Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15. Juni 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in dreißig Fällen (die Bezeichnung „gewerbsmäßig” gehört als strafrahmenbegründendes Merkmal des § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG nicht in die Entscheidungsformel) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, weil die Strafkammer nicht erkennbar geprüft hat, ob die abgeurteilten Heroinverkäufe nicht – wenigstens teilweise – mit weiteren Heroinverkäufen, die Gegenstand des Strafverfahrens 2 b Ls 60 Js 788/99 Amtsgericht – Schöffengericht – Neuss sind, eine Bewertungseinheit bilden und somit die gleiche Tat im rechtlichen Sinne betreffen. Dann wäre aber insoweit das Verfahrenshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit gegeben.
In dem Strafverfahren 2 b Ls 60 Js 788/99 Amtsgericht – Schöffen-gericht – Neuss ist dem Angeklagten durch Anklage vom 13. Juli 1999 zur Last gelegt worden, in 18 Einzelfällen „Fünfer-Bubbles” Heroin in der Zeit von Juni 1988 bis zum 4. Februar 1999 an die Abnehmer R., B. und J. gewerbsmäßig verkauft zu haben. Durch das Amtsgericht – Schöffengericht – Neuss wurde er mit Urteil vom 16. November 1999 unter Freisprechung im übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Einzelfällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten (ohne Strafaussetzung zur Bewährung) verurteilt. Auf seine auf das Strafmaß beschränkte Berufung ermäßigte das Landgericht Düsseldorf die Gesamtfreiheitsstrafe auf ein Jahr und drei Monate unter Strafaussetzung zur Bewährung. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht dieses Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Es hat dabei ausgeführt, daß die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß unzulässig gewesen sei, weil der Schuldumfang in dem Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht – Neuss vom 16. November 1999 unzureichend festgestellt worden sei (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. Oktober 2000 – 2 b Ss 204/00 – 72/00).
Im vorliegenden Verfahren wird dem Angeklagten durch Anklage vom 9. Dezember 1999 zur Last gelegt, in der Zeit von Oktober 1998 bis Januar 1999 in vier Fällen monatlich je etwa 500 Gramm Heroin erworben und u.a. an die Abnehmer Bo. und A. in „Fünfer-Bubbles” weiterverkauft zu haben. Über diese wiederum an das Amtsgericht – Schöffengericht – Neuss gerichtete Anklage hat dieses am 10. Februar 2000 verhandelt und die Sache auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 270 Abs. 1 StPO an das Landgericht Düsseldorf verwiesen, weil die Strafgewalt des Schöffengerichts nicht ausreiche. Das Landgericht Düsseldorf ist in dem hier angefochtenen Urteil vom 15. Juni 2000 zum Ergebnis gekommen, daß sich die zur Last gelegten vier Erwerbsvorgänge von je 500 Gramm Heroin nicht sicher feststellen ließen, weshalb man sich darauf beschränkt habe, lediglich die Verkaufsfälle abzuurteilen (UA S. 5). Es hat den Angeklagten wegen dreißig Fällen des Verkaufs von „Fünfer-Bubbles” an den Abnehmer Bo. in der Zeit von Oktober 1998 bis Anfang Februar 1999 verurteilt und das Verfahren wegen der Verkäufe an den Abnehmer A. abgetrennt.
Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht ausschließen, daß der Angeklagte aus monatlichen Einkaufsmengen von 500 Gramm nicht nur die in den jeweiligen Zeitraum fallenden Einzelverkäufe an den Abnehmer Bo., sondern auch die in diesem Zeitraum erfolgten Verkäufe getätigt hat, die Gegenstand des Strafverfahrens bei dem Amtsgericht – Schöffengericht – Neuss sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden Verkaufsvorgänge durch den Erwerb der hierzu bestimmten Gesamtmenge zu einer Bewertungseinheit verbunden, weil sie im Rahmen desselben Güterumsatzes erfolgen (BGHSt 30, 28 ff.; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 1 ff.). Die Annahme einer solchen Bewertungseinheit ist geboten, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es rechtfertigen können, bestimmte Einzelverkäufe einer vom Angeklagten erworbenen Gesamtmenge zuzurechnen (BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 6, 8, 11, 12, 13). Damit hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt, obgleich sich eine solche Prüfung bereits nach den wenigen in den Urteilsgründen mitgeteilten Feststellungen aufdrängt. Bereits die Ausgangssituation, wonach ein von Sozialhilfe lebender, auf die Finanzierung seines eigenen Konsums angewiesener Asylbewerber sich entschließt, gewerbsmäßig Heroin, das er von zwei Lieferanten bezieht, fortlaufend an zahlreiche Endverbraucher in Kleinmengen zu verkaufen, legt es nahe, daß er die Ware in größeren Teilmengen kostengünstig erworben hat, um durch den Weiterverkauf die beabsichtigte Gewinnspanne erzielen zu können. Es kommt hinzu, daß Anklage und Eröffnungsbeschluß auf Grund der Ermittlungsergebnisse von einem hinreichenden Verdacht ausgegangen sind, der Angeklagte habe tatsächlich die erforderlichen Einkaufsmengen in Chargen zu je 500 Gramm monatlich bezogen. Der Vorsitzende des Schöffengerichts hat hierzu in der Weiterleitungsverfügung vom 14. Februar 2000 ausgeführt, daß es sich nach „hier vorliegender Einschätzung bei den meisten Verkaufs-Fällen des Berufungsverfahrens um Teile aus denselben Vorrats-Mengen, die im vorliegenden Verfahren als Handelsmengen eine Rolle spielen, handelt” (Bl. 133 d. SA). Demgegenüber beschränken sich die Urteilsgründe des Landgerichts auf die Mitteilung, daß die Erwerbsvorgänge nicht „sicher” nachgewiesen werden konnten, weil der Zeuge A. Menge und Gewicht des beim Angeklagten gesehenen Beutels mit Heroin nicht näher beschreiben konnte. Ein sicherer Nachweis ist indes für die Annahme einer Bewertungseinheit nicht erforderlich; zur Frage, ob immerhin noch ausreichende Anhaltspunkte für solche ohnehin naheliegenden Erwerbsmengen vorliegen, schweigen die Urteilsgründe. Dies nötigt zur Aufhebung des Urteils. Da die Frage des Vorliegens einer Bewertungseinheit nicht nur die Prüfung eines Verfahrenshindernisses, sondern zugleich auch den Schuldspruch betrifft, ist eine Klärung im Wege des Strengbeweises durch den Tatrichter geboten (vgl. BGHSt 22, 307, 309; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 17). Dabei wird auch zu prüfen sein, ob die dem Angeklagten im Verfahren 60 Js 788/99 unter Anklagepunkt 18 zur Last gelegte Vorratsmenge von 30,21 Gramm Heroin, hinsichtlich der ein Teilfreispruch durch das Amtsgericht – Schöffengericht – Neuss erfolgt ist, aus einer der im vorliegenden Verfahren fraglichen Erwerbsmengen stammen kann.
Unterschriften
Kutzer, Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen
Fundstellen
Haufe-Index 512522 |
StV 2001, 460 |