Leitsatz (amtlich)
Der einmal entstandene Anspruch auf Zahlung wegen Notbedarfs erlischt nicht mit dem Tode des Schenkers, soweit die öffentliche Hand oder Dritte zunächst für den hilfsbedürftigen Schenker sorgen mußten, weil der Beschenkte der ihm nach § 528 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB obliegenden Pflicht trotz Aufforderung nicht (oder nur zögerlich) nachgekommen ist (Fortführung von BGHZ 90, 380 ff).
Normenkette
BGB § 528 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Stuttgart |
LG Stuttgart |
Tenor
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit haben die Kläger Zahlungsansprüche wegen Notbedarfs, hilfsweise Rückübereignung eines geschenkten Hausgrundstücks nach Widerruf wegen groben Undanks, geltend gemacht.
Die Kläger sind die unbekannten Erben nach S. F.. Diese „verkaufte” dem Beklagten gegen eine einmalige, nach ihrem Tode zu leistende, Zahlung und eine monatliche Rente von 400 DM eine ihr gehörende Eigentumswohnung. Als sie 1985 pflegebedürftig in einem Heim untergebracht werden mußte, übernahm die Stadt K. die nicht gedeckten Heimkosten, die Frau F. bei einem Kostensatz von 2.325 DM monatlich aus ihren eigenen Einnahmen von 1.542,63 DM monatlich nicht bestreiten konnte. Die Stadt leitete den Frau F. gegen den Beklagten zustehenden Rentenanspruch auf sich über. Wegen der Bedürftigkeit von Frau F. machte ihre Pflegerin Rückforderungsansprüche wegen Notbedarfs gegen den Beklagten geltend und stellte, als der Beklagte Ansprüche bestritt, Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für eine entsprechende Klage. Schon zuvor hatte der Beklagte in einem von der Pflegerin gegen ihn geführten Rechtsstreit, ebenfalls nach vorheriger Weigerung, einen Anspruch auf Herausgabe einer ihm von Frau F. 1981 ausgestellten Vollmachtsurkunde und einen Anspruch auf Rechnungslegung anerkannt. Als der Beklagte im Januar 1989 die im Vertrag vereinbarten monatlichen Ratenzahlungen einstellte, ließ die Pflegerin die Schenkung des Wohnungseigentums zusätzlich wegen groben Undanks widerrufen. Nach dem Tode von Frau F. standen einem Aktivvermögen von 850,29 DM offene Forderungen, die für Heimkosten von Frau F. zu zahlen waren, in Höhe von 28.748,34 DM gegenüber.
Die Klage auf Zahlung der offenstehenden Unterhaltsbeträge von 27.898,05 DM, hilfsweise Rückforderung des Wohnungseigentums, die die Kläger nach dem Tode von Frau F. weiterführten, ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben.
Nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision und Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist haben die Revisionskläger die Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Mutter des Beklagten die mit dem Hauptantrag geforderte Klagesumme beglichen hat. Die Kläger beantragen, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Senat hat somit gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. Er macht von der Möglichkeit Gebrauch, ohne mündliche Verhandlung über die Kostentragungspflicht zu befinden (§ 91 a Abs. 1 Satz 2 ZPO).
1. Eine Erledigung der Hauptsache kann auch noch im Revisionsrechtszug erklärt werden (vgl. BGHZ 106, 359, 366). Die Revision war hier vor Abgabe der Erledigungserklärung durch die Kläger eingelegt, und über die Annahme war noch nicht entschieden (vgl. MünchKomm/Lindacher, ZPO § 91 a Rdn. 38). Der Streit, ob die Erledigungserklärungen außerhalb der mündlichen Verhandlung bindend abgegeben werden können (verneinend z.B. BGH NJW 1968, 991, 992), ist nach der Änderung des § 91 a ZPO durch das Rechtspflegeänderungsgesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S. 2847) erledigt. Die Erklärungen konnten schriftlich und die zustimmende Erklärung des Beklagten konnte auch von seinem zweitinstanzlichen Anwalt abgegeben werden, da die Erklärungen auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen können (§§ 91 a Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 78 Abs. 3 ZPO).
2. ist der Rechtsstreit danach durch übereinstimmende Erklärung erledigt, hat der Senat unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen hat der Senat, wie schon die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Kläger erkennen läßt, dem Klagebegehren Erfolgsaussicht beigemessen. Es besteht zu Lasten des Beklagten mindestens eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, daß das Berufungsurteil keinen Bestand gehabt hatte; dies reicht gemäß § 91 a ZPO aus, ihm die Kosten aufzuerlegen. Die Vorinstanzen haben zwar letztlich offengelassen, aber doch ausreichende Gesichtspunkte dafür angeführt, daß aufgrund der Wertverhältnisse hinsichtlich der Übertragung des Wohnungseigentums vieles für eine gemischte Schenkung an den Beklagten spricht. Dem schließt sich der Senat an.
Anders als das Berufungsgericht argumentiert, konnte hier die pflegebedürftige Schenkerin aber auch ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bei Einnahmen von nur 1.542,63 DM und Ausgaben von 2.325 DM allein für die laufenden Heimkosten, ohne Berücksichtigung persönlicher Aufwendungen, nicht mehr decken. Sie konnte sich auch angesichts ihrer Pflegebedürftigkeit nicht einschränken, um dem Beschenkten sein Geschenk nicht zu schmälern. Das Berufungsgericht hat zudem nicht ausreichend gewürdigt, daß Frau F., wenn auch vertreten durch ihre Pflegerin, Ansprüche wegen Notbedarfs nach § 528 BGB geltend gemacht hat. Bis sie ihre Ansprüche durchzusetzen vermochte, mußten Dritte ihren Lebensunterhalt sicherstellen und sie pflegen. Es kann nicht zugunsten des Beschenkten ausschlagen – der einmal entstandene (BGHZ 90, 380, 382) Anspruch nicht dadurch wieder wegfallen –, daß Dritte oder die öffentliche Hand zunächst für die hilfsbedürftige Schenkerin sorgen mußten, weil der Beschenkte die ihm nach § 528 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB obliegende Pflicht trotz Aufforderung und sogar Klageankündigung nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt hat.
Dies muß nicht nur, wie der Senat bereits entschieden hat (BGHZ 90, 380 ff), dann gelten, wenn der Staat – in Gestalt des Sozialhilfeträgers – den Anspruch auf sich übergeleitet hat, sondern auch dann, wenn ein Dritter, um die Not des Schenkers abzuwenden, mit der Hilfe anstelle des säumigen Beschenkten quasi „in Vorlage” getreten ist. Entscheidend kann nämlich nicht, wie es das Berufungsgericht sieht, die Oberleitungsanzeige des Sozialhilfeträgers sein; maßgeblich ist vielmehr, daß der Beschenkte nach Geltendmachung des Notbedarfsanspruches aus § 528 BGB nicht durch verzögerliche Weigerung die Kosten für den notwendigen Lebensbedarf des Schenkers Dritten oder der Allgemeinheit soll aufbürden können. Es entspricht einem allgemeinen Rechtsgedanken des Bürgerlichen Gesetzbuches, daß ein Unterhaltsanspruch nicht dadurch ausgeschlossen wird oder untergeht, daß zunächst ein anderer für den Verpflichteten eingetreten ist (§ 843 Abs. 4 BGB; § 1615 Abs. 1 BGB, auf den § 528 Abs. 1 Satz 3 BGB zudem verweist). Es wäre nicht hinnehmbar, wenn derjenige, der in der Not des Schenkers für den Beschenkten mit Geld oder persönlicher Hilfe in Vorlage tritt, für die erbrachten Leistungen mit dem Tode des Schenkers die Möglichkeit verlöre, Ersatz zu erhalten, und wenn der im Verzug befindliche Schuldner aus seiner Säumnis den Vorteil der Befreiung von seiner Schuld sollte ziehen dürfen.
Die summarische Prüfung nach § 91 a ZPO läßt danach nur den Schluß zu, daß hier überwiegende Gesichtspunkte dafür sprechen, daß schon die Klage auf Zahlung des notwendigen Unterhalts nach § 528 BGB letztendlich Erfolg gehabt hatte. Danach entspricht es der Billigkeit, dem Beklagten die Kosten des nunmehr erledigten Rechtsstreits aufzuerlegen, ohne daß es noch darauf ankäme, ob auch der Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks nach § 530 BGB Erfolg gehabt hätte, wofür allerdings angesichts der Nichtzahlung der versprochenen Rente an Frau F. selbst vieles spricht (vgl. z.B. Senatsurt. v. 5. Februar 1993, V ZR 181/91).
Unterschriften
Hagen, Vogt, Lambert-Lang, Tropf, Schneider
Fundstellen
Haufe-Index 1128849 |
BGHZ |
BGHZ, 264 |
NJW 1994, 256 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1994, 450 |