Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 08.02.2019) |
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten P. B. wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 8. Februar 2019, soweit es sie betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass sie der Beihilfe zum Betrug in 20 Fällen schuldig ist.
2. Ihre weitergehende Revision und die Revision des Angeklagten M. B. werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. B. wegen Betruges in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie die Angeklagte P. B. wegen Beihilfe zum Betrug in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützten Revisionen. Die Revision der Angeklagten P. B. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und führt zu dem Wegfall einer Einzelstrafe. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen vermietete der Angeklagte unter Einschaltung verschiedener Gesellschaften nicht existierende Brennstoffzellen an mehrere Anleger als Zwischenmieter. Diese zahlten jeweils eine einmalige „Mietsonderzahlung”. Sie sollten während der Vertragslaufzeit von 36 Monaten vom Endmieter monatliche Mietzahlungen und auf diese Weise letztlich 130 Prozent ihres Anlagebetrages zurückerhalten. Mangels funktionsfähiger Brennstoffzellen und tatsächlicher Stromeinspeisungen konnten die Rückzahlungen nur aus den Einnahmen neu angeworbener Zwischenmieter im Sinne eines Schneeballsystems erbracht werden. Insgesamt schlossen die durch Berater angeworbenen Anleger 21 Mietverträge ab und zahlten 1.346.000 EUR. Davon erhielten sie 824.826 EUR zurückgezahlt. Die Angeklagte war formell Geschäftsführerin einer der beteiligten Gesellschaften, für die sie verschiedene Verträge unterzeichnete. Zudem übernahm sie Buchhaltungstätigkeiten für die Gesellschaften. Die Angeklagten handelten, um sich durch wiederholte Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.
Rz. 3
2. Aus den vom Generalbundesanwalt näher dargelegten Gründen sind die Verfahrensvoraussetzungen gegeben, die Verfahrensbeanstandungen ohne Erfolg und die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen. Diese tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges und der Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug. Der näheren Erörterung bedarf allein die konkurrenzrechtliche Bewertung der jeweiligen Taten.
Rz. 4
a) Die einzelnen Betrugstaten des Angeklagten werden – entgegen der vom Generalbundesanwalt vertretenen Ansicht – nicht durch den zugleich verwirklichten Tatbestand des unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 1, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG) im Sinne einer Tateinheit verklammert. Zwar ist die vom Landgericht insoweit vorgenommene Verfolgungsbeschränkung nach § 154a Abs. 2, Abs. 1 StPO für die konkurrenzrechtliche Bewertung ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 – 3 StR 321/11, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Abgabe 3 Rn. 10; Beschluss vom 22. November 2012 – 4 StR 302/12, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 3 Rn. 5 mwN). Allerdings hat der Tatbestand des § 54 Abs. 1 KWG in der gegebenen Konstellation nicht das Gewicht, die einzelnen Taten des gewerbsmäßig begangenen Betruges zu verbinden.
Rz. 5
Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Delikt, das sich – wie das unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – 2 StR 416/16, NJW 2018, 3467 Rn. 14; Beschluss vom 9. April 2019 – 1 StR 673/18, wistra 2019, 362 Rn. 2) – über einen gewissen Zeitraum erstreckt und mit anderen Straftaten tateinheitlich zusammentrifft, die bei isolierter Betrachtung in Tatmehrheit stehen, solche Taten nur dann zur Tateinheit verbinden, wenn es nicht von minderschwerem Gewicht ist (s. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221 f.; vom 2. Dezember 2008 – 3 StR 203/08, BGHR StGB § 258 Abs. 1 Konkurrenzen 1 Rn. 16 mwN). Dabei ist der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierten Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen; beispielsweise sind minder schwere Fälle oder Strafrahmenverschiebungen wegen vertypter Milderungsgründe zu berücksichtigen (s. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 149; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 14. Februar 2017 – 4 StR 580/16, StraFo 2017, 128 f.; Urteil vom 18. Juli 1984 – 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 f.).
Rz. 6
Nach diesen Maßstäben vermag das unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften vorliegend die einzelnen Betrugstaten nicht durch eine Klammerwirkung tateinheitlich zu verbinden. Da das Landgericht rechtsfehlerfrei eine gewerbsmäßige Begehungsweise angenommen und den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 Alternative 1 StGB angewendet hat, handelt es sich in dieser Konstellation mit Blick auf die erheblich unterschiedlichen Strafandrohungen nicht um annähernd gleichgewichtige Taten. Der besonders schwere Fall des Betruges wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, das unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet.
Rz. 7
b) Eine tateinheitliche Zusammenfassung der verschiedenen Vertragsabschlüsse und Mietsonderzahlungen folgt in Bezug auf den Angeklagten überdies nicht aus anderen Gründen. Obschon er im Regelfall nicht bei der Vorbereitung der einzelnen Vertragsschlüsse anwesend war, erbrachte er jeweils einen individuellen Tatbeitrag, indem er in jedem Einzelfall die Verträge unterzeichnete und somit erst die Grundlage für die im Anschluss zu leistende Mietsonderzahlung schuf (vgl. allgemein BGH, Beschluss vom 20. September 2016 – 3 StR 302/16, wistra 2017, 231 Rn. 6; zu einer abweichenden Konstellation BGH, Beschluss vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 341 f.).
Rz. 8
c) Dagegen ist der die Angeklagte betreffende Schuldspruch zu ändern, da eine individuelle Beihilfehandlung nicht für jede einzelne der 21 Taten festgestellt ist und weitere Feststellungen dazu nicht zu erwarten sind.
Rz. 9
Die Angeklagte unterzeichnete lediglich in 19 Fällen den Mietvertrag für eine der beteiligten Gesellschaften, nicht aber die beiden Verträge der Geschädigten L. (…) und Bu. (), in denen die A. GmbH (Schweiz) Endmieterin war. Da bei der Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen ist und bei der Beihilfe sowohl die Anzahl der Beihilfehandlungen als auch diejenige der geförderten Haupttaten in den Blick zu nehmen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2018 – 2 StR 31/18, juris Rn. 29 mwN), verbleibt neben den individuellen Beiträgen zu 19 Verträgen noch die allgemeine Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung des „Betrugsmodells”, welche die zwei weiteren Verträge förderte und als uneigentliches Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 365/14, NStZ 2015, 334). Demgemäß ist der Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO richtigzustellen. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil die Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 10
d) Die Änderung des Schuldspruchs hat den Wegfall einer der beiden Einzelstrafen von vier Monaten in den die A. GmbH (Schweiz) betreffenden Beihilfetaten (Verträge und) zur Folge. Die verbleibende Einzelstrafe setzt der Senat in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO als Rechtsfolge für die tateinheitliche Hilfe zu diesen beiden Verträgen fest. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine geringere Einzelstrafe oder – angesichts der übrigen Einzelstrafen (fünf Mal sieben Monate, drei Mal fünf Monate, drei Mal vier Monate, acht Mal drei Monate) – auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe als die festgesetzten zehn Monate erkannt hätte. Mithin wird der Ausspruch der Gesamtfreiheitsstrafe nicht berührt.
Rz. 11
e) Einer Entscheidung des Senats nach § 349 Abs. 2 StPO steht nicht entgegen, dass der Generalbundesanwalt bei beiden Angeklagten eine Tatbegehung in 21 tateinheitlichen Fällen angenommen und eine entsprechende Änderung des Schuldspruchs sowie die Festsetzung der jeweiligen Gesamtstrafe als Einzelstrafe beantragt hat. Eine Aufhebung des Strafausspruchs ist nicht beantragt; die beantragte Festsetzung der Gesamtstrafe als Einzelstrafe ist insoweit ohne Belang (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Mai 2017 – 4 StR 617/16, NStZ-RR 2017, 246, 247; vom 12. März 2012 – 3 StR 436/11, juris Rn. 7; vom 16. Februar 2005 – 2 StR 536/04, juris; vom 20. Januar 1993 – 3 StR 575/92, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 4; BeckOK StPO/Wiedner, 34. Edition, § 349 Rn. 30).
Rz. 12
3. Wegen des geringen Erfolgs der Revision der Angeklagten P. B. ist es nicht unbillig, diese mit den Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
Schäfer, Spaniol, Hoch, Anstötz, Erbguth
Fundstellen
Haufe-Index 13548431 |
wistra 2020, 105 |
NStZ-RR 2020, 64 |
NStZ-RR 2021, 267 |