Sperrecht nicht dadurch ausgehöhlt werden, daß der Grenzbetrag im Bedarfsfall vom Aufsichtsrat mit einfacher Mehrheit heraufgesetzt wird.
(4) Schon die rechtliche Stellung ermöglicht es HASTRA und SWH entgegen der Meinung des Kammergerichts weitgehend, eine Errichtung von Eigenerzeugungsanlagen durch die Stadtwerke Garbsen zu unterbinden. Beide Unternehmen können ihren satzungsrechtlichen Einfluß gegen die für eine Errichtung von Stromerzeugungseinrichtungen notwendigen Investitionsentscheidungen geltend machen, indem sie in der Gesellschafterversammlung einer entsprechenden Ergebnisverwendung nichtzustimmen oder ihren Einfluß im Aufsichtsrat dazu nutzen, daß dem Erwerb oder der Belastung von Grundstücken sowie der Kreditaufnahme nicht zugestimmt wird.
(5) Die für HASTRA und SWH im Mittelpunkt stehenden Entscheidungen über den Abschluß eines Strom- bzw. Gasbezugsvertrags bedürfen zwar der Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 10 Abs. 2 lit. c des Gesellschaftsvertrags); insofern ist jedoch nur eine einfache Mehrheit erforderlich, so daß die auf Vorschlag von HASTRA und SWH entsandten Mitglieder den Abschluß mit einem anderen Energieversorgungsunternehmen nicht verhindern können. Uni im Aufsichtsrat die Mehrheit zu erreichen und gegebenenfalls die Zustimmung zu einem Strombezugsvertrag mit einem Wettbewerber zu versagen, benötigen sie – wenn sich nicht mehrere Aufsichtsratsmitglieder der Stimme enthalten – die Stimmen des Aufsichtsratsvorsitzenden (dessen Stimme bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt) oder zweier Mitglieder.
(6) Bei der von den Stadtwerken Garbsen zu treffenden Entscheidung, von wem sie Strom und Gas beziehen, sprechen indessen zugunsten von HASTRA und SWH auch tatsächliche Umstände, die als Auswirkungen des Zusammenschlusses ebenfalls zu berücksichtigen sind (vgl. nur BGH WuW/E 2013, 2016 – VEW-Gelsenwasser).
Das Kammergericht hat angenommen, HASTRA und SWH könnten sich bei der Vergabe der Anschlußaufträge gegenüber günstigeren Angeboten der Konkurrenz nicht durchsetzen. Wie die Rechtsbeschwerde mit Erfolg rügt, wird dabei nicht hinreichend beachtet, daß die Vergleichbarkeit der verschiedenen Angebote nicht immer gewährleistet ist und daß sich das billigste Angebot nicht notwendig als das günstigste erweist. Den Organen der Stadtwerke Garbsen-, die über einen neuen Bezugsvertrag entscheiden, bleibt danach ein Spielraum, den sie zugunsten von HASTRA und SWH nutzen können. HASTRA und SWH haben dabei über die von ihnen entsandten Aufsichtsratsmitglieder die Möglichkeit, innerhalb des Entscheidungsgremiums nachdrücklich auf die Vorzüge des eigenen Angebots hinzuweisen.
Ebenfalls mit Recht verweist die Rechtsbeschwerde darauf, daß die wirtschaftlichen Umstände eine Nachfrageentscheidung der Stadtwerke Garbsen zugunsten von HASTRA und SWH begünstigen. In der von der Rechtsbeschwerde angeführten Senatsentscheidung „Bituminöses Mischgut” (BGH WuW/E 1763, 1767 f.) ging es freilich – worauf eine der Rechtsbeschwerdeerwiderungen zutreffend hinweist – um die umgekehrte Konstellation; der Senat hat dort angenommen, es entspreche wirtschaftlicher Vernunft, daß ein an einem Gemeinschaftsunternehmen beteiligtes Unternehmen seinen Bedarf im Falle der Gleichpreisigkeit bei diesem deckt. Doch auch wenn – wie im Streitfall – das nachfragende Gemeinschaftsunternehmen von der Muttergesellschaft beliefert wird, ergibt sich aus der gesellschaftsrechtlichen Verbindung ein wirtschaftlicher Vorteil: HASTRA und SWH können aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafter der Stadtwerk,–Garbsen damit rechnen, daß ihnen jedenfalls ein Teil eines gewährten Preisnachlasses als Gewinn wieder zufließt. Denn je günstiger der Preis ist, den HASTRA oder SWH den Stadtwerken Garbsen berechnen, desto höher fällt tendenziell der Gewinn der Stadtwerke Garbsen aus, an dem HASTRA und SWH beteiligt sind. Dies verschafft HASTRA und SWH im Preiswettbewerb mit anderen Anbietern einen Vorteil.
Schließlich kann die starke Stellung, die HASTRA und SWH bei den Stadtwerken Garbsen einnehmen, andere Anbieter davon abhalten, sich um die Belieferung der Stadtwerke Garbsen zu bemühen. Auch wenn die Vorzüge, die HASTRA und SWH genießen, nicht zu einer sicheren Erwartung einer für sie günstigen Nachfrageentscheidung führen, besteht jedenfalls die Gefahr, daß (potentielle) Wettbewerber entmutigt und von einem aggressiven Wettbewerbsverhalten in bezug auf die Belieferung der Stadtwerke Garbsen abgeschreckt werden. Damit steigert der Zusammenschluß die Fähigkeit von HASTRA und SWH, nachstoßenden Wettbewerb abzuwehren (vgl. BGHZ 71, 102, 119 ff. – Kfz-Kupplungen; 73, 65, 75 – Erdgas Schwaben; BGH, Beschl. v. 25.6.1985 – KVR 3/84, WuW/E 2150, 2157 – Edelstahlbestekke).
C.
Die Entscheidung des Kammergerichts ist danach auf die Rechtsbeschwerde des Bundeskartellamts aufzuheben. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und zu 2 gegen die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts sind zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Satz 1 und 2 GWB.
Unterschriften
Geiß, v. Ungern-Sternberg, Goette, Melullis, Bornkarrm
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.07.1997 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 609942 |
BB 1998, 123 |
DB 1998, 305 |
NJW 1998, 2444 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 97 |
ZIP 1998, 127 |
AG 1998, 335 |
WRP 1998, 199 |
ZNER 1998, 43 |