Leitsatz (amtlich)
Für die Klage eines pharmazeutischen Unternehmens gegen eine Kassenärztliche Vereinigung und eine Allgemeine Ortskrankenkasse, mit der in erster Linie erstrebt wird, den Beklagten die Verwendung und Verbreitung einer „Gemeinsamen Erklärung zur Arzneimittelversorgung”, die sich nach dem Vortrag der Klägerin auch an die der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung angehörenden Ärzte richtet, zu untersagen, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.
Normenkette
SGG § 51 Abs. 2 S. 1 Nrn. 2-3; GVG § 17a Abs. 4 S. 4
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG |
LG Kiel |
Tenor
Die weitere sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 5. November 1998 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 300.000,– DM festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, produziert und vertreibt nichtsteroidale Antirheumatika zur topischen (externen) Anwendung. Sie nimmt die Beklagten, die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (Beklagte zu 1) und die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Schleswig-Holstein (Beklagte zu 2), auf Unterlassung, Richtigstellung, Auskunft und Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.
Die Beklagte zu 1 und die Landesverbände der Krankenkassen in Schleswig-Holstein, handelnd durch die Beklagte zu 2, veröffentlichten im Dezember 1996 eine „Gemeinsame Erklärung zur Arzneimittelversorgung” mit folgendem Wortlaut:
„Sehr geehrte Versicherte, sehr geehrte Patientinnen und Patienten!
Die Einnahmen der Krankenkassen bleiben hinter den steigenden Ausgaben zur Versorgung der kranken Menschen in unserem Lande zurück. Bundesweit ist ein Milliardendefizit entstanden, welches aufgrund gesetzlicher Vorgaben über Beitragserhöhungen nicht gedeckt werden kann.
Deswegen müssen einschneidende Sparmaßnahmen in allen Leistungsbereichen ergriffen werden, von denen alle betroffen sein werden; auch die Ärzte und die Krankenhäuser, die Apotheker und die Verwaltungen der Krankenkassen.
Jeder Patient soll weiterhin die Arzneimitteltherapien erhalten, die notwendig und wirtschaftlich sind. In unserem Land gibt es aber viele Arzneimittel mit umstrittener Wirksamkeit. Der jährlich erscheinende Arzneiverordnungs-Report benennt hierzu Arzneimittelgruppen. Diese Arzneimittel sollten nicht mehr auf Kassenrezept verordnet werden. Auch eine Kostenerstattung durch die Krankenkassen ist nicht möglich. Sie sind aus medizinisch-pharmakologischer Sicht entbehrlich, auch wenn sie in den zurückliegenden Jahren von vielen Ärzten verordnet und von vielen Patienten angewandt wurden und manch einer subjektive Linderung seiner Beschwerden erfahren hat.
Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ärzte in Schleswig-Holstein bitten um Ihr Verständnis, daß ab sofort Medikamente mit umstrittener Wirksamkeit zu Lasten der Kassen nur mit besonderer Begründung zur Verfügung stehen. Wir können Ihnen versichern, daß das Weglassen dieser Medikamente nicht zu einer Verschlechterung Ihrer Gesundheit führen wird. Dies zeigen auch Erfahrungen aus dem Ausland. In anderen Ländern sind viele der Arzneimittel, um die es hier geht, gar nicht zugelassen.
Liebe Versicherte, liebe Patienten, die Finanznot zwingt Kassen und Ärzte zu einem extrem sparsamen Umgang mit Arzneimitteln. Deswegen ist auch ein Kassen- oder Arztwechsel aus Unmut über diese Notwendigkeiten keine Lösung des Problems. Ihr Arzt wird Sie über sinnvolle Alternativen beraten, wenn Sie auf ein gewohntes, aber jetzt nicht mehr verordnetes Präparat verzichten müssen.
Wir alle wissen, daß die Umsetzung des Sparkurses für Sie gewöhnungsbedürftig ist. Seien Sie jedoch versichert, daß das Geld der Krankenversicherung reicht, allen schweren und ernsten oder gar lebensbedrohlichen Krankheiten wie bisher wirkungsvoll zu begegnen. Um dieses für uns alle erhalten zu können, müssen wir da, wo keine gesundheitlichen Bedenken bestehen, auf Verzichtbares verzichten.”
In dem in der Erklärung in Bezug genommenen „Arzneiverordnungs-Report '96”, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK herausgegeben wird, werden externe Rheumamittel zu den umstrittenen Arzneimittelgruppen gezählt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie werde durch die Verbreitung der gemeinsamen Erklärung in ihrem Gewerbebetrieb beeinträchtigt und in unlauterer Weise im Wettbewerb behindert. Seit der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Erklärung sei es zu einem erheblichen Umsatzrückgang für ihre Produkte gekommen. Die Beklagten verstießen daher mit dem Verbreiten der Erklärungen gegen §§ 824, 1004 BGB sowie gegen §§ 1, 3 UWG.
Aus der Gesetzessystematik der §§ 31 ff. SGB V ergebe sich, daß die Beklagten bei Veröffentlichung der in Rede stehenden Erklärung nicht etwa hoheitlich gehandelt, sondern ihre hoheitlichen Befugnisse eindeutig überschritten hätten; somit sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, die vorstehend wiedergegebene gemeinsame Erklärung zur Arzneimittelversorgung zu verwenden, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,
die Beklagten weiter zu verurteilen,
gegenüber allen Empfängern der oben wiedergegebenen gemeinsamen Erklärung richtigzustellen, daß die topischen Ibuprofen-Präparate der Klägerin, D. -Creme, Trauma-D. -Gel, D. -Mikro-Gel, I. -Creme und I. -Gel nicht zu den Arzneimitteln mit umstrittener Wirksamkeit zählen,
hilfsweise
die unten angeführten Behauptungen aus der oben wiedergegebenen gemeinsamen Erklärung zu widerrufen:
„In unserem Lande gibt es aber viele Arzneimittel mit umstrittener Wirksamkeit. Der jährlich erscheinende Arzneiverordnungs-Report benennt hierzu Arzneimittelgruppen … Sie sind aus medizinisch-pharmakologischer Sicht entbehrlich, auch wenn sie in den zurückliegenden Jahren von vielen Ärzten verordnet und von vielen Patienten angewandt wurden und manch einer subjektive Linderung seiner Beschwerden erfahren hat.
Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ärzte in Schleswig-Holstein bitten um Ihr Verständnis, daß ab sofort Medikamente mit umstrittener Wirksamkeit zu Lasten der Kassen nur mit besonderer Begründung zur Verfügung stehen. Wir können Ihnen versichern, daß das Weglassen dieser Medikamente nicht zu einer Verschlechterung Ihrer Gesundheit führen wird. Dies zeigen auch Erfahrungen aus dem Ausland. In anderen Ländern sind viele der Arzneimittel, um die es hier geht, gar nicht zugelassen.”
- der Klägerin Auskunft zu erteilen, an wen, wann und in welchem Umfang die gemeinsame Erklärung verbreitet worden ist,
- festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Verwendung und Verbreitung der gemeinsamen Erklärung bisher entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagten haben unter Hinweis auf § 51 SGG die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Zivilgerichten gerügt; sie halten die Sozialgerichte für zuständig.
Das Landgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit für unzulässig erachtet und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Köln verwiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer zugelassenen weiteren sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.
II. Die (zulässige) weitere sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht entschieden, daß für den Rechtsstreit nach § 51 Abs. 2 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist. Dazu hat es ausgeführt:
Der Rechtsweg ergebe sich aus § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGG (i.d.F. des Art. 32 Nr. 3 des Gesundheitsreformgesetzes – GRG – vom 20. Dezember 1988, BGBl. I 2477). Danach entschieden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch entstehen aufgrund von Entscheidungen der gemeinsamen Gremien … von Krankenkassen und Leistungserbringern (Nr. 2), ferner aufgrund von Entscheidungen der Krankenkassen oder ihrer Verbände (Nr. 3). Dies gelte auch, soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen würden, zumal nach § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG – anders als nach § 51 Abs. 1 SGG – nicht erforderlich sei, daß es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele.
Die zur Grundlage der streitgegenständlichen Ansprüche gemachte „Gemeinsame Erklärung” der Beklagten richte sich zwar ausdrücklich (nur) an die Versicherten der Beklagten zu 2. Adressaten seien nach Sinn und Zweck aber auch die Vertragsärzte (Kassenärzte) als Mitglieder der Beklagten zu 1. Der Sache nach enthalte die Erklärung die Mitteilung einer Entscheidung, Arzneimittel mit sogenannter umstrittener Wirksamkeit zwar nicht generell auszuschließen, aber doch nur noch in begründeten Einzelfällen zuzulassen, d.h. ärztlich zu verordnen und bei der Kostenerstattung zu berücksichtigen. Im Ergebnis sollten Arzneimittel, die zu den im Arzneiverordnungs-Report 1996 als umstritten aufgeführten Arzneimittelgruppen gezählt würden, nur noch sehr eingeschränkt unter besonders darzulegenden Voraussetzungen berücksichtigt werden. Der Erklärung komme nicht nur ein empfehlender Charakter, sondern – zumindest faktisch – eine vertragsärztliche Verpflichtung zu, die betroffenen Arzneimittel ab sofort nur (noch) mit besonderer Begründung zu verschreiben.
Da die Beklagten in Erfüllung der ihnen obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 70 Abs. 1 SGB V, § 72 Abs. 2 SGB V, § 12 SGB V) zu beachten hätten, sei die in Rede stehende Erklärung dem hoheitlichen Aufgabenkreis der Beklagten zuzurechnen. Auch die nur vermeintlich berechtigte Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben durch die Krankenkassen im Bereich des SGB V eröffne gemäß § 51 Abs. 2 SGG ausschließlich den Rechtsweg zu den Sozialgerichten.
An dieser Beurteilung ändere sich nichts dadurch, daß Entscheidungen der Krankenkassen oder ihrer Verbände und der Kassenärztlichen Vereinigungen sich auf nicht beteiligte Dritte auswirkten, wie sich aus § 51 Abs. 2 Satz 1 (1. Halbs.) SGG ergebe. Nach dem Vorbringen der Klägerin gehe es im Streitfall um für sie nachteilige Auswirkungen im Hinblick auf ihre von der Entscheidung betroffenen Produkte (externe Rheumamittel). Dies sei aber gerade ein Fall, der nunmehr ausdrücklich durch die gesetzliche Klarstellung erfaßt werde und unter die Rechtswegzuweisung nach § 51 Abs. 2 SGG falle. Etwaige Wettbewerbsnachteile der Klägerin seien allenfalls Folge der Entscheidung der Beklagten, beruhten aber nicht auf einem zielgerichteten und bewußten Eingriff der Beklagten in den Wettbewerb. Die Wettbewerbsnachteile der Klägerin stellten sich danach als ein schlichter Unterfall der geregelten Drittbetroffenheit dar.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Bei den von der Klägerin verfolgten Ansprüchen handelt es sich um Streitigkeiten, für die nach § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist.
Nach den genannten Bestimmungen entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit u.a. über Streitigkeiten, die in Angelegenheiten nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch entstehen aufgrund von Entscheidungen der gemeinsamen Gremien von Krankenkassen (§ 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGG) sowie aufgrund von Entscheidungen der Krankenkassen oder ihrer Verbände (§ 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Allerdings beschränken sich die in § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGG enthaltenen Regelungen, wie dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 24. November 1988 (BT-Drucks. 11/3480) zu entnehmen ist, auf Maßnahmen, die unmittelbar der Erfüllung der den Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen nach dem SGB V obliegenden öffentlich-rechtlichen Aufgaben dienen (BGH, Beschl. v. 5.6.1997 - I ZB 26/96, WRP 1997, 1199, 1200 - Hilfsmittellieferungsvertrag).
Die Entscheidung, ob für die streitgegenständliche Klage der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist, hängt daher maßgeblich davon ab, ob das Schwergewicht des Rechtsstreits in einem Aufgabenbereich anzusiedeln ist, dessen Erfüllung den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen unmittelbar aufgrund der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des SGB V obliegt (BGH WRP 1997, 1199, 1200 - Hilfsmittellieferungsvertrag). Gegen diesen rechtlichen Ausgangspunkt erhebt die Klägerin auch keine Beanstandungen.
Grundlage für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ist die von den Beklagten im Dezember 1996 verbreitete „Gemeinsame Erklärung zur Arzneimittelversorgung”. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin haben sich die Beklagten mit der in Rede stehenden Erklärung nicht nur – wie es in der Überschrift heißt – an Versicherte und Patienten, sondern insbesondere auch an die Kassenärzte gewandt, um diese zu veranlassen, Erzeugnisse der Klägerin nicht mehr zu verschreiben. Die Klägerin selbst sieht hierin eine Weisung der Beklagten an die der Beklagten zu 1 angehörenden Kassenärzte, bestimmte Arzneimittel nicht mehr oder nur noch in besonders begründeten Einzelfällen zu verordnen. Diese Handlung der Beklagten erfolgte aufgrund von hoheitlichen Befugnissen, die sie für sich in Anspruch genommen haben. Ein Streit darüber, ob die Beklagten zu der beanstandeten Maßnahme berechtigt waren, ist daher dem öffentlichen Recht zuzurechnen.
Die Beklagte zu 1 ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs. 5 SGB V), die aus den zur vertrags(kassen)ärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten in Schleswig-Holstein gebildet wird (§ 77 Abs. 1 und 3 SGB V). Sie erfüllt mit ihren Mitgliedern die sich aus § 72 SGB V ergebende Verpflichtung zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V kommt der Beklagten zu 1 die Aufgabe zu, die Erfüllung der den Kassenärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Kassenärzte, soweit notwendig, unter Anwendung der in § 81 Abs. 5 SGB V vorgesehenen Maßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Die Beklagte zu 1 ist somit berechtigt, gegenüber den ihr angehörenden Ärzten hoheitliche Befugnisse auszuüben.
Die Kassenärzte sind als Leistungserbringer nach § 12 Abs. 1 SGB V zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Überdies sind die Krankenkassen und die Leistungserbringer nach § 70 Abs. 1 SGB V verpflichtet, eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß nach dieser Bestimmung ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß wirtschaftlich erbracht werden.
Die Überwachung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots obliegt – wie dargelegt – nach § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V der Beklagten zu 1. Von dieser dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Befugnis hat die Beklagte zu 1 mit der Veröffentlichung der beanstandeten Erklärung Gebrauch gemacht. Ob sie dazu berechtigt war oder – wie die Klägerin geltend macht – dabei ihre Kompetenzen überschritten hat, ist entgegen der Auffassung der Klägerin vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu klären. Denn entscheidend ist allein, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, daß die in Rede stehende Erklärung dem hoheitlichen Aufgabenkreis der Beklagten zu 1 zuzurechnen ist. Die behauptete Kompetenzüberschreitung ist im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen und gegebenenfalls zu berücksichtigen.
Nichts anderes gilt für das Handeln der Beklagten zu 2. Nach § 106 Abs. 1 und 2 SGB V überwachen die Krankenkassen gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung hinsichtlich der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen. Sie bilden dazu gemäß § 106 Abs. 4 SGB V bei den Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsame Prüfungseinrichtungen und treffen nach § 106 Abs. 3 Satz 1 SGB V gemeinsame Vereinbarungen zur Regelung des Verfahrens der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß Absatz 2 der Bestimmung. Unter diesen Umständen gehört das Hinwirken auf eine wirtschaftliche Verordnungsweise der Kassenärzte zu den hoheitlichen Aufgaben der Beklagten zu 2. Hierzu diente die streitgegenständliche gemeinsame Erklärung, weil darin die Einsparung entbehrlicher Arzneimittel zumindest empfohlen wird. Die Beklagten verfolgten mit der Einwirkung auf das Verschreibungsverhalten der Kassenärzte das Ziel, die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verbessern. Eine derartige Maßnahme hat ihre Grundlage in den Bestimmungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch.
3. Der Annahme, daß im Streitfall die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zur Entscheidung berufen sind, steht nicht entgegen, daß die Klägerin ihr Begehren auf Vorschriften stützt, die dem Privatrecht zuzurechnen sind. Denn nach § 17 Abs. 2 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Das bedeutet, daß das für eine Anspruchsgrundlage zuständige Gericht auch über solche Normen zu befinden hat, die für sich allein die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit begründen würden (BGH, Beschl. v. 14.5.1998 - I ZB 17/98, GRUR 1999, 88, 89 = WRP 1998, 1076 - Ersatzkassen-Telefonwerbung, m.w.N.).
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, Mees, Bornkamm, Pokrant, Büscher
Fundstellen
NJW 2000, 874 |
GRUR 2000, 251 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2000, 537 |
MedR 2000, 131 |
SGb 2000, 172 |
VersR 2000, 1039 |
WRP 2000, 98 |
PharmaR 2000, 188 |
KVuSR 2000, 106 |