Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 25.10.2007) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 25. Oktober 2007 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Die Verfahrensrüge, mit der die Verteidigung beanstandet, sie sei deswegen in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden (§ 338 Nr. 8 StPO), weil es das Landgericht unterlassen habe, über ihren Antrag „auf Hinzuziehung der Verfahrensakten gegen in der Verhandlung vernommene Belastungszeugen zu entscheiden”, greift nicht durch. Der Revisionsgrund nach § 338 Nr. 8 StPO ist nur gegeben, wenn die Verteidigung durch einen Gerichtsbeschluss unzulässig beschränkt worden ist. Dem steht es zwar gleich, wenn die Beschränkung darin liegt, dass es das Gericht unterlässt, einen Antrag der Verteidigung durch Beschluss zu bescheiden (BGH VRS 35, 132). Dies gilt indessen nur dann, wenn über den Antrag der gesamte Spruchkörper zu entscheiden hat (etwa § 228 Abs. 1 Satz 1, § 244 Abs. 6 StPO). Darf über den Antrag dagegen der Vorsitzende im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis (§ 238 Abs. 1 StPO) allein befinden, so kann dessen Unterlassen einer Entscheidung die Revisionsrüge nach § 338 Nr. 8 StPO nicht begründen (RGSt 61, 376, 378; Frisch in SK-StPO § 338 Rdn. 161; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 338 Rdn. 60). So liegt es hier. Bei dem Antrag auf Aktenbeiziehung handelte es sich wegen des Fehlens einer bestimmten Beweisbehauptung und der Nichtbezeichnung aus der Akten zu verlesender konkreter Schriftstücke nicht um einen Beweisantrag, über den die Strafkammer gemäß § 244 Abs. 6 StPO insgesamt zu entscheiden hatte, sondern allenfalls um einen Beweisermittlungsantrag. Über diesen durfte jedoch – zumindest vorab (s. § 238 Abs. 2 StPO) – der Vorsitzende allein befinden (vgl. BGHSt 6, 128; BGH NStZ 2008, 109 f.; Gollwitzer in LR 25. Aufl. § 244 Rdn. 121 sowie Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 27 m. w. N.).
2. Soweit die Revision geltend macht, durch die Nichtbeiziehung der genannten Akten habe das Landgericht gegen seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verstoßen, ist die Rüge unzulässig; denn sie teilt nicht mit, zu welchen konkreten verfahrensrelevanten Erkenntnissen die Beiziehung der Akten geführt hätte (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO; s. demgegenüber den Sachverhalt, der der Entscheidung des Senats NStZ 2008, 109 zugrunde lag). Entgegen der Ansicht der Verteidigung war sie der Notwendigkeit eines entsprechenden Revisionsvorbringens nicht enthoben. Dass das Landgericht die Ermittlungsakten gegen die in der Hauptverhandlung vernommenen Belastungszeugen nicht beigezogen hat, hinderte die Verteidigung grundsätzlich nicht, gemäß § 475 Abs. 1 Satz 1 in diese Einsicht zu nehmen und – soweit vorhanden – den hierdurch aufgedeckten, für das Verfahren gegen den Angeklagten entscheidungserheblichen Beweisertrag in der Revision zu benennen (vgl. BGH StraFo 2006, 500); denn auch die Notwendigkeit, zur ordnungsgemäßen Ausführung einer Revisionsrüge Tatsachen aus einem anderen Verfahren vorzutragen, begründet regelmäßig ein berechtigtes Interesse im Sinne der genannten Vorschrift, die Akten jenes Verfahrens einzusehen. Dass die Verteidigung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist entsprechende Bemühungen um Akteneinsicht erfolglos entfaltet hätte, trägt die Revision ebenfalls nicht vor (vgl. BGHSt 49, 317, 327 ff.).
3. Die Verteidigung zeigt auch keinen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO auf, soweit sie die Ablehnung ihres Antrags auf Einholung des Gutachtens eines anderen Sprachsachverständigen beanstandet. Zwar hat das Landgericht nach dem Wortlaut des ablehnenden Beschlusses den Antrag „wegen Unerreichbarkeit” des Beweismittels abgelehnt, nachdem sich der Angeklagte geweigert hatte, die für die Stimmenvergleichung erforderliche Stimmprobe abzugeben, weil er dem mit der Erstellung des Gutachtens betrauten Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen misstraute. Aus der Begründung des Beschlusses ergibt sich indes eindeutig, dass es sich hierbei um ein Versehen handelte und die Strafkammer die Ablehnung des Antrags tatsächlich auf den Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels gestützt hat, da mit der Verweigerung der Abgabe der erforderlichen Stimmprobe es an den tatsächlichen Anknüpfungstatsachen für das zu erstattende Gutachten fehlte (vgl. Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 59 a m. w. N.).
Hiergegen ist nichts zu erinnern. Durch seine Weigerung, mit dem vom Landgericht bestimmten Gutachter zusammen zu arbeiten, konnte der Angeklagte die Beauftragung eines ihm genehmen Sachverständigen nicht erzwingen (s. § 73 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Aufklärungspflicht gebot die Zuziehung eines anderen Sachverständigen hier ebenfalls nicht.
Unterschriften
Becker, Miebach, von Lienen, Sost-Scheible, Hubert
Fundstellen
Haufe-Index 2564738 |
NStZ 2009, 51 |
NStZ-RR 2011, 100 |
StV 2008, 567 |
StraFo 2008, 472 |