Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 02.04.2008) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 2. April 2008
im Urteilstenor wie folgt neu gefasst:
„Das Urteil des Amtsgerichts – Jugendschöffengericht – Wittenberg vom 13. Juni 2007 – 182 Js 32108/06 – wird aufgehoben.
Der Angeklagte wird wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Er hat die Kosten des Verfahrens und die der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.”
- im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Jugendschöffengericht Wittenberg hatte den Angeklagten mit Urteil vom 13. Juni 2007 vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Auf die dagegen eingelegten Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin hat die Große Jugendkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau dieses Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Oberlandesgericht Naumburg, dem die Revision zunächst zur Entscheidung vorgelegt worden ist, hat mit Beschluss vom 21. November 2008 seine Unzuständigkeit erklärt, da das Verfahren und das Urteil des Landgerichts als erstinstanzlich zu behandeln seien, weshalb der Bundesgerichtshof für die Entscheidung über die Revision zuständig sei.
Rz. 2
1. Die vom Oberlandesgericht Naumburg vertretene Rechtsansicht entspricht der ständigen Rechtsprechung (vgl. BGHSt 21, 229; 23, 283; 31, 63; BGH NStZ-RR 1997, 22; BGH, Beschluss vom 1. Juni 2005 – 1 StR 100/05).
Rz. 3
Die Jugendkammer hat zwar eine Berufungshauptverhandlung durchführen wollen und deshalb auch den Urteilsspruch äußerlich wie in einem Berufungsurteil abgefasst; sie hat dabei aber verkannt, dass ihr in diesem Fall nur eine Strafgewalt von bis zu vier Jahren Freiheitsstrafe zugestanden hätte (§§ 108 Abs. 3 Satz 1 JGG, 24 Abs. 2 GVG). Dies gefährdet den Bestand der angefochtenen Entscheidung jedoch deswegen nicht, weil das Verfahren und das Urteil des Landgerichts als erstinstanzlich zu behandeln sind, da, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen dargelegt hat, die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.
Rz. 4
Dem schließt sich der Senat an. Er hat daher über die Revision in der Sache zu entscheiden. Außerdem muss sich die Tatsache, dass – nach Umdeutung – ein erstinstanzliches Urteil vorliegt, aus dem Urteilstenor ergeben (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 22, 23). Der Senat hat den Urteilsspruch dementsprechend berichtigt.
Rz. 5
2. Die von dem Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen und die Angriffe auf den Schuldspruch sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; dagegen kann der Strafausspruch aus sachlich-rechtlichen Gründen nicht bestehen bleiben.
Rz. 6
Die Bemessung der erkannten Freiheitsstrafe hält rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Strafzumessungserwägungen lückenhaft sind. Als Strafmilderungsgründe hat das Landgericht lediglich berücksichtigt, dass die durch den Angeklagten eingesetzte Gewalt „überschaubar” war und dass die Tat schon geraume Zeit zurückliegt.
Rz. 7
Zu Gunsten des Angeklagten spricht nach dem festgestellten Sachverhalt aber auch das Vorverhalten der Geschädigten: Diese war in der vorangegangenen Nacht auf den Angeklagten, den sie erst unmittelbar zuvor kennen gelernt hatte, offensiv und auch mit ihren körperlichen Attributen kokettierend zugegangen und hatte mit ihm einverständlich den Geschlechtsverkehr ausgeführt. Am folgenden Abend war sie wieder in den Proberaum der Band gekommen, hatte dort an einer Party teilgenommen und war schließlich freiwillig mit dem alkoholisierten Angeklagten allein dort geblieben, obwohl er sich ihr gegen ihren Willen sexuell zu nähern versuchte.
Rz. 8
Ein weiterer Rechtsfehler liegt in der undifferenzierten Zurechnung von psychischen und physischen Beeinträchtigungen als Tatfolgen. Das Landgericht hat dabei nicht bedacht, dass die Geschädigte bereits nach dem freiwilligen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten große Schuldgefühle, auch gegenüber ihrem festen Partner, entwickelte und über ihr Tun zutiefst erschüttert war, da sie „immer viel auf Moral gegeben hatte” (UA 8). Es liegt daher nahe, dass die von der Geschädigten geschilderten psychischen Folgen, insbesondere soweit diese das Verhältnis zu ihrem Freund betreffen, auch auf diesen Vorfall zurückzuführen sind.
Rz. 9
Über die Strafe ist daher erneut zu entscheiden. Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedurfte es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen sind. Ergänzende Feststellungen, die den aufrechterhaltenen nicht widersprechen, sind zulässig.
Unterschriften
Tepperwien, Maatz, Solin-Stojanović, Franke, Mutzbauer
Fundstellen