Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungsrecht. Wertvergleich. Festlegung des Bewertungsstichtags. Niederstwertprinzip. Erbfallzeitpunkt. Ergänzungspflichtige Schenkung. Prozesskostenhilfe
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Durchführung des Wertvergleichs zur Feststellung des Bewertungsstichtags sind vom Erblasser vorbehaltene Nutzungen außer Acht zu lassen. Für ihre spätere Berücksichtigung ist kein Raum mehr, wenn nach dem Vergleich der Zeitpunkt des Erbfalls zugrunde zu legen ist. Sie sind dann erloschen.
Normenkette
BGB § 2325 Abs. 2 S. 2; ZPO §§ 543, 114
Tenor
Der Beklagten wird die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe für die Durchführung des Revisionsverfahrens versagt.
Streitwert: 8.553,57 €
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über Pflichtteilsergänzungsansprüche nach ihrer 1998 verstorbenen Mutter, die keinen werthaltigen Nachlaß hinterlassen hat.
Die Vorinstanzen haben die 1997 unter Vorbehalt eines Wohnungsrechts erfolgte Übertragung eines Hausgrundstücks auf die Beklagte als ergänzungspflichtige Schenkung angesehen. Bei der für die Wertberechnung nach dem Niederstwertprinzip gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB erforderlichen Festlegung des Bewertungsstichtages haben sie den Grundstückswert zur Zeit des Erbfalls mit dem zur Zeit des Schenkungsvollzuges unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes verglichen. Auf der Grundlage des danach maßgeblichen niedrigeren Grundstückswertes zur Zeit des Erbfalls haben sie ohne Berücksichtigung des zu diesem Zeitpunkt erloschenen Wohnungsrechts dem Ergänzungsbegehren stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe
II. Die für die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens beantragte Prozeßkostenhilfe ist nicht zu bewilligen, weil die Rechtsverfolgung der Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu der Frage erfordere, ob sich eine Berücksichtigung von mit dem Tode entfallenden Nutzungsvorbehalten stets verbiete, wenn gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Erbfallzeitpunkt abzustellen ist. An diese Zulassung ist der Senat gebunden. Allerdings ist der Zulassungsgrund, der sich weitgehend mit dem der Grundsatzbedeutung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO deckt (vgl. Ullmann, WRP 2002, 597) nicht gegeben. Er setzt voraus, daß der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung und Anwendung des materiellen und formellen Rechts aufzustellen oder Lücken auszufüllen, weil es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02 – VersR 2003, 222 unter 2, demnächst in BGHZ 151, 221 und vom 25. März 2003 – VI ZR 335/02 – zur Veröffentlichung vorgesehen, jeweils m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, an der festzuhalten ist und an die sich auch die Vorinstanzen gehalten haben, sind bei dem Wertvergleich zur Feststellung des Bewertungsstichtages vom Erblasser vorbehaltene Nutzungen außer acht zu lassen (BGHZ 118, 49 ff.; 125, 395 ff.; siehe ferner BGH, Urteile vom 17. Januar 1996 – IV ZR 214/94 – WM 1996, 684 unter 2c und 30. Mai 1990 – IV ZR 254/88 – WM 1990, 1637 unter I 1). Für ihre spätere Berücksichtigung ist kein Raum mehr, wenn nach dem Vergleich der Zeitpunkt des Erbfalls zugrunde zu legen ist; sie sind dann erloschen.
2. Prozeßkostenhilfe ist aber – unbeschadet der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht – nur dann zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Fortbildung des Rechts in dem dargelegten Sinn dient, woran es indes fehlt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts läßt keine Notwendigkeit erkennen für weitere über die bisher durch den Senat herausgearbeiteten Grundsätze hinausgehende sachverhaltsbezogene Leitlinien. Es ergeben sich insbesondere keine zweifelhaften oder noch offenen Rechtsfragen, die einer Klärung durch höchstrichterliche Entscheidung und einer Erörterung in der mündlichen Verhandlung bedürften (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. September 2002 – VIII ZR 235/02 – NJW-RR 2003, 130 unter 2; vom 6. November 2002 – XII ZR 259/01 – NJW-RR 2003, 505 f. und vom 21. November 2002 – V ZB 40/02 – NJW 2003, 1126 unter II 1). Die der Zulassungsfrage zugrunde liegende Fallkonstellation ist auch bereits Gegenstand revisionsrechtlicher Beurteilung durch den Senat gewesen (vgl. Nichtannahmebeschluß vom 26. September 2001 – IV ZR 290/00 – zum Urteil des OLG München vom 29. September 2000 – 23 U 3045/00). Es kommt daher für die Prozeßkostenhilfegewährung allein auf die Erfolgsaussichten in der Sache selbst an, die bereits im Prozeßkostenhilfeverfahren beurteilt werden können. Solche Erfolgsaussichten bestehen nicht.
Unterschriften
Terno, Seiffert, Wendt, Dr. Kessal-Wulf, Felsch
Fundstellen
FamRZ 2003, 1552 |
ZEV 2003, 416 |
NJW-Spezial 2004, 14 |
ZErb 2003, 317 |
NJOZ 2003, 2290 |