Tenor
1. Der Antrag des Beschuldigten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 30. März 2023 wird verworfen.
2. Die sofortige Beschwerde des Beschuldigten gegen den vorbezeichneten Beschluss wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs hat jeweils mit Beschluss vom 30. März 2023 dem Beschuldigten gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 1 StPO Rechtsanwalt A. und einen weiteren Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Mit Schreiben vom 8. April 2023 hat der Beschuldigte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, da er andernfalls nicht in der Lage sei, fristgerecht zu dieser Entscheidung Stellung nehmen zu können. Weiter hat er vorgetragen, er habe seine Zustimmung zur Beiordnung von Rechtsanwalt A. in der irrigen Annahme erteilt, die Pflichtverteidigerkosten würden von der Staatskasse getragen.
II.
Rz. 2
1. Das Begehr ist analog § 300 StPO dahin auszulegen, dass der Beschuldigte neben seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2023 eingelegt hat, weil dieses Rechtsmittel gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO statthaft und offensichtlich bezweckt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2022 - StB 38/22, juris Rn. 6).
Rz. 3
2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend dargelegten Gründen unzulässig, weil der Beschuldigte entgegen § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO das fehlende Verschulden an der Fristversäumnis nicht glaubhaft gemacht hat.
Rz. 4
3. Die sofortige Beschwerde ist wegen Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig. Das Rechtsmittel ist binnen einer Woche ab Bekanntmachung der Entscheidung einzulegen (§ 311 Abs. 2 StPO). Der angefochtene Beschluss ist Rechtsanwalt A. am 3. April 2023 und dem Beschuldigten am 6. April 2023 zugestellt worden. Somit endete gemäß § 37 Abs. 2, § 43 Abs. 1 StPO die Beschwerdefrist am 13. April 2023. Die Beschwerdeschrift ist jedoch erst am 17. April 2023 und damit verspätet beim Bundesgerichtshof eingegangen.
Rz. 5
Ungeachtet dessen ist das Rechtsmittel auch mangels Beschwer unzulässig. Denn durch die Bestellung eines Pflichtverteidigers als solche ist ein Beschuldigter im Regelfall nicht beschwert; er kann diese daher grundsätzlich nicht anfechten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. März 1998 - 2 BvR 291/98, NJW 1998, 2205; BGH, Beschlüsse vom 15. November 2022 - StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 4 mwN; vom 3. Mai 2023 - StB 21/23, juris Rn. 2). Das in Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK gewährleistete Recht auf Selbstverteidigung wird durch eine Pflichtverteidigerbestellung in den Fällen der notwendigen Verteidigung nicht berührt (vgl. EGMR, Urteil vom 25. September 1992 - 13611/88, EuGRZ 1992, 542 Rn. 29 ff.; BGH, Beschlüsse vom 15. November 2022 - StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 4 mwN; vom 3. Mai 2023 - StB 21/23, juris Rn. 2). Eine etwaige spätere Belastung des Beschuldigten mit den Kosten des Pflichtverteidigers nach einer rechtskräftigen Verurteilung begründet im Erkenntnisverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2023 - StB 21/23, juris Rn. 2; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 1986 - 1 Ws 155/86, MDR 1986, 604, 605; Thüringer OLG, Beschluss vom 10. Mai 2012 - 1 Ws 173/12, NStZ-RR 2012, 317).
Rz. 6
Eine Beschwer durch eine Pflichtverteidigerbestellung kommt zwar ausnahmsweise in Betracht, wenn der bestellte Verteidiger wegen mangelnder Eignung oder Interessengegensatzes unfähig erscheint, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen, oder der Beschuldigte in seinem Recht auf Bezeichnung des zu bestellenden Verteidigers und dessen Beiordnung aus § 142 Abs. 5 Satz 1 und 3 StPO betroffen ist (BGH, Beschlüsse vom 15. November 2022 - StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 5 mwN; vom 3. Mai 2023 - StB 21/23, juris Rn. 3; OLG Celle, Beschluss vom 17. September 1987 - 3 Ws 239/87, NStZ 1988, 39; OLG Köln, Beschluss vom 15. Juli 2005 - 2 Ws 283/05 u.a., juris Rn. 6). Derartiges hat indes weder der Beschuldigte geltend gemacht, noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Der Beschuldigte hatte den bestellten Pflichtverteidiger zuvor nicht nur selbst bevollmächtigt, sondern auch seine Zustimmung zur beabsichtigten Beiordnung erteilt. Ferner hat er im Beschwerdeverfahren mitgeteilt, er wünsche die weitere Verteidigung durch beide bestellten Pflichtverteidiger.
Schäfer Berg Voigt
Fundstellen
Haufe-Index 15862623 |
NStZ-RR 2023, 322 |
StV 2024, 149 |