Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändung. Eidesstattliche Versicherung. Antrag. Zeitpunkt. Aufenthaltsort. Auftragsumfang
Leitsatz (amtlich)
a) Wird der Auftrag zur Pfändung zusammen mit einem Antrag zur Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für den Fall gestellt, dass die Pfändung nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt, ist der Zeitpunkt des Pfändungsversuchs für die Bestimmung der Zuständigkeit zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 899 Abs. 1 ZPO maßgeblich.
b) Zur Begründung eines Aufenthaltsorts i.S.d. § 899 Abs. 1 ZPO reicht eine kurzfristige Anwesenheit des Schuldners aus.
c) Eine Ausdehnung des Verfahrens zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf weitere titulierte Forderungen ist nach dem Offenbarungstermin nicht mehr zulässig.
Normenkette
ZPO § 899 Abs. 1, § 901
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 25.07.2007; Aktenzeichen 332 T 34/07) |
AG Hamburg (Beschluss vom 28.02.2007; Aktenzeichen 29d M 5042/07) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Schuldners und die Anschlussrechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 32, vom 25.7.2007 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gegenstandswert: 1.500 EUR.
Gründe
[1] I. Der Schuldner wurde vom OLG München zur Zahlung von 1.999.800 US-Dollar an den Gläubiger verurteilt. Die Verfahrenskosten setzte das LG München I mit Kostenfestsetzungsbeschluss i.H.v. 79.200 EUR gegen den Schuldner fest.
[2] Der Schuldner, der seinen Wohnsitz in Großbritannien hat, war für den 15.12.2006 als Zeuge in das Ziviljustizgebäude in Hamburg geladen.
[3] Der Gläubiger, der in der Schweiz wohnt, beauftragte den Gerichtsvollzieher am 8.12.2006, wegen eines Teilbetrags von 50.000 EUR aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss eine Sachpfändung durchzuführen. Für den Fall der Erfolglosigkeit der Pfändung beantragte der Gläubiger, Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners zu bestimmen und Haftbefehl zu erlassen, falls der Schuldner zum Termin nicht erscheinen oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verweigern sollte.
[4] Nachdem ein Pfändungsversuch am 15.12.2006 im Ziviljustizgebäude in Hamburg erfolglos verlaufen war, lud der Gerichtsvollzieher den Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf den 15.1.2007. Am 20.12.2006 erteilte der Gläubiger einen Vollstreckungsauftrag zur Pfändung aus dem Urteil des OLG München und beantragte, in dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 15.1.2007 erneut eine Pfändung beim Schuldner vorzunehmen und ggf. einen weiteren Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu bestimmen sowie bei einer Weigerung des Schuldners oder im Falle seines Nichterscheinens im Termin Haftbefehl zu erlassen.
[5] Unter Berufung auf seinen Wohnsitz und Aufenthalt im Ausland machte der Schuldner geltend, der Gerichtsvollzieher sei unzuständig. Zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 15.1.2007 erschien der Schuldner nicht. Im Hinblick auf den Haftbefehlsantrag legte der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckungsakte dem AG Hamburg vor.
[6] Das AG hat sich für örtlich unzuständig erklärt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Gläubigers hat das AG zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben und es angewiesen, gegen den Schuldner Haftbefehl zu erlassen; die weitergehende sofortige Beschwerde hat das LG zurückgewiesen.
[7] Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Schuldners. Der Gläubiger beantragt, die Rechtsbeschwerde des Schuldners zurückzuweisen. Er beantragt weiterhin im Wege der Anschlussrechtsbeschwerde, die Zwangsvollstreckung entsprechend seinem Antrag vom 20.12.2006 auszudehnen. Der Schuldner beantragt, die Anschlussrechtsbeschwerde zurückzuweisen.
[8] II. Die Rechtsbeschwerde des Schuldners und die Anschlussrechtsbeschwerde des Gläubigers sind zulässig (§§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4, 575 ZPO). In der Sache haben sie keinen Erfolg.
[9] 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
[10] Das AG Hamburg sei nach §§ 899 Abs. 1, 802 ZPO örtlich zuständig. Maßgeblich sei für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit der Aufenthaltsort des Schuldners, weil dieser keinen Wohnsitz im Bundesgebiet habe. Der Schuldner habe sich zum Zeitpunkt des Pfändungsversuchs am 15.12.2006 im Bezirk des AG Hamburg aufgehalten. Davon sei auch auszugehen, wenn für einen Aufenthaltsort i.S.d. § 899 Abs. 1 ZPO erforderlich sei, dass der Schuldner sich in der maßgebenden Zeit dort überwiegend aufzuhalten pflege und dass dort seine Interessen zusammenliefen, deretwegen er sich im Bundesgebiet aufhalte.
[11] Der Antrag des Gläubigers auf Ausdehnung der Zwangsvollstreckung habe dagegen keinen Erfolg. Das Schreiben des Gläubigers vom 20.12.2006 habe keine Ausdehnung der bereits laufenden Zwangsvollstreckung, sondern einen davon unabhängigen weiteren Zwangsvollstreckungsauftrag zum Gegenstand gehabt. Die unter dem 24.1.2007 nachgesuchte Ausdehnung der Zwangsvollstreckung sei unzulässig. Sie sei erst nach dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 15.1.2007 beantragt worden.
[12] 2. Die Rechtsbeschwerde des Schuldners ist nicht begründet, weil das Beschwerdegericht das AG zu Recht angewiesen hat, einen Haftbefehl gegen den Schuldner zu erlassen (§§ 899, 900, 901 ZPO). Das AG Hamburg ist für den Erlass des Haftbefehls zuständig.
[13] a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung folgt diese Zuständigkeit jedoch nicht aus Art. 39 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (ABl. EG 2001 Nr. L 12, 1 - im Folgenden: Brüssel-I-VO). Die Vorschrift betrifft die örtliche Zuständigkeit für einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung der in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung (vgl. Art. 38 Abs. 1, Art. 39 Abs. 1 Brüssel-I-VO). Sie berührt nicht die internationale und die örtliche Zuständigkeit für Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund einer von einem deutschen Gericht erlassenen vollstreckbaren Entscheidung im Inland (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 6. Aufl., § 899 Rz. 4).
[14] b) Die Zuständigkeit des AG Hamburg für den Erlass des Haftbefehls nach § 901 ZPO folgt vielmehr mittelbar aus § 899 Abs. 1 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO der Gerichtsvollzieher bei dem AG zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner im Zeitpunkt der Auftragserteilung seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes seinen Aufenthaltsort hat. Da der Schuldner in Deutschland keinen Wohnsitz hat, richtet sich die Zuständigkeit grundsätzlich nach dem Aufenthaltsort des Schuldners bei der Auftragserteilung nach § 900 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vorliegend: 8.12.2006). Wird der Auftrag zur Pfändung zusammen mit einem Antrag zur Bestimmung eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für den Fall gestellt, dass die Pfändung nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt, ist der Zeitpunkt des Pfändungsversuchs maßgeblich (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 899 Rz. 2), weil erst zu diesem Zeitpunkt über die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu entscheiden ist und eine dann begründete Zuständigkeit ausreicht. Zu diesem Zeitpunkt (vorliegend: 15.12.2006) hatte der Schuldner seinen Aufenthaltsort i.S.d. § 899 Abs. 1 ZPO im Bezirk des AG Hamburg.
[15] Zur Begründung eines Aufenthaltsorts reicht eine nur vorübergehende kurzfristige Anwesenheit des Schuldners aus; eine Durchreise kann genügen (vgl. zu § 16 ZPO: Musielak/Heinrich, a.a.O., § 16 Rz. 3; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., § 16 Rz. 6; zu § 73 Abs. 1 FGG: KG OLGZ 1973, 149, 150; BayObLG NJW 2003, 596). Dagegen ist zur Begründung eines Aufenthaltsorts nicht erforderlich, dass der Schuldner sich in der fraglichen Zeit an dem in Rede stehenden Ort überwiegend aufzuhalten pflegt und seine Interessen in der Hauptsache dort zusammenlaufen (a.A. OLG Frankfurt JurBüro 1978, 131; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 899 Rz. 5 Fn. 22). Die Bestimmung des § 899 Abs. 1 ZPO setzt für die Begründung der Zuständigkeit keinen längeren oder gewöhnlichen Aufenthalt voraus (zu diesen Erfordernissen: § 20 ZPO und § 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nach diesen Maßstäben genügte die Anwesenheit des Schuldners im Ziviljustizgebäude in Hamburg, um dort einen Aufenthaltsort i.S.d. § 899 Abs. 1 ZPO anzunehmen.
[16] Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kommt es auch nicht darauf an, ob der Schuldner sich an dem fraglichen Ort freiwillig aufhält (vgl. BGH MDR 1987, 829; BayObLG VersR 1985, 742; MünchKomm/ZPO/Patzina, 3. Aufl., § 16 Rz. 6; Wieczorek/Schütze/Hausmann, a.a.O., § 16 Rz. 6; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 16 Rz. 7).
[17] c) Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass auch die weiteren Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls vorliegen. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
[18] 3. Die Anschlussrechtsbeschwerde ist ebenfalls unbegründet.
[19] a) Entgegen der Ansicht der Anschlussrechtsbeschwerde ist eine Ausdehnung der Zwangsvollstreckung vor dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 15.1.2007 durch den Gläubiger nicht erfolgt. Sein Schreiben vom 20.12.2006 enthält keine Ausdehnung der laufenden Vollstreckungsmaßnahme, sondern einen weiteren Auftrag zur Vollstreckung aus dem Urteil des OLG München.
[20] Ohne Erfolg macht die Anschlussrechtsbeschwerde weiterhin geltend, dem Gerichtsvollzieher sei in zahlreichen Telefonaten der Hintergrund des Antrags vom 20.12.2006 erläutert und eine Ausdehnung der Zwangsvollstreckung beantragt worden. In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des Vollstreckungsauftrags vom 20.12.2006 und des nur vage gehaltenen Vortrags des Gläubigers konnte das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgehen, dass eine Ausdehnung der laufenden Zwangsvollstreckung um die Hauptforderung sowie um Zinsen und weitere Kosten bis zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht erfolgt war. Danach kommt es auch nicht darauf an, unter welchen Voraussetzungen eine Ausdehnung der Zwangsvollstreckung zwischen Anberaumung des Termins zur Abgabe der Offenbarungsversicherung und dem Termin selbst zulässig ist (vgl. hierzu LG Bonn JurBüro 1998, 102; Musielak/Voit, a.a.O., § 900 Rz. 4).
[21] b) Eine Ausdehnung des Verfahrens zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf weitere titulierte Forderungen nach dem Offenbarungstermin war nicht mehr zulässig (Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O., § 900 Rz. 22). Der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und der Terminsbestimmung liegt eine bestimmte zu vollstreckende Forderung zugrunde (vgl. § 900 Abs. 3 ZPO). Der Erlass des Haftbefehls setzt voraus, dass der Schuldner dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unentschuldigt fern bleibt oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung grundlos verweigert. Die Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung muss danach im Termin bestanden haben (Schuschke in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 901 ZPO Rz. 5; Zöller/Stöber, a.a.O., § 901 Rz. 3; Wieczorek/Schütze/Storz, a.a.O., § 901 Rz. 10). Denn der Haftbefehl dient der Erzwingung nur einer zulässigerweise abverlangten eidesstattlichen Versicherung. Damit nicht zu vereinbaren ist eine Auswechslung der titulierten Forderung oder eine Ausdehnung auf andere vollstreckbare Forderungen nach dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
[22] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2030384 |
NJW 2008, 3288 |
BGHR 2009, 40 |
EBE/BGH 2008 |
FamRZ 2008, 2022 |
JurBüro 2008, 607 |
WM 2008, 1853 |
MDR 2008, 1303 |
MDR 2010, 491 |
Rpfleger 2008, 582 |
VE 2008, 203 |
VE 2009, 2 |
ELF 2009, 22 |
EuLF 2009, 25 |