Leitsatz (amtlich)
Wendet sich der Betroffene nach der Anordnung der Betreuung noch innerhalb der Beschwerdefrist allein gegen die Betreuerauswahl, so ist dieses Anliegen als Beschwerde gegen den Ausgangsbeschluss auszulegen und nicht als Antrag nach § 1908b Abs. 3 BGB zu behandeln.
Normenkette
BGB § 1897 Abs. 4 S. 1, § 1908b Abs. 3; FamFG § 16 Abs. 2, § 63; ZPO § 222 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Regensburg (Beschluss vom 18.03.2014; Aktenzeichen 5 T 61/14) |
AG Cham (Beschluss vom 14.01.2014; Aktenzeichen 9 XVII 452/13) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Regensburg vom 18.3.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Die Betroffene wendet sich gegen die Anordnung ihrer Betreuung und gegen die Auswahl des Betreuers.
Rz. 2
Die Betroffene leidet nach den Feststellungen des AG an einer wahnhaften Störung im Sinne einer Paraphrenie. Das AG hat die Betreuung mit Beschluss vom 14.1.2014 mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge einschließlich hiermit verbundener Aufenthaltsbestimmung angeordnet und eine Berufsbetreuerin bestellt. Der Beschluss ist der Betroffenen am 16.1.2014 zugestellt worden. Am 31.1.2014 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen eine Stellungnahme ihres Hausarztes mit der Erklärung zur Akte gereicht, dass dieser bereit sei, für die angeordneten Aufgabenkreise die Betreuung zu übernehmen. Hierauf hat das AG mit Beschluss vom 17.2.2014 den "angeregten Betreuerwechsel" abgelehnt. Gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 14.1.2014 hat die Betroffene am 17.2.2014 (einem Montag) durch ihre Verfahrensbevollmächtigte Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass sie keinerlei Betreuung bedürfe.
Rz. 3
Das LG hat die Beschwerde der Betroffenen gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 14.1.2014 "als unzulässig zurückgewiesen". Soweit die Beschwerde der Betroffenen als Rechtsmittel gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 17.2.2014 anzusehen sei, hat das LG diese als unbegründet zurückgewiesen. Gegen den landgerichtlichen Beschluss wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.
Rz. 5
1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG auch insoweit statthaft, als das LG die Beschwerde als unzulässig verworfen hat.
Rz. 6
Nach § 70 Abs. 3 Nr. 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts in Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers ohne Zulassung statthaft. Bereits aus dem klaren Wortlaut der Norm ergibt sich, dass die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht davon abhängig ist, ob das Beschwerdegericht in der Sache entschieden hat oder die Beschwerde - wie hier - als unzulässig verworfen hat. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
Rz. 7
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Rz. 8
a) Das LG hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Rz. 9
Die Beschwerde der Betroffenen vom 17.2.2014 sei als unzulässig zu verwerfen, weil die Beschwerdefrist bei Einlegung der Beschwerde bereits abgelaufen gewesen sei.
Rz. 10
Soweit diese Beschwerde den Beschluss vom 17.2.2014 umfasse, sei sie unbegründet. Ein Betreuerwechsel käme nur gem. §§ 1908b, 1908c BGB in Betracht. Eine Entlassung der Berufsbetreuerin wäre nur möglich gewesen, wenn ein wichtiger Grund für die Entlassung vorgelegen hätte. Gemäß § 1908b Abs. 1 Satz 3 BGB könne ein Berufsbetreuer entlassen werden, wenn der Betreute durch eine Person außerhalb einer Berufsausübung betreut werden könnte. Der hier vorgeschlagene Betreuer sei zugleich Hausarzt der Betroffenen. Das Landratsamt habe zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Interessenkollision entstehen könnte.
Rz. 11
b) Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 12
Das LG hätte die Beschwerde der Betroffenen vom 17.2.2014 nicht als unzulässig verwerfen dürfen, weil sie fristgerecht beim AG eingegangen war. Schon aus diesem Grunde war es ihm verwehrt, isoliert über die Betreuerauswahl zu befinden. Vielmehr hätte es die Betreuungsanordnung insgesamt überprüfen müssen.
Rz. 13
aa) Die Betroffene hat gegen den Beschluss des AG vom 14.1.2014 rechtzeitig Beschwerde eingelegt.
Rz. 14
(1) Gemäß § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG beginnt die Frist jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten.
Rz. 15
Ist - wie hier - für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so endet die Frist, die nach Monaten bestimmt ist, mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, § 16 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Fällt das Ende einer Frist - wie hier - auf einen Sonntag, so endet die Frist gem. § 16 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des nächsten Werktages.
Rz. 16
(2) Demgemäß war die am 17.2.2014 beim AG eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss vom 14.1.2014 rechtzeitig erfolgt.
Rz. 17
Die Bekanntgabe des Beschlusses ist durch Zustellung gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG am 16.1.2014 bewirkt worden. Der 16.2.2014 war ein Sonntag, so dass die Frist erst am folgenden Montag, den 17.2.2014 abgelaufen ist. An diesem Tag ist die Beschwerde der Betroffenen beim gem. § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG zuständigen AG eingegangen.
Rz. 18
bb) Damit ist die vom AG vorgenommene Bestellung eines Betreuers nach den §§ 1896 ff. BGB als Einheitsentscheidung (vgl. dazu etwa BGH v. 9.2.2011 - XII ZB 364/10, FamRZ 2011, 632 Rz. 8) insgesamt zu überprüfen. Die vom LG in der Sache isoliert zum Betreuerwechsel getroffene Entscheidung ist gegenstandslos.
Rz. 19
Im Übrigen hat das LG bei der Überprüfung der Betreuerauswahl - aus seiner Sicht allerdings folgerichtig - einen unzutreffenden Maßstab angelegt.
Rz. 20
(1) Schlägt der zu Betreuende im Rahmen der Anordnung der Betreuung eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Volljährigen nicht zuwiderläuft. § 1908b BGB regelt zwar die Voraussetzungen, unter denen die Entlassung eines Betreuers erfolgen kann. Die Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Fälle, in denen bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll. Ist dagegen im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Verlängerung einer bereits bestehenden Betreuung - bzw. wie hier - im Rahmen der Erstentscheidung über die Anordnung einer Betreuung über einen Betreuerwechsel zu befinden, richtet sich die Auswahl der Person des Betreuers nach der für die Neubestellung eines Betreuers maßgeblichen Vorschrift des § 1897 BGB (vgl. BGH v. 15.9.2010 - XII ZB 166/10, FamRZ 2010, 1897 Rz. 17).
Rz. 21
Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, welche Norm dem Betreuerwechsel zugrunde gelegt wird. Nach § 1908b Abs. 3 BGB steht es grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, ob ein Betreuer während eines laufenden Betreuungsverfahrens entlassen wird, weil der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit ist, als neuen Betreuer vorschlägt. § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB räumt dagegen dem Tatrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein. Es ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betreute wünscht. Der Wille des Betreuten kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft. Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Vorgeschlagene die Betreuung des Betroffenen nicht zu dessen Wohl führen kann oder will, etwa weil die vorgeschlagene Person die Übernahme der Betreuung ablehnt oder durch die Übernahme des Amtes in die konkrete Gefahr eines schwerwiegenden Interessenkonflikts gerät (BGH v. 15.9.2010 - XII ZB 166/10, FamRZ 2010, 1897 Rz. 20).
Rz. 22
(2) Dem wird die Entscheidung des LG nicht gerecht.
Rz. 23
Obgleich es vorliegend um die Bestellung eines Betreuers ging, hat sich das Beschwerdegericht nicht an den Maßstäben des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB orientiert, sondern ist rechtsirrig von der Anwendbarkeit der §§ 1908b f. BGB und damit von falschen Voraussetzungen ausgegangen.
Rz. 24
Wendet sich der Betroffene nach der Anordnung der Betreuung noch innerhalb der Beschwerdefrist allein gegen die Betreuerauswahl, so ist dieses Anliegen indes als Beschwerde gegen den Ausgangsbeschluss auszulegen und nicht als Antrag nach § 1908b Abs. 3 BGB zu behandeln. Andernfalls würde die Regelung des § 1897 Abs. 4 BGB umgangen und dem Betroffenen damit sein entsprechendes Vorschlagsrecht genommen.
Rz. 25
3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der Beschluss des LG aufzuheben.
Rz. 26
Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung in der Sache selbst gehindert, weil das Beschwerdegericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Anordnung der Betreuung gerechtfertigt ist. Deshalb hat der Senat die Sache gem. § 70 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Sollte dieses nach einer Prüfung in der Sache die Anordnung einer Betreuung für gerechtfertigt halten, wird es Gelegenheit haben, den Betreuerwunsch der Betroffenen anhand des Maßstabes des § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB zu überprüfen.
Fundstellen