Leitsatz (amtlich)
a) Die in der Regelung A. II. 3. d des Runderlasses des Hessischen Ministers der Justiz vom 25. Februar 1999 (JMBl. S. 222) bei der Ermittlung der fachlichen Eignung für das Amt des Notars festgelegte Bewertungsobergrenze für Urkundsgeschäfte im Rahmen von Notarvertretungen und -verwesungen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
b) Ist in einem durch Verwaltungsvorschriften geregelten Punktsystem bei der Auswahl für Beurkundungstätigkeit des Bewerbers im Rahmen von Notarvertretungen o.ä. eine Höchstpunktzahl vorgesehen, so ist darüber hinaus die Vergabe von Sonderpunkten für dieses Leistungskriterium nicht zulässig (vgl. Sen.Urt. v. 16. März 1998 – NotZ 27/98, DNotZ 1999, 248 u. st. Rspr.).
Normenkette
BNotO § 6 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des 1. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. September 2000 wird zurückgewiesen.
Der weitere Beteiligte zu 1 hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die dem Antragsteller und dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000,– DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller, der seit 9. Dezember 1988 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist, bewarb sich ebenso wie die beiden weiteren Beteiligten um die am 1. Juli 1999 im Justizministerialblatt für das Land Hessen ausgeschriebene Notarstelle für H.. Durch Bescheid vom 11. Februar 2000 unterrichtete ihn die Präsidentin des Oberlandesgerichts davon, daß seiner Bewerbung nicht entsprochen werden könne; es sei beabsichtigt, die ausgeschriebene Notarstelle mit dem punktbesseren weiteren Beteiligten zu 1 zu besetzen. Für diesen waren auf der Grundlage des Runderlasses des Antragsgegners zur Ausführung der Bundesnotarordnung (RdErl) vom 25. Februar 1999 (JMBl. S. 222) insgesamt 122,35 Punkte (darunter fünf Sonderpunkte für langjährige Notarvertretung), für den Antragsteller hingegen nur 119,35 Punkte errechnet worden. Den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat das Oberlandesgericht hinsichtlich des Hauptantrags, den Antragsgegner zur Besetzung der Notarstelle mit dem Antragsteller zu verpflichten, zurückgewiesen; demgegenüber hat es seinem Hilfsantrag stattgegeben und den Antragsgegner unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem weiteren Beteiligten zu 1 seien zu Unrecht die Sonderpunkte für langjährige Notarvertretungen zuerkannt worden, weil die in Abschnitt A II 3 d RdErl für Beurkundungstätigkeit vorgesehene Punktzahlobergrenze in unzulässiger Weise unterlaufen werde mit der Folge einer systemwidrigen Doppelbewertung desselben Kriteriums und der Ungleichbehandlung anderer Bewerber; der weitere Beteiligte zu 1 genieße auch keinen Vertrauensschutz, weil eine etwa dahingehende Praxis der Landesjustizverwaltung rechtswidrig sei und der weitere Beteiligte zu 1 dies auch angesichts der bisherigen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe erkennen können. Gegen diese Entscheidung wendet sich der weitere Beteiligte zu 1 mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zwar gemäß § 111 Abs. 4 BNotO i.V.m. § 42 Abs. 4 BRAO zulässig. Denn die den Bescheid der Landesjustizverwaltung vom 11. Februar 2000 aufhebende Entscheidung des Oberlandesgerichts beschwert ihn bereits deshalb, weil sich dadurch die ursprünglich vorgesehene Besetzung der Notarstelle zu seinen Ungunsten nicht nur verzögert, sondern nunmehr die unmittelbare Gefahr der Besetzung der Stelle mit dem Antragsteller besteht; daher kann der weitere Beteiligte zu 1 aus eigenem Recht die Entscheidung des Oberlandesgerichts überprüfen lassen, ohne zunächst den erneuten Bescheid des Antragsgegners – zu seinen Lasten – abwarten zu müssen.
Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Das Oberlandesgericht hat dem vom Antragsteller hilfsweise gestellten Bescheidungsantrag zu Recht stattgegeben, weil der angefochtene Erlaß vom 11. Februar 2000 rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
1. Dem weiteren Beteiligten zu 1 stehen die ihm vom Antragsgegner gemäß A. II. 3. f RdErl für seine langjährige Notarvertretung des Rechtsanwalts und Notars K. zugebilligten Sonderpunkte nicht zu.
Der Antragsgegner hat mit seinem Runderlaß zur Ausführung der Bundesnotarordnung in der heute gültigen Fassung vom 25. Februar 1999 im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die in § 6 Abs. 3 BNotO genannten Auswahlkriterien durch Erlaß einer norminterpretierenden Verwaltungsvorschrift zu konkretisieren (BGHZ 124, 327, 332 f.). Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Justizverwaltung die Eignungsmerkmale nach einem Punktesystem bewerten. Die Einstufung der fachlichen Qualifikationsmerkmale von Mitbewerbern in eine benotete Rangskala ist ein sachgerechter Gesichtspunkt bei der Auswahlentscheidung; das Bewertungssystem des Antragsgegners ist in sich ausgewogen und steht im Einklang mit § 6 Abs. 3 BNotO (vgl. hierzu bereits den Sen.Beschl. v. 16. März 1998 – NotZ 27/97, BGHR BNotO § 6 Abs. 3 Satz 2 – Auswahlverfahren 6 m.w.N. zur früheren Fassung des Runderlasses, der lediglich bezüglich der damaligen Regelung zur Vergabe von Sonderpunkten für erfolgreiche Teilnahme an Klausuren beanstandet wurde). Das gilt insbesondere für die im Runderlaß geregelte Gewichtung zwischen „Ausbildung” und „Berufserfahrung”, also vor allem zwischen dem Ergebnis des zweiten Staatsexamens und dem Auswahlkriterium der Beurkundungstätigkeit im Rahmen von Notarverwesungen und Notarvertretungen. Wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist die Bewertungsobergrenze für das Auswahlkriterium der Beurkundungen im Rahmen der Notarverwesungen und Notarvertretungen geboten; dadurch soll verhindert werden, daß die übrigen gesetzlichen Auswahlgesichtspunkte, vor allem das besonders bedeutsame Kriterium des zweiten juristischen Staatsexamens, verdrängt werden und daß Bewerber unangemessen bevorzugt werden, die im Vergleich zu anderen Bewerbern in weit größerem Maße Gelegenheit hatten, einen Notar zu vertreten oder dessen Amt zu verwesen (so schon Sen.Beschl. v. 25. April 1994 – NotZ 19/93, NdsRpfl. 1994, 330 und v. 24. November 1997 – NotZ 11/97, DNotZ 1999, 241, 242 – letztere Entscheidung betrifft eine frühere Bewerbung des weiteren Beteiligten zu 1). Ist aber in einem durch Verwaltungsvorschrift geregelten Punktesystem bei der Auswahl für Beurkundungstätigkeit des Bewerbers im Rahmen von Notarvertretungen eine Höchstpunktzahl – wie vorliegend nach A. II. 3. d des RdErl mit 20 Punkten – vorgesehen, so ist nach der gefestigten Senatsrechtsprechung darüber hinaus die Vergabe von Sonderpunkten für dieses Leistungskriterium nicht zulässig (Sen.Beschl. v. 16. März 1998 – NotZ 27/97, DNotZ 1999, 248, 250 m.w.N.). Sie würde nämlich die gebotene Begrenzung des Gewichts der Urkundspraxis wieder einschränken oder aufheben und im Ergebnis über eine systemwidrige Doppelbewertung desselben Kriteriums zu einer Ungleichbehandlung anderer Bewerber führen. Dementsprechend müssen Bewerber, die – wie der weitere Beteiligte zu 1 mit insgesamt 265,1 „Notarvertretungspunkten” – das Auswahlkriterium der sog. Urkundsgeschäfte (nach § 8 DONot in die Urkundenrolle einzutragenden Notariatsgeschäfte außer Beglaubigungen ohne Entwurf) gemäß A. II. 3. d RdErl über die anrechnungsfähige Höchstpunktzahl hinaus „übererfüllt” haben, eine Kappung der erbrachten Mehrleistungen hinnehmen. Das gilt in gleicher Weise für Bewerber, die im Rahmen des Auswahlkriteriums „Ausbildung” bei den sog. Fortbildungskursen gemäß A. II. 3. c RdErl die verbindlich vorgeschriebene Höchstzahl von 45 Punkten durch die konkret erbrachten Leistungen überschreiten. Da der Runderlaß weitergehend in zulässiger Weise für Leistungen in den Bereichen der Fortbildungskurse und der Urkundsgeschäfte eine Gesamthöchstpunktzahl von 45 Punkten vorsieht, müssen es Bewerber, die bereits allein durch den Besuch von Fortbildungskursen die Höchstpunktzahl von 45 Punkten erreicht haben, sogar hinnehmen, daß ihre zusätzlichen Leistungen im Bereich der Urkundsgeschäfte rechnerisch unberücksichtigt bleiben, ohne daß ihnen deshalb für den letztgenannten Bereich Sonderpunkte zuerkannt werden könnten. Entgegen der Ansicht des weiteren Beteiligten zu 1 läßt sich die Vergabe von Sonderpunkten auch nicht damit rechtfertigen, daß er im Rahmen seiner langjährigen Notarvertretungen über die im Auswahlkriterium nach A. II. 3. d RdErl zugrunde gelegte reine Beurkundungstätigkeit hinaus „die häufig vorangehende Beratung und vor allem die Durchführung und Abwicklung der erstellten Urkunde geleistet habe”. Wie der weitere Beteiligte zu 1 selbst nicht verkennt, handelt es sich bei diesen Tätigkeiten lediglich um „Teilbereiche” des „Urkundsgeschäfts”, die nach der von der Landesjustizverwaltung im Runderlaß getroffenen Grundentscheidung gerade nicht als gesondert bewertungsfähiges Leistungskriterium bei der Auswahlentscheidung Berücksichtigung finden sollen und die dementsprechend auch schon im Ansatz nicht für die Vergabe von Sonderpunkten in Betracht kommen; muß nämlich bereits der Kernbereich der tatsächlich geleisteten Notarvertretungstätigkeit des weiteren Beteiligten zu 1 – wie er schon in der erheblichen Zahl der über die berücksichtigungsfähige Gesamtpunktzahl von 20 hinausgehenden Beurkundungen zum Ausdruck kommt – zur Vermeidung der Verzerrung des ausgewogenen Verhältnisses der einzelnen Bewertungsparameter außer Betracht bleiben, so gilt dies erst recht für die diesbezüglich erbrachten „Nebenleistungen” ihrer Vorbereitung bzw. ihrer Durchführung und Abwicklung.
2. Die Vergabe der fünf Sonderpunkte an den weiteren Beteiligten zu 1 kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Bestand haben. Soweit der Antragsgegner entsprechend einem Beschluß der Notarkammer Frankfurt/Main vom 14. Oktober 1995 bereit war, für jedes vollendete Vertretungsjahr mit mindestens 100 Urkundsgeschäften pro Jahr einen Sonderpunkt zu gewähren, lag die Rechtswidrigkeit einer derartigen Praxis für den weiteren Beteiligten zu 1 bereits aufgrund der früheren Senatsrechtsprechung auf der Hand (vgl. schon Sen.Beschl. v. 13. Dezember 1993 – NotZ 47/92 u. – NotZ 49/92, BGHR BNotO § 6 Abs. 3 – Auswahlkriterien 2 u. 3; ferner Sen.Beschl. v. 25. April 1994 – NotZ 19/93, Umdr. S. 17 f., insoweit nicht abgedruckt in Nds.Rpfl. 1994, 330). Insbesondere ergab sich dies für den Beteiligten zu 1 aus der seine frühere Bewerbung betreffenden Senatsentscheidung vom 24. November 1997 – NotZ 11/97 (aaO, 241, 242): zwar hat der Senat seinerzeit die Zulässigkeit einer Vergabe von nicht mehr als fünf Sonderpunkten unter den damaligen konkreten Umständen (Nichtüberschreiten der rechnerischen Punktobergrenze für Beurkundungstätigkeit) dahinstehen lassen; er hat jedoch unmißverständlich ausgesprochen, daß eine darüber hinausgehende – seinerzeit vom Beteiligten zu 1 erstrebte – Vergabe von Sonderpunkten rechtlich bedenklich sei, weil dadurch im Verhältnis zur Mitbewerberin die Folgen eintreten, die nach der Rechtsprechung des Senats durch die Regelung einer Punktobergrenze für Vertretungstätigkeiten verhindert werden sollen und auch verhindert werdenmüssen. Im vorliegenden Bewerbungsverfahren konnte daher ein schützenswertes Vertrauen in den Bestand der – neuerlichen – Vergabe von Sonderpunkten für die Notarvertretungen nicht entstehen.
3. Danach fällt der weitere Beteiligte zu 1 ohne die fünf zu Unrecht vergebenen Sonderpunkte mit insgesamt 117,35 Punkten in der Auswahlbewertung hinter den Antragsteller mit 119,35 Punkten zurück.
Unterschriften
Rinne, Seiffert, Kurzwelly, Schierholt, Grantz
Fundstellen
Haufe-Index 614769 |
BGHR 2001, 904 |
BGHR |
NJW-RR 2001, 1568 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 2001, 963 |
MDR 2001, 1194 |
ZNotP 2001, 443 |