Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 03.06.2003) |
Tenor
1. Die Strafverfolgung wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der sexuellen Nötigung beschränkt.
2.
- Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des … Landgerichts Essen vom 3. Juni 2003 im Strafaus- … spruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho- … ben.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
1. Der Senat beschränkt die Strafverfolgung gemäß § 154 a Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der sexuellen Nötigung. Die Beschränkung erfolgt, weil die Feststellungen nicht ausreichend belegen, daß der Angeklagte der Geschädigten während des Geschehens vor der sexuellen Nötigung zumindest bedingt vorsätzlich Hämatome am Oberarm beibrachte. Angesichts des festgestellten Geschehensablaufs versteht sich bezüglich dieses Vorwurfs ein (bedingt) vorsätzliches Handeln des Angeklagten nicht von selbst.
2. Das Rechtsmittel des Angeklagten, mit dem er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
a) Die Strafkammer hat die Strafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB entnommen und das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 177 Abs. 5 1. Halbs. StGB verneint.
Schon die vorgenommene Beschränkung des Verfahrens führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Es ist nicht auszuschließen, daß die Strafkammer, die sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne das Geschehen vor der sexuellen Nötigung zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, eine geringere Freiheitsstrafe verhängt hätte, wenn sie statt von einer vorsätzlichen lediglich von einer fahrlässigen Körperverletzung ausgegangen wäre.
Darüber hinaus werden die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts den Besonderheiten, die sich aus der Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer ergeben, nicht gerecht. Sie sind in einem wesentlichen Punkt lückenhaft.
Zwar berücksichtigt die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten, daß er die sexuelle Nötigung zum Nachteil der Zeugin A. „aufgrund einer enttäuschten Liebesbeziehung” begangen hat. Diese Erwägung trägt jedoch nicht ausreichend der Tatsache Rechnung, daß die Zeugin vor der Tat fast ein Jahr mit dem Angeklagten eine intime Beziehung unterhalten hatte und trotz häufigen Streits, vorübergehender Trennungen und des Eingehens einer anderen Beziehung immer wieder zum Angeklagten zurückgekehrt war. Auch alsbald nach der Tat (UA 7) nahm sie die Beziehung zum Angeklagten wieder auf und verkehrte geschlechtlich mit ihm. Es ist nicht auszuschließen, daß dieses ambivalente Verhalten der Zeugin geeignet war, den Unrechtsgehalt der Tat zwar nicht objektiv, so doch aus Sicht des Angeklagten zu vermindern und seine Hemmschwelle zu ihrer Begehung herabzusetzen. Diesen wesentlichen Umstand hat das Landgericht weder bei der Strafrahmenwahl noch bei der Strafzumessung im engeren Sinne erörtert (vgl. BGH StV 2001, 453; BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 14).
b) Schließlich begegnet auch die Begründung, mit welcher eine Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt wurde, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Urteil läßt nicht erkennen, ob die Strafkammer die nach § 56 Abs. 2 StGB gebotene Gesamtschau von Tat und Täterpersönlichkeit umfassend vorgenommen und bedacht hat, daß auch das Zusammentreffen mehrerer durchschnittlicher und einfacher Strafmilderungsgründe zu der Annahme besonderer Umstände im Sinne dieser Vorschrift führen kann (vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung, unzureichende 2 m.w.N.).
Das Landgericht hat lediglich ausgeführt, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB lägen nicht vor, da der Angeklagte, wenn auch nicht einschlägig, bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und die Geschädigte auch nach der Tat noch mehrfach bedroht habe. Diese Begründung wird den Anforderungen, die an die gebotene Gesamtschau von Tat und Täterpersönlichkeit zu stellen sind, nicht gerecht. Das Landgericht hat zwar auf eine Strafe erkannt, welche die Grenze möglicher Strafaussetzung erreicht und bei der die Begründungsanforderungen an die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 StGB regelmäßig geringer sind. Die Ablehnung der Strafaussetzung hat sich angesichts der Besonderheiten des Falles und des Umstandes, daß gegen den Angeklagten erstmals eine Freiheitsstrafe festgesetzt worden ist, hier jedoch nicht in einer Weise aufgedrängt, daß sich das Landgericht mit der dargelegten knappen Begründung hätte begnügen dürfen. Es hätte vielmehr der Erörterung bedurft, ob die im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigten Milderungsgründe jedenfalls durch ihr Zusammentreffen die Bedeutung besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB erlangt haben.
Unterschriften
Maatz, Athing, Solin-Stojanović, Ernemann, Sost-Scheible
Fundstellen
Haufe-Index 2559095 |
StV 2004, 479 |