Verfahrensgang
LG Würzburg (Urteil vom 05.02.2004) |
Tenor
1. Der Angeklagten wird auf ihren Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 5. Februar 2004 zur Anbringung der im Schriftsatz des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt W. vom 9. Juni 2004 enthaltenen Verfahrensrügen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt die Angeklagte.
2. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 5. Februar 2004 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Der Revisionsbegründungsschriftsatz des Pflichtverteidigers ist wegen eines von der Angeklagten nicht zu vertretenden Ausfalls des Telefaxgeräts der Geschäftsstelle des Landgerichts infolge eines vorher empfangenen umfangreichen Schriftsatzes eines weiteren Verteidigers nicht mehr vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangen. Dies begründet ausnahmsweise die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der in diesem Schriftsatz enthaltenen Verfahrensrügen (§ 44 Satz 1, §§ 45, 46 Abs. 1, § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO; vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 11).
Die Rüge eines Verstoßes gegen § 136 StPO ist unbegründet. Nach pflichtgemäßer Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde muß erst dann von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen werden, wenn sich der Verdacht so verdichtet hat, daß die vernommene Person ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt. Die Grenzen des Beurteilungsspielraums sind – gerade bei Tötungsdelikten – erst dann überschritten, wenn trotz starken Tatverdachts nicht von der Zeugen- zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen wird (BGHSt 37, 48, 51 f.) und auf diese Weise die Beschuldigtenrechte umgangen werden (BGHR StPO § 136 Belehrung 6). Gegen die bis dahin unbescholtene Angeklagte, eine zur Tatzeit 54 Jahre alte Fachlehrerin, drängte sich allein aus dem Umstand, daß sie zum Zeitpunkt der Tötung ihrer Mutter im Haus sich aufhielt, solange kein so starker Tatverdacht auf, als nicht ein Tatmotiv für die Ermittlungsbeamten offen erkennbar wurde oder mögliche Fremdeinwirkungen negativ abgeklärt waren. Insoweit lagen aber die Ergebnisse der Überprüfung des erst gegen 16.00 Uhr bekannt gewordenen Kellerzugangs zum Tatortanwesen erst nach 18.00 Uhr und somit etwa zeitgleich mit dem Ende der Zeugenvernehmung der Angeklagten vor. Auch aus dem Umstand, daß die Angeklagte am späten Vormittag im Dienst-Pkw zur sachbearbeitenden Polizeidienststelle für die Zeugenvernehmung mitfuhr, ergibt sich kein äußerer Befund dahingehend, daß sie nunmehr als Beschuldigte galt (insoweit vom Sachverhalt nicht vergleichbar BGHSt 38, 214, 228). Bestätigt wird dies durch den Umstand, daß der ebenfalls mitfahrende Oberstaatsanwalt, der die Ermittlungen leitete, der Angeklagten beim Aussteigen kondolierte, was er nach eigenem Bekunden nicht getan hätte, hätte zum damaligen Zeitpunkt gegen sie ein auch nur entfernter Tatverdacht bestanden. Gegen eine solche Annahme sprechen schließlich auch die Feststellungen des Tatrichters, wonach die Angeklagte bis gegen 18.15 Uhr im Besitz ihres Mobiltelefons belassen wurde und auf der Dienststelle teilweise unbeaufsichtigt war, so daß sie frei telefonieren konnte.
Unterschriften
Wahl, Boetticher, Kolz, Hebenstreit, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2557539 |
JurBüro 2005, 112 |
NPA 2005, 0 |
StraFo 2005, 27 |