Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 17.11.2022; Aktenzeichen 14 U 3177/22) |
LG Augsburg (Entscheidung vom 22.04.2022; Aktenzeichen 93 O 3868/21) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München - 14. Zivilsenat - vom 17. November 2022 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
eines Monats
Stellung zu nehmen.
Gründe
Rz. 1
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.
Rz. 2
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Diese informierte ihn über Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2015 im Tarif V um 49,77 € und für den gesetzlichen Zuschlag G um 4,98 € sowie zum 1. Januar 2018 im Tarif V um 52,71 € und für den gesetzlichen Zuschlag G um 5,27 €.
Rz. 3
In dem dazu übersandten "Nachtrag zum Versicherungsschein" vom 26. November 2014 hieß es auszugsweise:
"In diesem Jahr hat der gesetzlich vorgeschriebene jährliche Vergleich von berechneten und tatsächlichen Leistungen gezeigt, dass in einigen Bereichen höhere Kosten angefallen sind. Lesen Sie ausführliche Hinweise dazu in den nachfolgenden Unterlagen."
Rz. 4
Nachfolgend waren in diesem Nachtrag die oben genannten Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2015 unter Angabe des Tarifs und des bisherigen und zukünftigen Beitrags aufgeführt. In dem außerdem übersandten Formblatt "Wichtige Informationen zu Ihrer Kranken- und Pflegeversicherung" hieß es unter anderem:
"Beiträge und Leistungen müssen ständig im Gleichgewicht sein. Deswegen ist gesetzlich vorgeschrieben, jährlich die tatsächlich gezahlten mit den kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Weichen die Werte in einem bestimmten Umfang voneinander ab, prüfen wir die Beiträge und passen sie gegebenenfalls an. Die Folge können höhere oder auch niedrigere Beiträge sein.
[…]"
Rz. 5
Im "Nachtrag zum Versicherungsschein" vom 24. November 2017 hieß es auszugsweise:
"Leistungen und Beiträge müssen sich stets die Waage halten. Um das sicher zu stellen, sind alle Versicherer gesetzlich dazu verpflichtet, einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen zu vergleichen. Dieser Vergleich hat ergeben, dass die Beiträge verschiedener Tarife angepasst werden müssen.
Weitere Informationen zur Beitragsanpassung finden Sie im beiliegenden Merkblatt."
Rz. 6
Nachfolgend waren in diesem Nachtrag die oben genannten Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2018 unter Angabe des Tarifs und des bisherigen und zukünftigen Beitrags aufgeführt. In dem anliegenden Merkblatt "Wichtige Hinweise zu Ihrer Krankenversicherung" hieß es:
"Weshalb müssen die Beiträge angepasst werden?
Um für ein ständiges Gleichgewicht zwischen Beiträgen und Leistungen zu sorgen, ist im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) vorgeschrieben, jährlich die tatsächlich erforderlichen mit den kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Weichen die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander ab, müssen die Beiträge nachkalkuliert werden. Dabei sind wir verpflichtet, neben den Leistungsausgaben auch alle anderen Berechnungsgrundlagen, wie zum Beispiel den Rechnungszins und die Lebenserwartung, zu aktualisieren. Übrigens: Ohne die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders ist eine Beitragsanpassung nicht möglich."
Rz. 7
Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt die Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile in Höhe von 4.676,52 € nebst Zinsen, die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Herausgabe der aus den Prämienanteilen gezogenen Nutzungen in Höhe von 563,05 € nebst Zinsen verlangt. Außerdem hat er die Feststellung beantragt, dass die genannten Prämienanpassungen unwirksam sind und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet war. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger den Zahlungsantrag auf 2.705,52 € reduziert und anstelle der Herausgabe die Feststellung beantragt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus den vom Kläger auf die genannten Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, und diese zu verzinsen hat. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Rz. 8
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Rz. 9
II. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Beitragserhöhungen hinreichend begründet worden und deswegen zum genannten Datum der Prämienerhöhung wirksam geworden. Im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 26. November 2014 sei nicht nur beschrieben, dass ein jährlicher Vergleich der kalkulierten mit den tatsächlichen Leistungsausgaben gesetzlich vorgeschrieben sei. Zusammen mit dem Formblatt habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass die Prämienüberprüfung nur bei Überschreitung eines vorbestimmten Schwellenwerts stattfinde, wie auch dass der von ihr durchgeführte Vergleich eine Veränderung der Rechnungsgrundlage "Leistungsausgaben" über dem geltenden Schwellenwert ergeben habe. Auch die Beitragserhöhung zum 1. Januar 2018 sei ordnungsgemäß begründet worden. Dass es sich nicht nur um eine allgemeine Beschreibung der jährlichen Durchführung der Prämienüberprüfung handele, ergebe sich aus der Formulierung "Dieser Vergleich hat ergeben, …" verbunden mit der Erhöhungsangabe im konkreten Tarif und dem Hinweis "Die folgende Aufstellung informiert Sie darüber, wie sich die Beitragsänderungen auf Ihren Vertrag auswirken".
Rz. 10
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
Rz. 11
1. Die Zulassung der Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Die Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung gemäß § 203 Abs. 5 VVG sind durch das Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) geklärt.
Rz. 12
Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung als Ganzes eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordere. Hinsichtlich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhungen der Beklagten zum 1. Januar 2015 und 1. Januar 2018 sei entweder die vorliegende oder die davon abweichende Entscheidung des Oberlandesgericht Köln vom 20. Mai 2022 (20 U 270/21, nicht veröffentlicht) rechtsfehlerhaft. Diese Begründung macht eine Zulassung der Revision jedoch nicht erforderlich. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38). Soweit diese Entscheidung keine revisionsrechtlich relevanten Fehler aufweist, hat sie unabhängig davon Bestand, ob andere Gerichte dieselbe Mitteilung auf die gleiche Weise beurteilt haben.
Rz. 13
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Begründungen der Beitragserhöhungen den Anforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG entsprechen.
Rz. 14
a) Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 26). Nach § 203 Abs. 5 VVG müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 29). In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO).
Rz. 15
b) Unter Anwendung dieses Maßstabs hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden, dass die streitgegenständlichen Begründungen eine Veränderung bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen - im Schreiben der Beklagten als "Leistungsausgaben" bezeichnet - als Anlass der Neufestsetzung angeben und den Versicherungsnehmer ausreichend über den gesetzlich vorgeschriebenen Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen informieren. Die Mitteilung, dass das Ergebnis dieses Vergleichs die Überschreitung eines festgelegten Schwellenwertes war, kann der Versicherungsnehmer nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts sowohl dem Nachtragsschreiben vom 24. November 2017 - "weichen die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander ab" - als auch dem mit Schreiben vom 26. November 2014 übersandten Formblatt entnehmen, nach dem der jährliche Vergleich der Versicherungsleistungen "gesetzlich vorgeschrieben" ist und bei einer Abweichung "in einem bestimmten Umfang" zur Überprüfung der Beiträge führt. Den Bezug des Vergleichs und seines Ergebnisses zu den konkret betroffenen Tarifen des Klägers entnimmt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei der hier gewählten Mitteilung in (nur) einem Schriftstück, das Begründungsschreiben und Nachtragsversicherungsschein verbindet und so an die Erklärung, dass ein gesetzlich vorgeschriebener Vergleich von berechneten und tatsächlichen Leistungen durchgeführt worden sei, die Beitragsveränderungen in den einzelnen Tarifen unmittelbar anschließt.
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Rücknahme der Revision erledigt worden.
Fundstellen
Dokument-Index HI16208961 |