Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 19.07.2004)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 19. Juli 2004 mit den Feststellungen aufgehoben,

  1. soweit der Angeklagte wegen Geiselnahme verurteilt worden ist,
  2. im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch insoweit dahin geändert, daß der Angeklagte der besonders schweren Vergewaltigung schuldig ist.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen Geiselnahme zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Den Verfahrensrügen bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen der Erfolg versagt. Das Rechtsmittel hat jedoch mit der Sachrüge den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg.

1. Die Verurteilung wegen Geiselnahme, § 239 b StGB, hat keinen Bestand.

Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte der Zeugin M. bemächtigt und sie entführt, indem er sie gewaltsam auf den Beifahrersitz drückte, sie durch einen Faustschlag ins Gesicht zur Herausgabe der Fahrzeugschlüssel zwang und mit ihr eine Autofahrt, teils mit riskanten Fahrmanövern, unternahm. Dabei ging es dem Angeklagten nur darum, die Zeugin M. nicht weggehen zu lassen, wie diese es beabsichtigt hatte [UA 12]. Daß er weiter gehende Ziele verfolgte, hat die Strafkammer nicht festgestellt. Wenn aber der Täter – wie hier – die von ihm geschaffene Lage nicht zu einer weiteren Nötigung durch qualifizierte Drohung ausnutzen will, ist § 239 b StGB nicht anwendbar (vgl. BGHSt 40, 350, 359; BGH NJW 1997, 1082; BGH, Beschluß vom 27. September 1996 – 1 StR 576/96; vgl. auch LK-Träger/Schluckebier 11. Aufl. § 239 b Rdn. 8).

Die Verurteilung wegen Geiselnahme ist daher aufzuheben. Damit hat auch die erkannte Gesamtstrafe keinen Bestand.

Der neu entscheidende Tatrichter wird zu prüfen haben, inwieweit das Verhalten des Angeklagten hinsichtlich der Erlangung der Fahrzeugschlüssel und der anschließenden Fahrt die Tatbestände der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) und der Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB) erfüllt; der Eingriff in die persönliche Bewegungsfreiheit der Zeugin durch die erzwungene, riskante Autofahrt war jedenfalls nicht unerheblich.

2. Im übrigen hat die revisionsrechtliche Prüfung auf Grund der Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat bezüglich der Vergewaltigung zu Recht die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB als verwirklicht angesehen. Da die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat eine Kennzeichnung der Qualifikation in der Urteilsformel verlangt (vgl. BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4), hat der Senat den Schuldspruch dahin geändert.

 

Unterschriften

Tepperwien, Kuckein, Athing, Solin-Stojanović, Ernemann

 

Fundstellen

Haufe-Index 2557023

NStZ-RR 2005, 173

StraFo 2005, 345

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