Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 05.07.2021; Aktenzeichen 101 KLs 7/21) |
Tenor
1. Der Antrag des Angeklagten vom 26. September 2022 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Revisionsbegründung wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 5. Juli 2021
a) hinsichtlich Fall II.3 der Urteilsgründe eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen falscher Verdächtigung, Verletzung der Vertraulichkeit des Worts, Erregung öffentlichen Ärgernisses, öffentlicher Verleumdung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte schuldig ist,
c) im Rechtsfolgenausspruch dahingehend ergänzt, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten ein Monat Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
4. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung, Verletzung der Vertraulichkeit des Worts, Erregung öffentlichen Ärgernisses, Beleidigung, öffentlicher Verleumdung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in den aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Das auf die Einbringung von Verfahrensrügen gerichtete Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig, weil die Revision des Angeklagten bereits von seinem Verteidiger frist- und formgerecht begründet worden ist. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen kommt nur ausnahmsweise bei besonderen Verfahrenslagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2021, 753). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht dargetan. Er kommt zwar in Betracht, wenn eine Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle nach § 345 Abs. 2 StPO zu Unrecht verweigert wird (vgl. BGH wistra 1992, 148). Dies ist allerdings mit Tatsachen zu belegen und glaubhaft zu machen (§ 45 Abs. 2 StPO). Das pauschale Vorbringen, eine Abgabe der Revisionsbegründung sei seitens des Landgerichts Köln wiederholt verweigert worden, genügt nicht den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags, der im Einzelnen darzulegen hat, dass die Fristversäumung nicht auf eigenem Verschulden beruht (vgl. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 45 Rn. 5a).
Rz. 3
2. Die Verfahrensrüge ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Rz. 4
3. Die auf die Sachrüge hin erfolgte Überprüfung der angegriffenen Entscheidung führt lediglich zur Einstellung des Verfahrens im Fall II.3 der Urteilsgründe; im Übrigen haben sich Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
Rz. 5
a) Das Verfahren im Fall II.3 der Urteilsgründe war einzustellen (§ 206a StPO), es fehlt an dem für die Verfolgung der Beleidigung des Polizeibeamten F. erforderlichen Strafantrag (§ 194 Abs. 1 Satz 1 StGB), der gemäß § 158 Abs. 2 StPO zu seiner Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Das Schriftformerfordernis verlangt grundsätzlich die Unterschrift des Antragstellers (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2019 - 4 StR 392/19). PHK F. hat zwar am 25. Februar 2020 Strafanzeigen wegen Beleidigung und wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und das Waffengesetz aufgenommen, das Strafantragsformular wegen Beleidigung aber nicht unterzeichnet. Der Umstand, dass PHK L. das (nicht unterschriebene) Formular „entgegengenommen“ hat, ist unergiebig für die Frage, ob PHK F. einen formgerecht gestellten Antrag angebracht hat.
Rz. 6
b) Die Einstellung des Falls II.3 der Urteilsgründe führt zum Wegfall einer Einzelstrafe von 40 Tagessätzen und bedingt die Korrektur des Schuldspruchs. Der Gesamtstrafenausspruch kann bestehen bleiben; der Senat schließt aus, dass das Landgericht angesichts der verbleibenden Strafen (ein Jahr Freiheitsstrafe, Geldstrafen von zweimal 150 Tagessätzen, einmal 120 und einmal 40 Tagessätzen Geldstrafe) zu einer geringeren Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre.
Rz. 7
4. Das Urteil ist jedoch um eine Kompensation für eine Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren zu ergänzen. Der Senat, der über die Kompensation in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst entscheiden kann (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 12. Mai 2020 - 2 StR 452/18 mwN), spricht deshalb aus, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ein Monat Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt.
Franke |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15654881 |