Leitsatz (amtlich)

Zur Zuständigkeit für Vollstreckungsabwehrklagen, die Familiensachen sind, wenn das Verfahren, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden ist, vor dem Inkrafttreten des 1. EheRG im ersten Rechtszug beim Landgericht anhängig gewesen ist.

 

Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Kläger hat in seinem Ehescheidungsverfahren vor dem Landgericht Duisburg am 9. September 1973 einen Prozeßvergleich geschlossen, in dem er sich zur Zahlung von Unterhaltsrenten für die beiden ehelichen Kinder zu Händen seiner geschiedenen Ehefrau verpflichtet hat. Am 30. November 1978 hat der Kläger beim Landgericht Duisburg eine Vollstreckungsabwehrklage gegen seine geschiedene Ehefrau und die beiden Kinder erhoben, mit der er beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich für einen begrenzten Zeitraum für unzulässig zu erklären. Er macht geltend, er habe seine Unterhaltsverpflichtungen unter Berücksichtigung von Kindergeld und Ausbildungsbeihilfe, die zur Hälfte anzurechnen seien, voll erfüllt.

Das Landgericht Duisburg hat den Kläger zunächst darauf hingewiesen, daß nach seiner Auffassung das Familiengericht zuständig sei, und schließlich mit Urteil vom 19. Juli 1979 die Klage als unzulässig abgewiesen. In der Begründung des Urteils ist ausgeführt, das nach § 767 ZPO zuständige Prozeßgericht erster Instanz sei nunmehr nach § 621 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 2 ZPO das Familiengericht; § 36 Nr. 3 ZPO ermögliche es dabei dem Kläger weiterhin, Streitgenossen mit unterschiedlichem allgemeinem Gerichtsstand vor ein- und demselben Gericht zu verklagen.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.

Die geschiedene Ehefrau des Klägers und eines der beiden Kinder haben ihren Wohnsitz in Köln-Weiden, das andere (volljährige) Kind wohnt in Duisburg. Am 14. Juli 1979 hat der Kläger beim Bundesgerichtshof gemäß § 36 Nr. 3 ZPO beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen, und angeregt, das Amtsgericht Duisburg (Familiengericht) für zuständig zu erklären.

II.

Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor.

1.

Dem Gesuch steht nicht entgegen, daß der Kläger die Klage bereits beim Landgericht Duisburg erhoben hat und diesen Rechtsstreit im zweiten Rechtszug weiterführt. Der Wortlaut des § 36 Nr. 3 ZPO könnte zwar dahin verstanden werden, daß die Gerichtsstandsbestimmung vor Erhebung der Klage erfolgen muß. Es ist jedoch in der Rechtsprechung anerkannt, daß aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit die Bestimmung des zuständigen Gerichts auch noch nach Rechtshängigkeit der Sache nachgeholt werden kann (BGH LM ZPO § 36 Ziff. 3 Nr. 4; RGZ 158, 222). Sie ist allerdings dann nicht mehr zulässig, wenn der Rechtsstreit in der Sache bereits einen Stand erreicht hat, daß die Bestimmung eines anderen als des angerufenen Gerichts aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit praktisch ausscheiden würde und damit dem bestimmenden Gericht keine echte Wahlmöglichkeit mehr bliebe; dieses Stadium ist insbesondere dann erreicht, wenn bereits sachlich gegen einen oder mehrere Beklagte entschieden worden ist (BGH LM ZPO § 36 Ziff. 3 Nr. 11 = NJW 1978, 321; Zöller/Vollkommer, ZPO 12. Aufl. § 36 Anm. II 3 b). Im vorliegenden Fall ist jedoch die Klage mangels Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts abgewiesen worden. Eine nachträgliche Bestimmung des Landgerichts als zuständiges Gericht käme hier nicht in Betracht, denn eine uneinheitliche Örtliche Zuständigkeit, wie sie § 36 Nr. 3 ZPO voraussetzt, würde nur vorliegen, wenn die Begründung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts zuträfe, daß für die Klage die Amtsgerichte (Familiengerichte) im jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten zuständig seien. Die Auswahl eines dieser Gerichte würde durch den Stand des anhängigen Rechtsstreits nicht beeinträchtigt.

Die Weiterführung des anhängigen Rechtsstreits durch den Kläger mit der Berufung nimmt dem Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger geht zwar im Rechtsstreit von der Zuständigkeit des Landgerichts nach § 767 Abs. 1 ZPO aus. Er könnte jedoch, wenn das Gesuch zur Bestimmung eines Amtsgerichts führen würde, im zweiten Rechtszug die Verweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht beantragen.

2.

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Nr. 3 ZPO setzt jedoch voraus, daß kein Gericht für die Klage gegen sämtliche beklagten Streitgenossen einheitlich zuständig ist. An dieser Voraussetzung fehlt es hier.

a)

Für die Vollstreckungsabwehrklage ist nach §§ 767 Abs. 1, 802 ZPO das Prozeßgericht des ersten Rechtszugs örtlich und sachlich ausschließlich zuständig. Unter Prozeßgericht ist dabei das Gericht des Verfahrens zu verstehen, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden ist (BGH LM ZPO § 767 Nr. 42). Wenn es sich um einen Prozeßvergleich handelt, ist danach grundsätzlich das Gericht zuständig, bei dem das Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen worden ist, im ersten Rechtszug anhängig war.

b)

Im vorliegenden Fall hat der Vergleich, wie das Landgericht in dem klageabweisenden Urteil zu Recht angenommen hat, eine Familiensache im Sinne des § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GVG zum Gegenstand; damit ist auch die gegen den Vergleich gerichtete Vollstreckungsabwehrklage eine Familiensache (BGH NJW 1978, 1811 = FamRZ 1978, 672).

Das am 1. Juli 1977 in Kraft getretene 1. EheRG hat für Familiensachen die ausschließliche sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte und gerichtsintern die Zuständigkeit der Abteilungen für Familiensachen (Familiengerichte) begründet (§§ 23 a, 23 b Abs. 1 GVG; § 621 Abs. 1 ZPO; BGHZ 71, 264, 268; vgl. auch BGHZ 72, 182 zur Regelung der Rechtsmittelzuständigkeit in Familiensachen nach § 119 GVG).

Welche Auswirkungen diese Zuständigkeitsregelung für Vollstreckungsabwehrklagen hat, die sich gegen einen Titel in einer Familiensache richten, die vor dem Inkrafttreten des 1. EheRG im ersten Rechtszug beim Landgericht anhängig gewesen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur bisher nicht einheitlich beurteilt. Zum Teil wird angenommen, daß die Zuständigkeitsnorm des § 767 Abs. 1 ZPO als die speziellere vorgehe und daher in diesen Fällen weiterhin das Landgericht als früheres Prozeßgericht des ersten Rechtszugs für die Vollstreckungsabwehrklage zuständig sei (OLG Stuttgart NJW 1978, 1272; Walter, FamRZ 1979, 259, 269). Dem steht die Auffassung gegenüber, daß in diesen Fällen das Amtsgericht (Familiengericht) anstelle des Landgerichts zuständig geworden sei (OLG Hamm FamRZ 1978, 523; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 37. Aufl. § 767 Anm. 3 D; Stanicki, FamRZ 1977, 683, 685). Der Senat hat hierzu entschieden, daß sich in solchen Fällen jedenfalls der Rechtsmittelzug der Vollstreckungsabwehrklage nach der für Familiensachen getroffenen Regelung des § 119 GVG bestimmt und daß innerhalb des mit der Sache befaßten Gerichts der Spruchkörper für Familiensachen zuständig ist (NJW 1978, 1811 = FamRZ 1978, 672). In einer weiteren Entscheidung hat er darüber hinaus beiläufig ausgesprochen, daß die Vollstreckungsabwehrklage gegen einen vor dem Landgericht geschlossenen Scheidungsfolgenvergleich seit dem 1. Juli 1977 vor dem Familiengericht zu erheben ist (BGH FamRZ 1979, 573, 575).

Die Frage bedarf für die vorliegende Entscheidung keiner weiteren Vertiefung. Auch wenn aufgrund der Zuständigkeitsvorschriften des 1. EheRG das Amtsgericht (Familiengericht) anstelle des Landgerichts für die Vollstreckungsabwehrklage zuständig geworden ist, kann dies nicht zur Folge haben, daß sich die örtliche Zuständigkeit jeweils nach dem allgemeinen Gerichtsstand der einzelnen Beklagten bestimmt. Damit würde die einheitliche Zuständigkeit, die § 767 Abs. 1 ZPO für die Vollstreckungsabwehrklage unter Anknüpfung an den vorausgegangenen Rechtsstreit schafft, ohne gesetzliche Grundlage aufgegeben. Die Verlagerung von Zuständigkeiten der Landgerichte auf die Amtsgerichte in Familiensachen betrifft grundsätzlich nur die sachliche Zuständigkeit und läßt die örtliche Zuständigkeit unberührt. Für die Vollstreckungsabwehrklage kann daher nur ein- und dasselbe Amtsgericht (Familiengericht) anstelle des Landgerichts als zuständig in Betracht kommen, auch wenn sich die Klage gegen mehrere Streitgenossen richtet. Da die Zuständigkeitsregelung in Familiensachen geboten ist, kann nur das Amtsgericht (Familiengericht) zuständig sein, in dessen Bezirk das Landgericht, bei dem das frühere Verfahren im ersten Rechtszug anhängig war, seinen Sitz hat.

Da sonach für die Klage gegen sämtliche Streitgenossen ein Gericht einheitlich zuständig ist, kommt eine Entscheidung nach § 36 Nr. 3 ZPO nicht in Betracht. Der Kläger kann im anhängigen Rechtsstreit vorsorglich die Verweisung der Sache an das Amtsgericht (Familiengericht) beantragen. Wenn sich sowohl das Landgericht wie das Amtsgericht (Familiengericht) rechtskräftig für unzuständig erklären sollten, kommt die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Nr. 6 ZPO in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018767

NJW 1980, 188

NJW 1980, 188-189 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1980, 215-216 (Volltext mit amtl. LS)

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