Entscheidungsstichwort (Thema)
versuchte räuberische Erpressung
Tenor
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau vom 9. April 1998 mit den Feststellungen aufgehoben
- hinsichtlich der Angeklagten Daniel B. und Semba K. insgesamt,
hinsichtlich der Angeklagten Christopher K. und Olaf Sch.
- soweit diese Angeklagten im Fall II 1 der Urteilsgründe jeweils wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden sind,
- im gesamten Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts Dessau zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten Christopher K. und Olaf Sch. werden verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils der versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung, die Angeklagten Christopher K. und Sch. darüber hinaus jeweils der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, für schuldig befunden; den Angeklagten B. hat es zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten Christopher K. unter Einbeziehung einer rechtskräftig erkannten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren, den Angeklagten Semba K. unter Einbeziehung einer rechtskräftig erkannten Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten sowie den Angeklagten Sch. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts rügen; die Angeklagten B., Semba K. und Sch. beanstanden darüber hinaus das Verfahren. Die Revisionen der Angeklagten B. und Semba K. haben in vollem Umfang Erfolg. Die Revisionen der Angeklagten Christopher K. und Olaf Sch. führen zur Aufhebung des Urteils in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung der Angeklagten im Fall II 1 der Urteilsgründe wegen jeweils versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Feststellungen genügen nicht, um die in §§ 253, 255 StGB vorausgesetzte rechtswidrige Bereicherungsabsicht der Angeklagten zu begründen:
a) Das Landgericht hat es dahinstehen lassen, ob die Angeklagten K. und Sch. gegenüber dem Geschädigten Z. „Rückforderungen” wegen „verlorengegangener”, von ihnen an Z. „erbrachter Investitionen im Zusammenhang mit geplanten, aber letztlich gescheiterten (Immobilien-)Geschäften erhoben” hatten, da jedem der Angeklagten klargewesen sei, „daß keiner von ihnen einen berechtigten und mit legalen Mitteln durchsetzbaren Anspruch gegenüber Z. hatte” (UA 13/14). Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führt das Landgericht aus, allen Angeklagten sei bewußt gewesen, „daß sie keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrages durch Z. hatten” (UA 25). Auf diese Erwägungen läßt sich die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung nicht stützen. Das Landgericht durfte nicht dahingestellt lassen, ob die Angeklagten K. und Sch. Rückforderungsansprüche gegen den Geschädigten geltend machten. War dies nämlich – wovon nach dem Zweifelsgrundsatz zu Gunsten der Angeklagten auszugehen ist – der Fall, fehlte es möglicherweise an der Absicht, sich zu Unrecht zu bereichern (vgl. auch BGH, Beschluß vom 16. März 1999 - 4 StR 68/99). Daß der Anspruch mit Nötigungsmitteln durchgesetzt werden sollte, macht den erstrebten Vermögensvorteil nicht rechtswidrig (vgl. BGH NJW 1982, 2265; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 2; BGH, Beschluß vom 21. Dezember 1998 - 3 StR 434/98 m.w.N.).
b) Der Schuldspruch könnte aber auch dann nicht bestehen bleiben, wenn Ansprüche gegen den Geschädigten nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe bestanden. Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ein normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der – zumindest bedingte – Vorsatz des Täters erstrecken muß (BGH NStZ-RR 1999, 6). Stellt sich deshalb der Täter für die erstrebte Bereicherung eine Anspruchsgrundlage vor, die in Wirklichkeit nicht besteht, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (vgl. BGH StV 1984, 422; NJW 1986, 1623; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 2). Allerdings genügt es für den Erpressungsvorsatz, daß der Täter für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, daß die Forderung nicht oder nicht im Umfang des Nötigungsziels besteht oder aber von der Rechtsordnung nicht geschützt ist; eine Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung käme deshalb auch dann in Betracht, wenn es den Angeklagten darum gegangen wäre, ihnen eine – wegen lediglich vager Vorstellungen über Grund und Höhe des geltend gemachten Anspruchs (vgl. dazu BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 7) – zweifelhafte Forderung mit den Nötigungsmitteln der §§ 253, 255 StGB durchzusetzen (BGH NStZ-RR 1999, 6). Daß es sich hier so verhält, kann aber auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit entnommen werden. Zwar geht das Landgericht davon aus, jedem der Angeklagten sei klar gewesen, „daß jedenfalls die erhobene Gesamtforderung jeglicher Rechtsgrundlage entbehrte” (UA 25). Mit dieser Annahme ist aber nicht ohne weiteres vereinbar, daß das Landgericht selbst als möglich unterstellt, daß die Angeklagten K. und Sch. „Rückforderungen” geltend machten, „weil sie zuvor Geld an ≪den Geschädigten≫ gezahlt hätten als Investitionen oder Vorauszahlungen für versprochene Geschäfte” (UA 13, 19). Da weiter gehende Feststellungen, die den Grund der „Rückforderungen” und die Vorstellungen der Angeklagten über deren Bestand betreffen, fehlen, kann die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung keinen Bestand haben.
c) Der den Schuldspruch wegen versuchter räuberischer Erpressung betroffene Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II 1 der Urteilsgründe insgesamt (BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß je nach dem, ob weitere Feststellungen den bisherigen Schuldspruch bestätigen oder aber bezüglich der Geltendmachung der Forderung lediglich eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung (vgl. BGH NJW 1982, 2265, 2266) in Betracht kommt, zu prüfen ist, ob die Angeklagten daneben tateinheitlich im ersteren Fall den Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes (§ 239 a StGB), anderenfalls den der Geiselnahme (§ 239 b StGB), und zwar jeweils in der Tatbestandsalternative des Sichbemächtigens, verwirklicht haben.
Im übrigen wird der neue Tatrichter auch die Bedenken zu beachten haben, die in diesem Fall einer Verurteilung der Angeklagten K. und Sch. wegen gefährlicher Körperverletzung begegnen; insoweit verweist der Senat auf die Ausführungen in den diese Angeklagten betreffenden Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 23. April 1999.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat zum die Angeklagten Christopher K. und Sch. betreffenden Schuldspruch im Fall II 2 der Urteilsgründe (Tat vom 15. Oktober 1996) keinen diese Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Dagegen können die Strafaussprüche insgesamt nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag bei beiden Angeklagten nicht auszuschließen, daß die in dieser Sache verhängten Einzelfreiheitsstrafen (Christopher K.: drei Jahre; Sch.: zwei Jahre) von der Bemessung der im Fall II 1 der Urteilsgründe verhängten und von der Teilaufhebung (s.o. 1.) erfaßten Einzelstrafen zum Nachteil der Angeklagten beeinflußt sind. Im übrigen weist der Generalbundesanwalt zu Recht darauf hin, daß die eher formelhafte Bemerkung im angefochtenen Urteil, „Strafmilderungsgründe (habe) die Kammer auch in diesem Fall für den Angeklagten Christopher K. nicht feststellen” können (UA 31), Bedenken begegnet. Im übrigen läßt das Urteil nicht erkennen, daß das Landgericht das Vorliegen eines minder schweren Falles und deshalb die Anwendung des günstigeren Strafrahmens des § 249 Abs. 2 StGB geprüft hat. Diese Prüfung drängte sich zumindest bei dem Angeklagten Sch. auf, dem das Landgericht selbst zugute hält, daß er „nur einen vergleichsweise geringen Tatbeitrag leistete” (UA 31).
Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II 1 und die Aufhebung der Strafaussprüche im Fall II 2 der Urteilsgründe entzieht auch den Gesamtstrafenaussprüchen die Grundlage.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Kuckein, Richter am BGH Athing ist erkrankt und dadurch an der Unterzeichnung verhindert. Meyer-Goßner, Solin-Stojanovi[cacute]
Fundstellen
Haufe-Index 540699 |
JA 2000, 541 |
StV 2000, 79 |