Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Februar 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO in den Gesamtstrafaussprüchen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen Betruges in 20 Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und wegen Diebstahls in acht Fällen 28 Einzelfreiheitsstrafen von je vier Monaten verhängt und ihn unter Einbeziehung von sechs Einzelfreiheitsstrafen (zwischen einem Monat und vier Monaten) aus zwei rechtskräftigen Urteilen
- zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
verurteilt; nach Auflösung der Gesamtstrafen aus jenen beiden Urteilen hat es ferner aus zwei verbliebenen, nicht einbeziehungsfähigen Einzelstrafen aus dem zweiten Urteil
- eine zweite Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten und zwei Wochen
gebildet, schließlich nach Aufhebung eines das erste Urteil mitbetreffenden Gesamtstrafenbeschlusses nach § 460 StPO aus den dort einbezogenen Einzelstrafen eines dritten Urteils und den Einzelstrafen eines vierten Urteils – jeweils unter Auflösung dortiger Gesamtstrafen -
- eine dritte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten
verhängt. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Gesamtstrafen. Im übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Allerdings treffen die sachlichrechtlichen Einwendungen der Revision gegen die Strafrahmenwahl bei den Einzelstrafen zu. Die Annahme besonders schwerer Fälle des Betruges gemäß § 263 Abs. 3 StGB a.F. für die Einzeltaten, mit denen der Angeklagte jeweils nicht sehr beträchtliche Schäden angerichtet hatte, war hier von vornherein unvertretbar. Zu § 243 StGB weist die Revision zutreffend darauf hin, daß ein Abweichen von der Regel im Blick auf den – nicht ausgeschlossenen – vertypten Milderungsgrund des § 21 StGB zu prüfen gewesen wäre.
Der Rechtsfehler hat sich indes nicht ausgewirkt. Der Tatrichter ist nach der durchgehend bedenklichen Annahme besonders schwerer Fälle durch Anwendung der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gleichwohl zu nicht erhöhten Mindeststrafen gelangt; er hat sich zutreffend jeweils nur an diesen orientiert und letztlich überhaupt nicht an den Höchststrafen der von ihm – überflüssig und bedenklich – gewählten erhöhten Strafrahmen. Im Ergebnis ist die Einzelstrafbemessung – namentlich unter Berücksichtigung des nicht unerheblichen Gesamtgewichts der Taten – nicht zu beanstanden.
2. Die Gesamtstrafbildung hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand, so daß es auf die hierzu auch erhobene Aufklärungsrüge nicht ankommt.
Allerdings stehen die der Gesamtstrafbildung vom Tatrichter zugrunde gelegten Überlegungen zu mehreren Zäsuren mit der Folge notwendig zu bildender mehrerer Gesamtstrafen prinzipiell im Einklang mit den Grundsätzen der Rechtsprechung zu § 55 StGB (vgl. nur BGHSt 35, 243; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 – Strafen, einbezogene 4) – die schwer zu durchschauen, darzustellen und zu befolgen sind, schon daher dringlich im Sinne einer Einheitsstrafenregelung reformbedürftig erscheinen -. Indes enthalten die Urteilsfeststellungen nicht sämtliche für eine derartige mehrfache Gesamtstrafbildung unerläßlichen Informationen (unten a), zudem sind in diesem Zusammenhang einige Wertungslücken (unten b) und -mängel (unten c) festzustellen.
a) Zu der für die abgeurteilten Taten angenommenen Zäsur – der Strafbefehl des Amtsgerichts Ulm vom 4. Februar 1998 – hat es der Tatrichter unterlassen, die zugehörigen Tatzeiten mitzuteilen. Es liegt zwar nahe, versteht sich aber nicht ohne weiteres von selbst (vgl. zudem die unterschiedlichen Angaben zum Aktenzeichen auf UA S. 13 und 33), daß die mit dem Strafbefehl geahndeten Taten nach der vorherigen Zäsur – Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 1. November 1996 – begangen worden sind. Allein dieser Feststellungsmangel ist grundsätzlich geeignet, der komplizierten, den Angeklagten belastenden mehrfachen Gesamtstrafbildung die Grundlage zu entziehen. Weitere Mängel kommen hinzu:
Hinsichtlich des von der dritten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten betroffenen Urteils des Amtsgerichts Dresden vom 3. Februar 1998 vermißt die Revision mit Recht die Mitteilung der Einzelstrafen; abgesehen davon wäre auch eine präzisere Tatzeitbezeichnung (als auf UA S. 34: „vor dem 1. November 1996”) angezeigt gewesen.
Ohne die Mitteilung der Höhe der Gesamtstrafe, die mit dem als gegenstandslos aufgehobenen Beschluß vom 13. Oktober 1998 gebildet wurde (§ 460 StPO), läßt sich nicht feststellen, wie weit das bisherige gegen den Angeklagten bestehende Gesamtstrafübel im Ergebnis durch dieses Urteil überschritten worden ist. Die Höhe des Gesamtstrafübels ist ein für die Beurteilung der Angemessenheit der Sanktionierung ausschlaggebendes Kriterium.
b) Trotz des letztgenannten Feststellungsmangels wird bereits aus dem Urteil deutlich, daß der Tatrichter die Summe der freiheitsentziehenden Sanktionen gegen den Angeklagten aus Anlaß der abgeurteilten Taten beträchtlich erhöht hat (aus den mit der Aufklärungsrüge von der Revision mitgeteilten Informationen errechnen sich fast vier Jahre Differenz). Zwar sprechen das nicht unerhebliche Gesamtunrecht aller abgeurteilter Taten und die Vorbelastungen des Angeklagten für eine fühlbare Sanktionierung. Es erscheint aber fraglich, ob den gewichtigen mildernden Faktoren, insbesondere den nicht ausdrücklich erwähnten Umständen des verhältnismäßig geringen Gewichts jeder einzelnen Tat, wie es in den insgesamt sehr niedrigen Einzelstrafen Ausdruck findet, und dem beträchtlichen Zeitablauf zwischen Tatbegehung und Aburteilung, der nicht zuletzt Ursache für die Gesamtstrafzersplitterung war, im Ergebnis ausreichend Rechnung getragen worden ist.
c) Folgende Einzelbedenken kommen hinzu:
Bei der dritten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten beruft sich der Tatrichter auf mehrere mindernde Faktoren. Vor diesem Hintergrund ist kaum verständlich, daß er die Summe der (entfallenden) Gesamtfreiheitsstrafen aus den betroffenen Urteilen (ein Jahr und ein Monat sowie sechs Monate) nur um einen Monat unterschreitet.
Die der Nichteinbeziehung von Geldstrafen nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB zugrunde liegende Wertung, den Angeklagten – dessen abgeurteilte Taten durch ständigen Geldmangel bedingt waren und gegen den unerläßlich kurzfristige Freiheitsstrafen zu verhängen sind (§ 47 Abs. 1 StGB) – nicht nur durch Freiheitsstrafe, sondern auch „an seinem Vermögen” strafen zu wollen (UA S. 34), ist nicht nachvollziehbar. Schon daher hätten auch hinsichtlich eines weiteren Strafbefehls vom 29. Mai 1998 Feststellungen zu Tatzeit und Vollstreckungsstand – um auch diese Geldstrafe in die Gesamtstrafbildung einzubeziehen – getroffen werden müssen.
3. Insoweit wird der neue Tatrichter freilich darauf zu achten haben, daß er nicht durch Anhebung der Gesamtsumme zu verhängender Gesamtfreiheitsstrafen gegen das Verschlechterungsverbot verstößt. Mit Rücksicht auf die erwähnten Wertungsmängel wird es naheliegen, daß er – unter der Voraussetzung unveränderter Zäsuren – jedenfalls die dritte Gesamtfreiheitsstrafe reduziert und die beiden anderen auch bei weiterer Einbeziehung von Geldstrafen jedenfalls nicht erhöht.
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei den gegebenen Wertungsfehlern nicht. Die Feststellungsdefizite wird der neue Tatrichter auszugleichen haben. Darüber hinaus darf er nur noch ergänzende Feststellungen treffen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Tepperwien, Gerhardt, Brause
Fundstellen