Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Entscheidung vom 11.09.2023; Aktenzeichen 11 S 66/22)

AG Mannheim (Entscheidung vom 19.05.2022; Aktenzeichen 15 C 5718/18 WEG)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer XI - vom 11. September 2023 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 24.000 €.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Am 28. September 2018 fand eine Eigentümerversammlung statt, an der die Klägerin nicht teilnahm, dies nach ihrer Behauptung wegen unterbliebener Ladung. Gegen mehrere in der Eigentümerversammlung gefasste Beschlüsse wendet sich die Klägerin mit Beschlussanfechtungsklage. Das Amtsgericht hat nur den Beschluss zu TOP 4 (Einzelabrechnung 2016/2017) in der Position „Kosten im Sondereigentum“ in Höhe von 12,90 € für ungültig erklärt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Gegen die nicht erfolgte Zulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde. Die Beklagten beantragen die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig, hilfsweise die Zurückweisung.

II.

Rz. 2

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Rz. 3

1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will (Senat, Beschluss vom 11. Februar 2021 - V ZR 140/20, WuM 2021, 333 Rn. 4 mwN).

Rz. 4

2. Die Klägerin hat in der Nichtzulassungsbeschwerde eine 20.000 € übersteigende Beschwer nicht dargelegt und glaubhaft gemacht.

Rz. 5

a) Sie meint, ihre Beschwer stimme mit dem von dem Berufungsgericht für das Berufungsverfahren auf der Grundlage des für die vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängig gewordene Beschlussanfechtungsklage anwendbaren § 49a GKG aF (analog § 48 Abs. 5 WEG; vgl. Senat, Beschluss vom 10. März 2021 - V ZR 174/20, NZM 2021, 517 Rn. 3; Beschluss vom 30. September 2021 - V ZR 258/20, NJW-RR 2022, 20 Rn. 18 f.) festgesetzten Streitwert von 24.000 € überein. Dies trifft nicht zu.

Rz. 6

aa) Der Streitwert für wohnungseigentumsrechtliche Beschlussklagen entspricht in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgeblichen Beschwer. Der Wert der Beschwer bemisst sich nach dem einfachen Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dieses Interesse ist auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten (zu § 49a GKG aF vgl. Senat, Beschluss vom 2. Juli 2020 - V ZR 2/20, ZWE 2020, 397 Rn. 4 mwN; zu § 49 GKG vgl. Senat, Beschluss vom 24. März 2022 - V ZR 149/21, NJW 2022, 2195 Rn. 6; Beschluss vom 25. Januar 2024 - V ZR 50/23, juris Rn. 8).

Rz. 7

bb) Der Verweis der Nichtzulassungsbeschwerde auf den von dem Berufungsgericht festgesetzten Streitwert von 24.000 € ist auch hier nicht dazu geeignet, die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für die Zulässigkeit erforderliche Beschwer darzulegen. Der Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts lässt sich nicht entnehmen, ob es sich bei dem Wert von 24.000 € um das hälftige Gesamtinteresse der Parteien (§ 49a Abs. 1 Satz 1 GKG aF), um das einfache Interesse der Klägerin (§ 49a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GKG aF) oder um deren fünffaches Interesse (§ 49a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GKG aF) handelt. Der Beschluss enthält weder eine Begründung der Wertfestsetzung noch nennt er die Vorschrift des § 49a GKG aF. Die in Bezug genommene Wertfestsetzung in dem Urteil des Amtsgerichts lässt die Grundlagen der Streitwertfestsetzung ebenfalls nicht erkennen.

Rz. 8

b) Auch im Wege der Schätzung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwer der Klägerin 20.000 € übersteigt. Zwar muss das Revisionsgericht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegebenenfalls eine Schätzung vornehmen; als Grundlage der Schätzung dienen dabei aber nur solche Tatsachen, die der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist dargelegt und glaubhaft gemacht hat oder die jedenfalls in Verbindung mit dem Berufungsurteil offenkundig sind (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juni 2018 - V ZB 254/17, NZM 2018, 995 Rn. 6; Beschluss vom 25. Januar 2024 - V ZR 50/23, juris Rn. 7 mwN). Der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts vom 12. November 2018, mit dem der Streitwert nach Eingang der Klage unter Aufschlüsselung von Einzelwerten - noch ohne den Beschluss zu TOP 10 - vorläufig auf 24.000 € festgesetzt wurde, stellt keine Grundlage für eine Schätzung dar. Das Berufungsurteil nimmt auf diesen Beschluss nicht Bezug; auch in der Beschwerdebegründung ist er nicht innerhalb der laufenden Begründungsfrist in Bezug genommen worden. Auf ihn hat sich die Klägerin erst im Anschluss an die Beschwerdeerwiderung außerhalb der Frist berufen. Unabhängig davon ließe der amtsgerichtliche Streitwertbeschluss keinen Rückschluss auf eine 20.000 € übersteigende Beschwer zu. Es handelt sich dabei um eine bloße Schätzung des Streitwerts zur Berechnung des Gerichtskostenvorschusses für die Anfechtungsklage, die das einfache Interesse der Klägerin nicht erkennen lässt. Eine 20.000 € übersteigende Beschwer lässt sich auch im Übrigen weder aus den Darlegungen der Klägerin in der Nichtzulassungsbeschwerde entnehmen noch ist diese im vorgenannten Sinne offenkundig. Die Abrechnungssummen der angefochtenen Jahresabrechnung und des Wirtschaftsplans sowie die Anteile der Klägerin an dem Gesamtergebnis sind nicht dargelegt. Das Berufungsgericht nimmt die Jahresabrechnung und den Wirtschaftsplan auch nicht in Bezug.

Rz. 9

c) Schließlich führt die Wertfestsetzung des Berufungsgerichts entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu einer 20.000 € übersteigenden Beschwer. Der Grundsatz der Meistbegünstigung entbindet nicht von dem Erfordernis der Darlegung der Beschwer innerhalb laufender Begründungsfrist. Er soll die beschwerte Partei vor Nachteilen schützen, die auf einer unrichtigen Entscheidungsform beruhen, und erweitert nicht den Instanzenzug, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2024 - XII ZR 41/22, juris Rn. 11 mwN).

III.

Rz. 10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Den Gegenstandswert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mangels anderer Erkenntnisse mit den Vorinstanzen auf 24.000 € festgesetzt (§ 49a Abs. 1 GKG aF).

Brückner     

Göbel     

Haberkamp

Laube     

Grau     

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16344637

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