Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 18.01.2021; Aktenzeichen 537 KLs 12/19) |
Nachgehend
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. Januar 2021 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Die Rüge des Angeklagten M., seine aufeinander aufbauenden Befangenheitsgesuche vom 11. und 17. Dezember 2020 seien mit Unrecht verworfen worden (§ 338 Nr. 3 StPO), ist jedenfalls unbegründet. Zwar waren die Gesuche - entgegen der Begründung des sie im Verfahren nach § 27 StPO zurückweisenden landgerichtlichen Beschlusses - nicht allein auf die Mitwirkung der abgelehnten Richter an einer Vorentscheidung und damit auf rechtlich völlig ungeeignete, einer fehlenden Begründung gleichstehende Gründe gestützt. Der Vortrag in den Ablehnungsanträgen, die Strafkammer habe eine von einem Zeugen erklärte Auskunftsverweigerung nicht „aktualisiert“ und einen Anrufversuch in der Beratungspause nicht in der Hauptverhandlung mitgeteilt, rechtfertigt aber aus der maßgeblichen Sicht des verständig würdigenden Angeklagten nicht die Besorgnis einer Voreingenommenheit.
2. Die Verfahrensbeanstandung, der Befangenheitsantrag des Angeklagten M. gegen die Mitglieder der Strafkammer vom 2. März 2020 sei mit Unrecht verworfen worden, ist unzulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der in Rede stehende Befangenheitsantrag lediglich in einer handschriftlichen, weitgehend nicht lesbaren Fassung zum Gegenstand des Rügevortrags gemacht worden ist. Zudem fehlt es - soweit leserlich - an konkretem Vortrag zu einem Verfahrensgeschehen, das eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnte.
3. Soweit der Angeklagte M. beanstandet, es seien unter Verstoß gegen § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO Angaben der ehemaligen Mitangeklagten B. und A. im Urteil gegen ihn verwertet worden, wird die Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ebenfalls nicht gerecht. Die Revision bleibt schon den Vortrag eines Sachverhalts schuldig, der die unterstellte Aufkündigung der Verständigung gemäß § 257c Abs. 4 StPO belegt. Sie trägt zudem nicht vor, was die ehemaligen Mitangeklagten nach der Einstellung der gegen sie gerichteten Verfahren als Zeugen in der hiesigen Hauptverhandlung bekundet haben. Damit kann der Senat die behauptete Verwertung der als Mitangeklagte gemachten Angaben nicht überprüfen. Die mit gleicher Stoßrichtung erhobene Rüge betreffend Angaben des früheren Mitangeklagten At. ist aus den vom Generalbundesanwalt ausgeführten Erwägungen unbegründet.
4. Den geltend gemachten Verstoß gegen „§§ 249, 261 StPO“ stützt die Revision auf die Verwertung diverser Urkunden, die im Wege eines nicht ordnungsgemäß durchgeführten Selbstleseverfahrens eingeführt worden seien.
Diese Rüge erweist sich schon deswegen als unzulässig, weil der Vortrag widersprüchlich ist. So wird einerseits vorgetragen, dass im Termin vom 19. Dezember 2019 die Feststellung gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO getroffen worden sei, andererseits aber behauptet, es sei in der Hauptverhandlung nicht mitgeteilt worden, von wem. Wenn aber die Feststellung getroffen worden ist, so muss auch der Urheber erkennbar gewesen sein.
Soweit die Beanstandung auf die Protokollierung gerichtet wird, handelt es sich um eine ebenfalls unzulässige Protokollrüge, da ein konkretes Verfahrensgeschehen damit nicht behauptet wird. Im Übrigen beweist die Protokollierung die ordnungsgemäße Durchführung des Selbstleseverfahrens. Sie entspricht wortgetreu den Vorgaben des § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO. Angesichts des Regelungsgefüges der §§ 271, 273 StPO ist weiteres nicht veranlasst.
5. Schließlich entspricht auch die Verfahrensbeanstandung des Angeklagten M., es seien die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden (§ 338 Nr. 6 StPO), nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
Am Ende des Sitzungstages vor dem rügegegenständlichen Hauptverhandlungstermin vom 6. Juli 2020 hatte der Vorsitzende für diesen Fortsetzungstermin in den Saal 504 des Landgerichts geladen. Der am 6. Juli 2020 im Foyer des Gerichtsgebäudes an einem von mehreren Eingängen angebrachte, vermeintlich auf einen anderen Saal verweisende Aushang bewirkte entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine Saalverlegung, zumal der Revisionsvortrag, der Strafkammervorsitzende habe den - sachlich unzutreffenden - Aushang angeordnet, nicht weiter ausgeführt worden ist. Tatsächlich fand die Hauptverhandlung an diesem Tag schließlich nicht wie geladen im Saal 504, sondern im Saal 501 des Landgerichts statt.
Zwar trägt die Revision vor, dass am Saal 504 kein Verlegungshinweis auf den Saal 501 angebracht war. Es fehlt aber an Vortrag dazu, ob dies vom Gericht oder vom Vorsitzenden zu vertreten oder ihnen überhaupt bekannt war. Wird aber ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens geltend gemacht, erfordert § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO die Angabe auch derjenigen dem Beschwerdeführer zugänglichen Umstände, nach denen das Gericht den Verstoß zu vertreten hat, da eine objektiv vorliegende Beschränkung der Öffentlichkeit nur dann die Revision begründen kann, wenn sie auf ein vorwerfbares Verhalten des Gerichts zurückzuführen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1968 - 3 StR 297/68, BGHSt 22, 297; Beschluss vom 14. Mai 2013- 1 StR 122/13 Rn. 4).
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Fundstellen
Dokument-Index HI15636594 |