Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 18.08.2014) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 18. August 2014
- im Schuldspruch dahin geändert, dass dieser unter Freisprechung im Übrigen wegen Raubes in zwei Fällen, Diebstahls in fünf Fällen sowie wegen Betruges in zwei Fällen verurteilt wird;
- im Ausspruch über die im Fall II 1.1 der Urteilsgründe wegen Nötigung verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten aufgehoben; diese Einzelstrafe entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Raubes, Diebstahls in sechs Fällen, zweifachen Betruges und wegen Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall einer Einzelstrafe; im Übrigen bleibt das Rechtsmittel aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen hatten sich u.a. der Angeklagte sowie seine Mitangeklagten St. und K. darauf spezialisiert, Trickdiebstähle nach der „Wasserwerker-Methode” zu begehen. Diese Methode zielt darauf ab, alleinstehende betagte Seniorinnen, die altersbedingt in ihrem Seh-, Hör-, Denk- und Gehvermögen eingeschränkt sind, in ihren Wohnungen zu bestehlen. Die älteren Damen wurden zuvor ausgespäht, wobei sich deren potentielle Opfereigenschaft z.B. aus dem Angewiesensein auf einen Rollator als fahrbare Gehhilfe erschloss. Der Tatablauf gestaltete sich so, dass der Angeklagte S. und im Regelfall der Mitangeklagte St., die beide ansonsten keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgingen und so ihren Lebensunterhalt bestritten, arbeitsteilig zusammenwirkten. Der Angeklagte S. übernahm die Rolle des „Ablenkers”, indem er an der Wohnungstür klingelte und sich als Mitarbeiter der Wasserwerke ausgab. Zur Legitimation wurde den zumeist sehbehinderten Opfern irgendein kleiner „Ausweis” oder eine Plastikkarte kurz vorgehalten. Unter dem Vorwand, die Wasserleitungen überprüfen zu müssen, verschaffte sich der Angeklagte S. Zutritt zur Wohnung, ließ beim Betreten derselben die Wohnungstür offen stehen und lenkte das Tatopfer sodann ab, indem er Scheinarbeiten verrichtete. Währenddessen gelangte der Mittäter St. unbemerkt in die Wohnung und entwendete dort Bargeld sowie den Schmuck der alten Damen, darunter auch wertvolle Erbstücke. Die auf diese Weise bestohlenen Opfer litten in der Folgezeit sehr darunter, in ihrer eigenen Wohnung den Tätern hilf- und wehrlos ausgeliefert gewesen zu sein. Einige von ihnen unterließen es sogar aus Scham, Strafanzeige zu erstatten.
Rz. 3
2. a) Im Fall II 1.1 der Urteilsgründe begab sich der Angeklagte am 14. März 2013 zusammen mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter zur Wohnung der zur Tatzeit 90-jährigen gehbehinderten Sch.. Nachdem diese auf sein Klopfen die Tür einen kleinen Spalt breit geöffnet hatte, hielt er der Geschädigten einen angeblichen Ausweis der Stadtwerke vor und begehrte Einlass. Ohne hereingebeten worden zu sein, schob er gegen deren Willen die Tür gewaltsam auf, so dass die Geschädigte mit ihrer Gehhilfe gegen die Garderobe gedrückt wurde und sich den Kopf stieß. Dabei drängelte sich der Angeklagte in die Wohnung und versperrte der Geschädigten die Sicht. Währenddessen schlich der Mittäter in die Wohnung, durchsuchte diese und erbeutete neben Bargeld Schmuck im Wert von etwa 7.000 Euro.
Rz. 4
b) Soweit das Landgericht den Angeklagten in diesem Fall wegen Nötigung in Tatmehrheit mit Diebstahl schuldig gesprochen hat, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Wie vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt, sind das gewaltsame Eindringen und die Wegnahmehandlungen aufgrund des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs über das Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit als eine Tat im Rechtssinne anzusehen. Dies führt jedoch nicht zu einer Strafbarkeit wegen tateinheitlich begangener Nötigung und Diebstahl, sondern erfüllt den Tatbestand des Raubes, weil das gewaltsame Eindringen die sich unmittelbar anschließende Wegnahmehandlungen durch den Mittäter ermöglichen sollte.
Rz. 5
Einer entsprechenden Schuldspruchänderung durch den Senat steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte hinsichtlich seiner Verurteilung Revision eingelegt hat. § 358 Abs. 2 StPO verbietet lediglich eine dem Angeklagten nachteilige Änderung der Rechtsfolgen, nicht aber eine Verschärfung des Schuldspruchs. Auch § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil der zum objektiven Tatgeschehen insoweit geständige Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 6
Die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung im Fall II 1.1 der Urteilsgründe und die damit einhergehende Schuldspruchänderung führt zwar zum Wegfall der vom Landgericht ausgeurteilten Nötigung und der für diese verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten; sie führt aber nicht zu einer Verringerung des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat. Auch mit Blick auf die im Übrigen verhängten Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Bewertung eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
Unterschriften
Fischer, Appl, Krehl, Ott, Zeng
Fundstellen
Haufe-Index 8695022 |
Jura 2016, 326 |