Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 03.12.2002) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 3. Dezember 2002 im Ausspruch über die beiden Gesamtstrafen und hinsichtlich der Anordnung von Führungsaufsicht aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betrugs in elf Fällen schuldig gesprochen. Es hat sie wegen Betrugs unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bitterfeld vom 24.06.1999, dem Urteil des Amtsgerichts Eilenburg – Zweigstelle Delitzsch – vom 02.11.1999, dem Urteil des Amtsgerichts Halle/Saalkreis vom 19.5.2000, dem Urteil des Amtsgerichts Jena vom 20.9.2000 und dem Urteil des Amtsgerichts Halle/Saalkreis vom 21.11.2000 unter Auflösung der dortigen Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahre sowie wegen Betrugs in zehn Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, sowie Führungsaufsicht für die Dauer von fünf Jahren angeordnet.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch und die Einzelstrafaussprüche richtet. Keinen Bestand haben kann aber der Gesamtstrafenausspruch und die Anordnung von Führungsaufsicht. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung aus der Strafe für die Tat III 1 Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monate) und den nicht erledigten Strafen aus den fünf angeführten früheren Verurteilungen liegen nicht vor.
Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung soll ein Angeklagter, dessen mehrere Straftaten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteilt worden wären (vgl. ua BGHSt 32, 190, 193; 33, 367, 368; BGH NStZ-RR 1999, 268; 2001, 368). Der jetzt entscheidende Tatrichter muß sich bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung in die Lage des Richters versetzen, dessen Entscheidung für eine nachträgliche Einbeziehung in Frage kommt. Deshalb kommt es für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung darauf an, welche Straftaten das Gericht, das zuerst eine Strafe verhängt hat, mit hätte aburteilen können, wenn sie ihm bekannt gewesen wären. Als frühere Verurteilung nach § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB gilt dabei das Urteil des früheren Verfahrens, in dem die zugrundeliegenden Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten. Hinsichtlich aller Taten, die vor der ersten Vorverurteilung liegen, entfaltet dann diese Entscheidung eine Zäsurwirkung. Eine (spätere) Verurteilung zu einer Strafe, die mit derjenigen einer früheren Verurteilung gesamtstrafenfähig ist, kann dann keine Zäsurwirkung (mehr) entfalten (BGHSt 32, 190, 193; 33, 230, 231; vgl. auch BGH NStZ-RR 1996, 162; NStZ 1998, 35 m.w.N.). Vorliegend konnten alle Taten der nicht erledigten Vorverurteilungen bereits in die Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Bitterfeld vom 24.06.1999 einbezogen werden, da alle vor dessen Erlaß begangen worden waren. Damit kam allein dieser Entscheidung Zäsurwirkung zu. Das Urteil des Amtsgerichts Halle/Saalkreis vom 21.11.2000 entfaltete damit – entgegen der Ansicht des Landgerichts – keine Zäsurwirkung mehr, denn auch die dort abgeurteilten Taten lagen vor der Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Bitterfeld.
Demzufolge schied eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung aus. Das Landgericht war nur gehalten, aus den jetzt abgeurteilten elf Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.
Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ist die Angeklagte durch die fehlerhafte Gesamtstrafenbildung auch beschwert. Angesichts der Höhe der verhängten zwei Gesamtfreiheitsstrafen kann der Senat nicht ausschließen, daß das Landgericht bei sachgerechtem Vorgehen, auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer etwaigen Gesamtstrafenbildung nach § 460 StPO, insgesamt einen geringen Freiheitsentzug angeordnet hätte. Dabei war auch zu berücksichtigen, daß bei der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren zu besorgen ist, daß das Landgericht bei der erforderlichen zusammenfassenden Würdigung mehr auf die Summe der Einzelstrafen als auf die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter Berücksichtigung der Person der Angeklagten und ihrer Taten abgestellt hat (vgl. dazu ua BGHSt 24, 268, 269/270; BGH NStZ 2001, 365; Beschluß des Senats vom 3. Februar 1999 – 2 StR 678/98). Beide Gesamtfreiheitsstrafen mußten deshalb aufgehoben werden. Die Feststellungen dazu können jedoch bestehen bleiben, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind. Mit der Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen entfällt auch die Grundlage für die Anordnung von Führungsaufsicht.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, Rothfuß, Fischer
Fundstellen