Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 19.11.2003) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19. November 2003 im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Tatbestand
I.
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten und ordnete seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 1 StGB) an.
Nach den Feststellungen des Landgerichts trat der Angeklagte an einem „Treffpunkt für Stadtstreicher, Obdachlose und Alkoholiker (in fränkischer Mundart Sandler genannt)” den bereits von einem anderen niedergeschlagenen und getretenen Geschädigten ohne jeglichen Anlaß ebenfalls mehrfach mit dem beschuhten Fuß ins Gesicht und auf die Brust, bis er von weiteren Schlägen abgehalten werden konnte. Durch die Mißhandlungen erlitt der Geschädigte einen Nasenbeinbruch, Schädelprellungen, Prellungen an Thorax und linker Schulter sowie Hämatome am ganzen Körper.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung ergab hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 22. April 2004 dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Dagegen hat die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keinen Bestand (§ 349 Abs. 4 StPO). Die sie betreffende Verfahrensrüge hat Erfolg. Die Revision beanstandet zu Recht, daß der Angeklagte auf die Möglichkeit der Anordnung dieser Sicherungsmaßregel nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 265 Abs. 1 und 2 StPO) hingewiesen wurde.
a) Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung stellt mit ihrer in das Leben eines Angeklagten besonders tief eingreifenden Wirkung – ihre Dauer kann schon bei der ersten Anordnung zehn Jahre übersteigen (§ 67d Abs. 3 StGB) – einen besonders gravierenden Eingriff dar. Deshalb dürfen an die Hinweispflicht des Gerichts in einem solchen Falle keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Das Gesetz und ihm folgend die Rechtsprechung fordern in Fällen der vorliegenden Art im Hinblick auf die Bedeutung des Hinweises aus rechtsstaatlichen Gründen zu Recht die Einhaltung einer gewissen Formenstrenge (vgl. BGHR StPO § 265 II Hinweispflicht 6, m.w.N.).
Wird auf die Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung weder in der Anklageschrift (vgl. hierzu BGH NStZ 2001, 162) noch im Eröffnungsbeschluß hingewiesen, muß der erforderliche Hinweis gemäß § 265 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung ergehen.
b) Dies unterblieb hier:
Weder in der Anklageschrift noch im Eröffnungsbeschluß wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erwähnt. Während der Hauptverhandlung wurde dann gleichwohl kein förmlicher Hinweis auf die Möglichkeit der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erteilt, wie die Sitzungsniederschrift beweist (§ 274 StPO).
c) Das Beruhen der Anordnung der Maßregel auf dem fehlenden förmlichen rechtlichen Hinweis wurde auch nicht durch andere Vorgänge, die die drohende Sicherungsverwahrung ausreichend verdeutlichten, während der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Denn der Angeklagte bekam durch den Ablauf der Hauptverhandlung nicht mit hinreichender Eindeutigkeit so nachdrücklich und zweifelsfrei die drohende Sicherungsverwahrung vor Augen geführt, daß er – obgleich von einem förmlichen Hinweis nach § 265 Abs. 2 StPO abgesehen wurde, ein Signal, auf das sich der Angeklagte grundsätzlich verlassen durfte – dennoch hätte Anlaß sehen müssen, seine Verteidigung gleichwohl auf diese Möglichkeit einzustellen.
Zwar äußerte sich der Sachverständige während der Hauptverhandlung neben der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten (§§ 20, 21 StGB) sowie der Voraussetzungen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) auch – positiv – zur Frage des Hangs des Angeklagten zu erheblichen Straftaten (§ 66 StGB). Dies verdeutlichte jedoch – ebensowenig wie die Verlesung auch der die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB begründenden Vorstrafen – nicht mit der gebotenen Deutlichkeit, daß das Gericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung ernsthaft erwog – was zunächst die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren voraussetzte –, zumal weder die Vertreterin der Staatsanwaltschaft noch der Verteidiger diese Maßregel in ihren Schlußvorträgen auch nur erwähnten.
d) Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat deshalb keinen Bestand. Das übrige Urteil wird hiervon nicht erfaßt.
Unterschriften
Nack, Kolz, Hebenstreit, Elf, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2557508 |
NStZ-RR 2004, 297 |
StV 2004, 580 |