Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere Brandstiftung
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 8. Juli 1998, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Schönebeck vom 26. November 1997 zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrens- und der Sachrüge.
Die Verfahrensrüge führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Revision beanstandet zu Recht, der Mutter des Angeklagten, der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 17 Jahre alt war, sei das letzte Wort nicht erteilt worden, obwohl sie in der Hauptverhandlung anwesend gewesen sei, als dem Angeklagten und seinen Mitangeklagten das letzte Wort gewährt wurde:
Dem Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter eines Angeklagten steht gemäß § 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2 und 3 StPO das letzte Wort neben dem jugendlichen Angeklagten und unabhängig von diesem zu; es ist ihm von Amts wegen zu erteilen (BGHSt 21, 288, 289), sofern er in der Hauptverhandlung anwesend ist (BGH NStZ 1996, 612). Der Senat sieht es als erwiesen an, daß die Mutter des Angeklagten, der ausweislich der Sitzungsniederschrift das letzte Wort nicht gewährt wurde, am 7. Juli 1998 auch nach Schließung der Beweisaufnahme noch in der Hauptverhandlung anwesend war, als dem Angeklagten nach den Schlußvorträgen das letzte Wort erteilt wurde. Dem steht nicht entgegen, daß sich der Sitzungsniederschrift insoweit lediglich entnehmen läßt, daß der Mutter des Angeklagten an jenem Sitzungstag nach den Ausführungen der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe und des Bewährungshelfers jeweils Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, nicht aber, ob sie auch danach noch anwesend war. Die (negative) Beweiskraft des Protokolls gemäß § 274 StPO erstreckt sich nicht auf die Abwesenheit von Personen, deren Anwesenheit das Gesetz nicht zwingend vorschreibt (vgl. BGH NStZ 1985, 455; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 274 Rdn. 8), so daß die Klärung dieser Frage dem Freibeweis zugänglich ist.
Daß die Mutter des Angeklagten am 7. Juli 1998, an dem von 12.00 bis 17.10 Uhr verhandelt wurde, wie der Verteidiger ausgeführt hat, „bis zum Schluß des Sitzungstages in der Hauptverhandlung anwesend” war, liegt schon im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Schlußvorträge und des letzten Wortes der Angeklagten für die Entscheidungsfindung der Jugendkammer nahe. Das Vorbringen des Verteidigers wird zudem durch die dienstliche Äußerung der Richterin am Landgericht B. gestützt, die sich zwar nicht sicher erinnert, jedoch meint, es treffe zu, daß die Mutter des Angeklagten bis zum letzten Wort der Angeklagten im Saal anwesend gewesen sei.
Der danach erwiesene Verfahrsverstoß führt jedoch nur zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil das Urteil lediglich insoweit auf ihm beruhen kann (vgl. BGHSt 21, 288, 290; BGH NStZ 1996, 612; BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 2). Der Angeklagte hat zwar in der Hauptverhandlung zur Sache keine Angaben gemacht. Er hat jedoch seine Tatbeteiligung sowohl bei seiner polizeilichen Vernehmung als auch bei seiner Vernehmung durch die Haftrichterin – ebenso wie seine Mittäter in der Hauptverhandlung – eingeräumt. Sein Verteidiger hat in seinem Schlußvortrag um eine „Bewährungsverurteilung” gebeten. Es ist daher auszuschließen, daß die Nichterteilung des letzten Wortes an die Mutter des Angeklagten Einfluß auf die Urteilsfindung zum Schuldspruch gehabt hat. Auch dem Revisionsvorbringen ist nicht zu entnehmen, was sie zur Entlastung ihres Sohnes insoweit hätte vortragen können. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann sich der Verfahrensverstoß aber auf die Entscheidung zum Strafausspruch ausgewirkt haben. Zwar hatte die Mutter des Angeklagten nach den Ausführungen der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe und des Bewährungshelfers Gelegenheit, sich insbesondere zur Frage des für die Ahndung der Tat maßgeblichen Erziehungsbedarfs zu äußern. Möglicherweise hätten ihr aber die Schlußvorträge, insbesondere der der Staatsanwaltschaft, Anlaß zu ergänzenden Ausführungen gegeben, wäre ihr das letzte Wort erteilt worden.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß bei der Bildung einer Einheitsjugendstrafe dann, wenn in die einzubeziehende Entscheidung bereits frühere Entscheidungen einbezogen waren, alle Entscheidungen erneut formell einzubeziehen und im Urteilstenor entsprechend zu kennzeichnen sind (vgl. BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 7; BGH, Beschluß vom 26. November 1997 - 2 StR 573/97).
Unterschriften
Meyer-Goßner, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540853 |
NStZ 1999, 426 |
StV 1999, 656 |