Entscheidungsstichwort (Thema)
sexueller Mißbrauch von Jugendlichen
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 2. März 1998 wird mit der Maßgabe verworfen, daß er in den Fällen II 11 und 12 der Urteilsgründe jeweils in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist nicht des unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren zum unmittelbaren Verbrauch, sondern des Verschaffens einer Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 BtMG).
Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
Abgesehen von der vom Senat vorgenommenen Änderung des Schuldspruchs hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Was die Mindestzahl der Tatbegehung in den Fällen II 2 und 4 der Urteilsgründe angeht, stützt sich die Strafkammer entscheidend auf die für glaubhaft erachtete Aussage des Zeugen M. M., der angab, im Gesamtzeitraum seiner Beziehung zum Angeklagten sei es „sicherlich häufiger als zwanzigmal” zu wechselseitigen sexuellen Handlungen zwischen ihnen gekommen, „ohne daß er eine konkrete Zahl nennen könne” (UA S. 36). Demgegenüber hat es sich ersichtlich nicht ausgewirkt, daß sie versehentlich davon spricht, der Angeklagte habe „eine Mindestanzahl von 20 Fällen” eingeräumt (UA S. 42), während er tatsächlich erklärte, es sei „höchstens” in 20 Fällen zu den homosexuellen Handlungen gekommen (UA S. 34).
Im übrigen tritt der Senat der Stellungnahme des Generalbundesanwalts bei, der ausgeführt hat:
„Der Schuldspruch in den Fällen II.11 und II.12 kann dagegen nicht bestehen bleiben.
Ein Überlassen von Betäubungsmitteln liegt nur dann vor, wenn dem Dritten Betäubungsmittel ausgehändigt werden. Der Übergebende behält zwar in diesen Fällen die Verfügungsmacht; er bestimmt, ob und inwieweit das Betäubungsmittel für den Genuß bereitgestellt wird (andernfalls liegt Abgabe vor). In jedem Falle ist für das Überlassen von Betäubungsmitteln aber erforderlich, daß der Täter die Droge zum Verbrauch hingibt (vgl. Körner, BtMG, 4. Aufl., § 29 a, Rdn. 9; § 29, Rdn. 887; Franke/Wienroeder, BtMG, § 29 a, Rdn. 2, § 29, Rdn. 133). In den Fällen II.11 und II.12 hatten sich die Jugendlichen Haschisch bzw. Marihuana anderweitig besorgt und nicht von dem Angeklagten bekommen.
Allerdings ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG in der Form der Verschaffung von Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch erfüllt. Anders als in dem Fall, welcher der von der Revision zitierten Entscheidung des BayObLG MDR 1983, 75 zugrundeliegt, war der Angeklagte nicht bloß Gastgeber einer Party, wo anläßlich einer solchen Gelegenheit mehr oder weniger zufällig in der Wohnung des Besuchten Betäubungsmittel konsumiert werden. Vielmehr hatte der Angeklagte bereits vorher dem Jugendlichen M. M. mehrfach Haschisch bzw. Marihuana besorgt und diesem zum unmittelbaren Verbrauch überlassen (Fälle II.3, UA S. 16 und II.5, UA S. 18). Im Hinblick darauf und den weiteren Umstand, daß der Angeklagte gegenüber M. M. eine – jedenfalls faktische – Fürsorgepflicht hatte, nachdem er ihn bei sich aufgenommen hatte (UA S. 12-13), hat der Angeklagte dem Jugendlichen nicht nur Gelegenheit zum Betäubungsmittelkonsum gewährt, sondern auch verschafft, weil er ihm überhaupt erst die Möglichkeit eröffnet hat, ungestört Betäubungsmittel rauchen zu können (vgl. Körner, BtMG, 4. Aufl., § 29, Rdn. 1011 f., 1015).
Damit hat der Angeklagte günstige Bedingungen zum Konsum von Betäubungsmitteln i.S.d. § 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG geschaffen.
Die Einzelstrafen können trotz des im Vergleich zu dem Verbrechenstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG niedrigeren Strafrahmens bestehen bleiben. Angesichts des Umstandes, daß die Kammer von minder schweren Fällen ausgegangen ist (UA S. 82) und bei der Festsetzung der Einzelstrafen die Mindeststrafe des § 29 a Abs. 2 BtMG nur knapp überschritten hat, kann ausgeschlossen werden, daß die Kammer niedrigere Strafen verhängt hätte. Im übrigen bleibt im Hinblick darauf, daß das Schwergewicht des dem Angeklagten zu machenden Schuldvorwurfs auf den Sexualstraftaten liegt, der Unrechts- und Schuldgehalt des deliktischen Verhaltens unberührt und stellt das in der Gesamtstrafe zum Ausdruck kommende Gesamtergebnis der Bestrafung nicht in Frage (vgl. BGH, Beschl. v. 18. März 1998 - 3 StR 545/97; NStZ 1996, 296, 297). Unter diesen Umständen und im Hinblick auf die im Vergleich zu Zahl und Höhe der Einzelstrafen zurückhaltend vorgenommene Erhöhung der Einsatzstrafe von neun Monaten ist auszuschließen, daß die Strafkammer eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte.”
Unterschriften
Schäfer, Ulsamer, Granderath, Wahl, Boetticher
Fundstellen