Verfahrensgang
LG Hechingen (Urteil vom 12.02.2004) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 12. Februar 2004 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Zurückweisung der Anträge
- auf Vernehmung weiterer Zeugen zum Beweis der Tatsache, der Angeklagte, ein Aserbaidschaner, habe – entgegen der Darstellung des Verdeckten Ermittlers, seines Handelspartners – bis zum 30. Oktober 2003 über keine bzw. sehr geringe Deutschkenntnisse verfügt, sowie
- auf sachverständige Überprüfung der Sprachkenntnisse des Dolmetschers
wegen Verschleppungsabsicht ist – dem Generalbundesanwalt auch insoweit folgend – rechtens.
1. Nach eintägiger Hauptverhandlung wurde der Angeklagte am 12. Februar 2004 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Dem lag – soweit hier von Bedeutung – folgender Verfahrensgang zugrunde:
Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten – und gegen seinen Bruder – war erstmals am 19. Januar 2004 begonnen worden. Während der Bruder des Angeklagten noch am selben Tag – nach einer Prozeßabsprache – sofort rechtskräftig verurteilt wurde, mußte das Verfahren gegen den Angeklagten abgetrennt und ausgesetzt werden. Grund hierfür waren Beweisanträge insbesondere zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit. Dazu erklärte der Verteidiger, daß diesen Anträgen nicht nachgegangen zu werden brauche, falls die Strafkammer eine Strafe verhänge, die – im Gegensatz zu der in den Raum gestellten Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren – für den Angeklagten akzeptabel sei.
Die Strafkammer gab den Beweisanträgen statt und bestimmte neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 12. Februar 2004.
Zu Beginn der Hauptverhandlung ließ sich der Angeklagte etwa eine Stunde lang ohne Einschaltung des anwesenden Dolmetschers in Deutsch zur Sache ein. Auch danach antwortete er auf Fragen ebenfalls weitgehend unmittelbar auf Deutsch. Nur bei „kritischen Fragen” zog er sich auf Verständigungsschwierigkeiten zurück. Der Angeklagte lebt seit 1999 in Deutschland und ist seit dem Jahr 2000 mit einer aus Kasachstan stammenden deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Beide haben eine gemeinsame Tochter. Im Jahr 2003 arbeitete er mehrere Monate in einem Unternehmen in M.. Dazu benötigte er nach den Feststellungen des Landgerichts deutsche Sprachkenntnisse. Gleichwohl behauptete der Angeklagte, zur Tatzeit (Mai und Juni 2003) – noch – nicht über genügende Deutschkenntnisse verfügt zu haben, um mit dem Verdeckten Ermittler – entgegen dessen Angaben – problemlos über Betäubungsmittelgeschäfte zu verhandeln. Seine Ehefrau bestätigte dies.
Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger zum Beweis dafür, „daß der Angeklagte über keine bzw. geringe Deutschkenntnisse bis zum 30.10.03 verfügte und eine Verständigung in dt. Sprache nahezu unmöglich war”, die Vernehmung des früheren Verteidigers des Angeklagten, eines Sozialarbeiters sowie mehrerer weiterer Justizvollzugsbediensteten.
Kurzfristig geladen und gehört werden konnten der frühere Verteidiger sowie der Sozialarbeiter. Der damalige Verteidiger bekundete, er habe mit dem Angeklagten am 4. Juli 2003 ohne Dolmetscher ein etwa halbstündiges Gespräch über „die Tat und deren Umstände” geführt. Verständigungsprobleme habe er nicht gehabt. Der Sozialarbeiter, der mit dem Angeklagten kurz nach dessen Inhaftierung (20. Juni 2003) das erste Gespräch hatte, bestätigte ebenfalls: „Dieser spreche Deutsch; es sei möglich gewesen, sich mit ihm über Dinge zu unterhalten, die ihm am Herzen lagen.”
Trotz dieses Ergebnisses hielt der Verteidiger an seinem Antrag auf Befragung der weiteren Zeugen (Justizvollzugsbedienstete) zu den Deutschkenntnissen des Angeklagten fest und erklärte hierzu, daß dem nicht nachgegangen werden müsse, „wenn man mit der StA zu einer Strafe von 4 1/2 Jahren komme”, nachdem er nunmehr offensichtlich diese Strafe für „akzeptabel” hielt.
Die Strafkammer lehnte den Antrag „wegen Prozeßverschleppung” ab.
Daraufhin stellte der Verteidiger den Antrag, die aserischen Sprachkenntnisse des aus Aserbaidschan stammenden Dolmetschers einer sachverständigen Überprüfung zu unterziehen. Begründet wurde dies u.a. damit, der Angeklagte habe sich dahingehend geäußert, daß seine Antworten und Äußerungen „nicht richtig ins Deutsche übersetzt wurden”. Auch diesen Antrag wies die Strafkammer „wegen Prozeßverschleppung” zurück.
2. Die Ablehnung der Anträge war rechtens.
Es liegt schon nahe, daß der Antrag auf Vernehmung der Justizbediensteten kein Beweisantrag war, weil deren Vernehmung ersichtlich nicht ernsthaft auf eine Beweiserhebung über deren Wahrnehmung gerichtet war. Vielmehr sollte – so hat es das Landgericht zutreffend bewertet – dadurch allein erreicht werden, daß die Strafkammer eine Strafe verhängt, die der Angeklagte als akzeptabel ansieht.
Selbst wenn es sich um einen Beweisantrag gehandelt hätte, stünde dessen Zulässigkeit in Frage (§ 244 Abs. 1 StPO), weil er den Schuldspruch betroffen hätte, aber konditional mit der Strafzumessung verknüpft war (vgl. BGHSt 40, 287 [289]).
Dem Antrag auf Überprüfung der Sprachkenntnisse des Dolmetschers war – wenn überhaupt – ohnehin nur im Wege des Freibeweises nachzukommen.
Dessen ungeachtet aber dienten die Anträge ersichtlich allein dem Zweck der Prozeßverschleppung (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).
a) Die Frage der Deutschkenntnisse des Angeklagten war geklärt. Der Angeklagte sprach in der Hauptverhandlung Deutsch. Daß er diese Fähigkeit binnen weniger Monate vor der Hauptverhandlung in der Vollzugsanstalt erwarb, ist schon für sich genommen sehr unwahrscheinlich. Der Angeklagte war zudem im Jahre 2003 in Deutschland bereits integriert. Er lebt zwar erst seit 1999 hier. Im Jahre 2000 heiratete er aber eine aus Kasachstan stammende deutsche Staatsangehörige. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Im Jahre 2003 hatte der Angeklagte eine Arbeitsstelle inne, für die er deutsche Sprachkenntnisse benötigte. Spätestens aber nach der Vernehmung des früheren Verteidigers des Angeklagten sowie des Sozialarbeiters stand ohne jeden vernünftigen Zweifel endgültig fest, daß der Angeklagte – entgegen seiner sowie seiner Ehefrau Angaben – über genügend Deutschkenntnisse verfügte, um mit dem Verdeckten Ermittler, wie von diesem geschildert, ohne Schwierigkeiten den Handel mit Betäubungsmitteln zu besprechen.
b) Vernünftige Zweifel daran, daß der Dolmetscher seine Muttersprache beherrscht, bestanden nicht, wie die Strafkammer in den Gründen des Ablehnungsbeschlusses im einzelnen darlegte.
Die Beweisanträge dienten nicht mehr, auch nicht ansatzweise, der Erforschung der Wahrheit. Sie bezweckten ersichtlich ausschließlich die Verschleppung des Verfahrens mit dem Ziel, die Strafkammer – um dies abzuwenden – zur Verhängung einer unangemessen niedrigeren Strafe, zu einem „Deal” unter den Bedingungen des Angeklagten zu zwingen. Diesem rechtsmißbräuchlichen Ansinnen begegnete das Landgericht zu Recht entschieden mit dem hierzu zur Verfügung stehenden strafprozessualen Instrumentarium.
Unterschriften
Nack, Kolz, Hebenstreit, Elf, Graf
Fundstellen
Haufe-Index 2557521 |
JR 2005, 297 |
NStZ 2005, 45 |